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Streit um VorratsdatenspeicherungSieben Tage statt sechs Monate

Die Justizministerin schlägt vor, IP-Adressen für kurze Zeit anlasslos registrieren zu lassen. Dem Innenminister reicht der Kompromiss nicht und die Bürgerrechtler sind empört.

Symboltier Datenkrake: Gegner der Vorratsdatenspeicherung auf einer Demo. Bild: dpa

Im Streit über die Vorratsdatenspeicherung hat Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) einen Kompromissvorschlag vorgelegt. IP-Adressen, mit denen einzelne Computer im Netz identifiziert werden können, sollen sieben Tage lang anlasslos gespeichert werden. Darüber hinaus soll es aber weiter keine Vorratsspeicherung geben. Innenminister Thomas de Maizière (CDU) genügt das nicht, doch Bürgerrechtler sind empört.

Seit März 2010 gibt es in Deutschland keine Vorratsdatenspeicherung mehr. Nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts müssen die Telekomfirmen nicht mehr sechs Monate lang speichern, wer wann wen angerufen oder angemailt hat, wer sich mit seinem Mobiltelefon wohin bewegte und wer sich wann im Internet aufhielt.

Doch eine EU-Richtlinie schreibt die Vorratsspeicherung der Daten weiter vor. Und Karlsruhe hat sie nicht grundsätzlich verboten, sondern nur besseren Datenschutz verlangt. Die Innenminister machen deshalb seit Monaten Druck, dass Leutheusser-Schnarrenberger endlich einen Gesetzentwurf für die Wiedereinführung vorlegen soll. Am Montag präsentierte sie zumindest ein Eckpunkte-Papier.

Für Telefon-, Mobilfunk- und E-Mail-Daten soll es nach dem Willen der Ministerin weiterhin keine Vorratsspeicherung der Verbindungsdaten geben. Hier schlägt sie ein Quick-Freeze-Verfahren vor. Danach kann die Polizei, wenn sie einen gewissen Verdacht hat, die in diesem Moment noch vorhandenen Verbindungsdaten "einfrieren" lassen, damit sie nicht gelöscht werden.

Relevant ist dies vor allem, wenn man zunächst nur einen Knotenpunkt kennt und dann die Daten zum Beispiel eines ganzen Stadtviertels gesichert werden. Die Daten dürfen aber erst genutzt werden, wenn der Verdacht sich konkretisiert hat und ein Richter die Daten freigibt.

Innenminister de Maizière hält das Quick-Freeze-Verfahren für nicht ausreichend: "Wo nichts gespeichert wird, etwa bei Flatrate-Tarifen, kann auch nichts eingefroren werden." Dem hält die Justizministerin entgegen, dass im Telefonbereich oft auch bei Flatrate-Tarifen die Verbindungsdaten noch lange vorhanden sind – weil Telefonfirmen die Benutzung fremder Leitungen abrechnen müssen.

Anders sieht es bei der Einwahl ins Internet aus. Hier sind bei Flatrate-Tarifen oft wirklich keine Daten zu Abrechnungszwecken mehr da. Die Ministerin stimmt deshalb einer siebentägigen Speicherung der IP-Adressen zu. Dann kann eine Internetfirma der Polizei mitteilen, welcher Kunde zu einem bestimmten Zeitpunkt mit einer verdächtigen IP-Adresse unterwegs war. So will die Ministerin vor allem den Kampf gegen Kinderpornografie unterstützen.

Der Datenschutzbeauftragte Peter Schaar lobte: "Ein guter Vorschlag." Kein Wunder, denn er hatte Ähnliches Ende November selbst vorgeschlagen. Der Innenminister aber mäkelte, die Daten müssten "für einen deutlich längeren Zeitraum" gespeichert werden. Doch Schaar warnte de Maizière: "Er sollte den Vorschlag ernsthaft prüfen. Wenn sich die Bundesregierung bis Ende der Wahlperiode auf keinen Gesetzentwurf einigen kann, haben die Sicherheitsbehörden auch nichts davon."

Die Bürgerrechtler vom AK Vorrat reagierten dagegen mit "Unverständnis und Bestürzung" auf den Kompromissvorschlag der Ministerin.

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7 Kommentare

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  • I
    Indigo

    Ich verstehe nicht worum es hier geht ...

     

    Telekom speichert keine Verbindungsdaten für Intenet mehr ?

    was für ein Quatsch. Hat jemand hunderte Abmahnanwahlte in Arbeitsam gesehen ? (wegen ALG 1 Beantragung).

     

    und im ernst wie sollte man dann mit Kinderporno kampfen ? hat jemand ein beseren Vorschlag ?

  • GM
    Gosig Mus

    "Relevant ist dies vor allem, wenn man zunächst nur einen Knotenpunkt kennt und dann die Daten zum Beispiel eines ganzen Stadtviertels gesichert werden."

