Streit um Treitschkestraße: Antisemitismus über administrativen Aufwand
Die Treitschkestraße in Steglitz ist nach einem Antisemiten benannt. Seit Jahren wird die Umbenennung gefordert, die CDU stellt sich erneut dagegen.
Benannt ist die Straße nach Heinrich von Treitschke. Der 1896 verstorbene Geschichtsprofessor gilt unter anderem wegen der von ihm verfassten Schrift „Die Juden sind unser Unglück“ als Wegbereiter des Nationalsozialismus. Seit Jahren setzen sich daher auch Anwohner*innen, die Aktion Sühnezeichen Friedensdienste und die evangelische Patmos-Kirchengemeinde für einen neuen Straßennamen ein.
Bereits im Jahr 2000 hatte die angrenzende Gemeinde eine Umbenennung der Straße nach dem einstigen Präses der Bekennenden Kirche und späteren Berliner Bischof Kurt Scharf gefordert. Entsprechende Vorstöße in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Steglitz-Zehlendorf scheiterten jedoch am Widerstand der CDU und damals auch der FDP.
Die CDU erachtet die Benennung der Straße noch immer als ein zu erhaltendes historisches Erbe. Treitschke sei ein „einflussreicher Historiker und Publizist des 19. Jahrhunderts“, heißt es in einer Postwurfsendung der CDU an Anwohner*innen vom 17. Dezember diesen Jahres. „Auch wenn seine Ansichten und seine Rolle in der Geschichte umstritten sind, stellt die Benennung dieser Straße ein historisches Dokument dar, das die Entwicklung unserer Stadt widerspiegelt.“
BVV beschäftigt sich im Januar mit der Umbenennung
In dem Schreiben rief die CDU-Abgeordnete im Abgeordnetenhaus, Claudia Wein, die Anwohner*innen dazu auf, zahlreich zur BVV am 8. Januar 2025 zu erscheinen. Dort soll erneut über die Umbenennung der Treitschkestraße entschieden werden. Die Straße soll künftig nach Betty Katz benannt werden, der Direktorin des Jüdischen Blindenheims in Steglitz, die 1944 im Konzentrationslager Theresienstadt ermordet wurde. Den Beschluss hatte die BVV am 11. Dezember vertragt und in den Ausschuss für Bildung und Kultur zurücküberwiesen.
Die CDU kritisiert, dass Bezirksverordnete der SPD, Grünen und FDP „die Umbenennung gegen den mehrheitlichen Anwohnerwillen beschließen wollen“. Eine Anwohner*innenbefragung im Dezember 2012 hatte ergeben, dass 74 Prozent der Teilnehmer*innen gegen eine Umbenennung waren. Bei der jüngsten Befragung im Dezember 2022 und Januar 2023 sprachen sich sogar 84,5 Prozent der Teilnehmer*innen gegen eine Umbenennung aus.
Nach dem Umfrageergebnis 2012 kritisierte der Berliner Landesverband des Vereins Mehr Demokratie e.V., dass ein Bürgerentscheid im gesamten Stadtbezirk sinnvoller gewesen wäre, als die Anwohner*innenbefragung. Denn es sei denkbar, dass die Anwohner*innen vor allem aus praktischen Gründen gegen die Umbenennung der Straße gestimmt hätten, da eine Adressänderung mit einem gewissen Aufwand verbunden ist.
CDU warnt vor administrativem Aufwand
Auch 12 Jahre später relativiert die CDU die Ehrung des glühenden Antisemiten mit dem bürokratischen Aufwand, den eine Umbenennung mit sich bringen würde: Jede*r Anwohner*in müsste seine*ihre Adresse ändern, offizielle Dokumente sowie Postzustellungen, Verträge und städtische Dienstleistungen anpassen. „Die Umstellung würde sowohl zeitliche als auch finanzielle Ressourcen beanspruchen“, heißt es im Schreiben. „Diese Erfahrung mussten bereits viele Menschen in anderen, von links-grünen Kräften in Berlin umbenannten Straßen machen.“
Viele andere Städte haben diesen Aufwand jedoch bereits in Kauf genommen, um den Antisemiten nicht weiter zu ehren. Nur in München, Karlsruhe und Berlin gibt es noch eine Treitschkestraße, anderswo wurden sie längst umbenannt, in Heidelberg etwa endete der jahrelange Kampf 2012. Wann Berlin diesen Schritt geht, steht in den Sternen.
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