     

    Hä? Was genau ist denn mit Knotenpunkt gemeint? Die Daten eines ganzen Stadtviertels sichern?!

  • R
    Rod

    Das ist nur der Anfang. Zuerst will man das Prinzip durchdrücken und viele werden sagen "sind ja nur 7 Tage". Aber wenn das einmal durch ist, dann werden die Politiker die Speicherdauer leicht erhöhen können und ich bin sicher, das werden sie auch tun.

     

    Bei der Einführung von Steuern/Abgaben verfolgen sie ja das selbe Prinzip: Neue Abgabe mit sehr hohen Freibeträgen einführen, wegen der hohen Freibeträge störts niemanden und niemand wehrt sichs Später werden dann die Freibeträge gesenkt und dann ist es zu spät.

  • K
    Kai

    Weil ich nix tue, braver Bürger spiele, werden von Staatswegen meine Fingerabdrücke genommen, mein Gesicht Biometrisch vermessen, mein Telefon evtl. abgehört, mein Kfz-Kennzeichen auf den Autobahnen registriert und sollen sowieso alle Handy-, Telefon- und Internetverbindungen, also meine sämtlichen Kontakte, erfasst und gespeichert werden. Mit den Daten meiner jeweiligen gegenüber geschieht das Gleiche.Von den daten bei ELENA ganz zu schweigen. Welch Informationsnetz. Ganz demokratisch? Das alles wird von diesem Staat, der Lustobjekt weniger Einfluß- und Geldreicher Interessengruppen ist und der mich lt. EU-Lissabon-Vertrag im Ausnahmefall sogar erschießen darf, nicht genutzt werden? Das Wahheitsministerium wird es uns mittels der Medien schon nahe bringen.

  • PY
    Peter Youkuf

    Vorratsdatenspeicherung speichert mehr als nur Verkehrsdaten!

     

    Bei der Vorratsdatenspeicherung werden nicht, wie im Artikel behauptet, Verkehrsdaten gespeichert (von A nach B) sondern Inhalte - eben weil es sich bei den Zieladressen um Internetseite mit Inhalten (Bilder, Texte ...) handelt - so ist es sofort möglich ein umfangreiches Interessens- bzw. Persönlichkeitsprofil anzulegen. Aufgrund der Reihenfolge, in der bestimmte Internetseiten aufgerufen werden, kann auch per Mustererkennung festgestellt werden, ob ein Anschluss von mehreren Personen genutzt wird. Es wird also nicht nur eine Zielperson erfasst, sondern auch alle anderen, die den Anschluss nutzen. Das kann bei zB öffentlichen WLAN-Hotspots mehrere tausend Menschen betreffen, die sich faktisch im Netz einer (von der Verfassung nicht gedeckten) Rasterfahndung wiederfinden würden.

     

    Von der Politik wird weiter Stimmung gemacht, mit Terrorwarnungen & Kinderpornographie. Ist man dagegen, wird man automatisch in eine Ecke mit AlKaida und KiPo gestellt - doch noch haben wir Rechte: wiki.vorratsdatenspeicherung.de

  • RT
    Rolf Tamm

    Auch eine nur kurzzeitige Speicherung aller Internet-Verbindungsdaten kann von Geheimdiensten, die auf diese Daten beliebig zugreifen können, dazu benutzt werden, eine zeitlich unbegrenzte Datenbank aller Verbindungsdaten zu erstellen. Die Datenbank muss nur jeden Tag um die aktuellen Daten ergänzt werden. Die Einschränkung auf nur 7 Tage ist also bedeutungslos. Freie Fahrt für die Selbstjustiz-Dienste, welche sowieso der Ansicht sind, der Rechtsstaat versage.

    Die FDP ist mal wieder als Rechtsstaatspartei auf der ganzen Linie umgefallen - und keiner soll es merken. Weg mit dieser Partei!

  • K
    Kommentator

    Die Hürden, die das BVerfG an die VDS gelegt hat, sind derart hoch, dass eine VDS praktisch nicht durchführbar ist. Somit ist auch dieser Vorschlag grundgesetzwidrig. Egal ob 6 Monate oder eine Woche: eine anlasslose Datenspeicherung darf es nicht geben. Punkt. Aus. Ende.

     

    Obwohl man Frau Leutheusser-Schnarrenberger zu gute halten muss, dass sie sich gegen zahlreiche CxU-Hardliner behaupten konnte, war es leider doch nur eine Frage der Zeit, bis auch sie umkippt. Heute ist es passiert.

     

    Und dass der Vorschlag den Verfassungsfeinden aus der Union nicht reicht, war sowieso klar, offensichtlich sind die erst zufrieden, wenn alle Bundesbürger lückenlos und vollständig durchleuchtet und überwacht werden. Alles nur im Kampf gegen pöhse Terroristen, ist klar. Warum werden die eigentlich nicht vom Verfassungsschutz überwacht? Dann hätten die wenigstens einmal was sinnvolles zu tun.