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Streit um Suhrkamp-VerlagVerlag unterm Schutzschirm

Die Verlegerin des Suhrkamp Verlags Ulla Berkéwicz, die bisher fast alle Prozesse verlor hat, hat jetzt das Heft des Handelns wieder in der Hand.

Kämpft verbissen darum, das Sagen im Verlag wieder zu bekommen: Ulla Unseld-Berkéwicz. Bild: dpa

Eigentlich hatte das Treffen schon in der Woche zuvor stattfinden sollen, wurde dann aber kurzfristig auf Donnerstagabend verschoben – Ulla Berkéwicz, die Verlegerin des Suhrkamp Verlags, hatte einige Dutzend ihrer Autoren in ihre Villa gebeten, um über den Stand der Dinge zu informieren.

Dass sie das Treffen zuvor verschoben hatte, ließ auf Entspannung hoffen – ihr Streit mit Hans Barlach, dem Besitzer der Medienholding AG Winterthur, die Minderheitsgesellschafterin am Verlag ist, hatte sich offenbar ein wenig abgekühlt. Und am vergangenen Wochenende meldete der Spiegel sogar, ein „weißer Ritter“ sei in Sicht.

Das hieße, Ulla Berkéwicz, die auch der Siegfried und Ulla Unseld Familienstiftung vorsteht, die wiederum Mehrheitsgesellschafterin des Verlags ist, und Barlach würden einen Teil ihrer Verlagsanteile einem dritten Investor überschreiben.

Diesen „weißen Ritter“ hatte insbesondere Barlach immer wieder herbeigeredet. Durch die Medien ging das Gerücht, dieser Retter in der Not sei der kunstsinnige Medienmogul Hubert Burda, der anderen Spekulationen zufolge sogar der heimliche Finanzier Barlachs sei.

Ein Schutzschirm vom Amtsgericht

Doch offenkundig war die Meldung falsch, Tanja Postpischil, die Suhrkamp-Pressesprecherin weiß nichts von einem Investor. Sie musste Anfang der Woche allerdings anderes verbreiten: Der Verlag hatte soeben einen Antrag auf Einleitung eines sogenannten Schutzschirmverfahrens gestellt, das Amtsgericht Berlin-Charlottenburg hatte dieses daraufhin eröffnet.

Diesen Text lesen Sie in der taz.am wochenende vom 1./2. Juni 2013. Darin außerdem: Die Titelgeschichte „Die neuen Habenichtse“ über Internetunternehmer, die das Zeitalter des Haben-Wollens überwinden wollen. Die Affenforscherin Jane Goodall über die Ähnlichkeit von Menschen und Schimpansen. Und: Wie ein Islamist mit einem Telefonstreich den größten Terroralarm seit der RAF auslöste. Am Kiosk, eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo.

Suhrkamp hat also angesichts einer drohenden Insolvenz eine Art Vorinsolvenz eingeleitet, die Geschäftsführung hat den Insolvenzrechtler Frank Kebekus zum Generalbevollmächtigten ernannt, der wiederum mit dem vom Gericht bestellten Sachwalter Rolf Rattunde drei Monate lang die Sanierungsfähigkeit des Verlags prüfen wird.

Hans Barlach, dessen Ansprüche an Suhrkamp somit für ein Vierteljahr eingefroren sind, reagierte überrascht und empört. Denn da es nun um das Überleben des Unternehmens geht und den Erhalt der Arbeitsplatze – das sind die vorrangigen Ziele der Insolvenzverwalter –, treten die Konflikte, die die Gesellschafter seit Jahren vor Gericht und in den Medien ausfechten, in den Hintergrund.

Keine Abschiedsfeier

Was also erzählte die Verlegerin am Donnerstagabend ihren Autorinnen und Autoren? Weitestgehend das, was oben aufgeführt ist. Und die Stimmung war, so berichten Teilnehmer, angesichts des Ernstes der Lage doch gelöst, es war eher ein Autorentreffen als eine Abschiedsfeier. Und auch die Verlegerin habe sich zuversichtlich gezeigt, dass der Verlag in drei Monaten aus dem Schlamassel herausgeführt sei.

Wie kann aber angesichts der drohenden Insolvenz die Mehrheitsgesellschafterin so gelassen sein? Nun, wie gesagt, Barlach und Berkéwicz verklagten sich in den vergangenen Jahren mehrfach gegenseitig, so ist etwa Berkéwicz von einem Gericht als Geschäftsführerin abberufen worden, das Urteil ist allerdings noch nicht rechtskräftig.

Zudem hat Barlach erstinstanzlich erstritten, dass ihm aus dem Bilanzgewinn 2010 die Summe von 2,2 Millionen Euro auszuzahlen sei, das Geld hat er allerdings nicht abgerufen. Berkéwicz argumentiert nun, dass die Familienstiftung, die 61 Prozent des Verlags besitzt, ebenso am Bilanzgewinn 2010 partizipieren müsse und somit 8,2 Millionen als Ausschüttung zu bilanzieren seien.

Schutzschirm gegen die Pleite

Auch wenn niemand das Geld sogleich abruft – auf dem Papier ist der Verlag damit heillos überschuldet. Um die Pleite abzuwenden, begibt dieser sich nun also unter den Schutzschirm.

Dem Fachmagazin Börsenblatt erläuterte der Generalbevollmächtigte Frank Kebekus die Sanierungsmöglichkeiten: „Die Insolvenzordnung ermöglicht es, alle gesellschaftsrechtlich zulässigen Maßnahmen zu ergreifen. Das kann beispielsweise eine Kapitalherabsetzung sein, der Wechsel der Rechtsform oder der Eintritt eines weiteren Gesellschafters.“

Über diese Maßnahmen entscheiden allerdings nicht mehr allein die Gesellschafter, sondern eine Gläubigerversammlung. Und auf dieser hat Barlach nur eine Stimme, just so wie Berkéwicz als Vorsitzende der Familienstiftung. Berkéwicz ist aber zugleich auch die Nochgeschäftsführerin des Verlags, kann also die Sanierung aktiv mitgestalten. Barlach sind dagegen vorerst die Hände gebunden, auch seine Chancen, das Schutzschirmverfahren gerichtlich anzufechten, sind gering.

Zukunft ist ungewiss

Berkéwicz, deren Seite nahezu alle Gerichtsprozesse der letzten Zeit verloren hat, hat also das Heft des Handelns wieder in die Hände bekommen. Aber wie sieht die Zukunft aus? Dadurch, dass der Verlag öffentlich seine wirtschaftlichen Probleme bekannt hat, sind die Verlagsanteile beider Gesellschafter drastisch in ihrem Wert gesunken.

Das Insolvenzrecht interessiert sich nicht für die Liquidität der Gesellschafter eines Unternehmens, sondern für das Unternehmen selbst, dessen Überleben ordnet es alles andere unter. Barlach und Berkéwicz’ Familienstiftung könnten also einen Teil ihrer Anteile verlieren, könnten sie verkaufen, bevor der Verlag in eine tatsächliche Insolvenz eintritt, beide könnten leer ausgehen.

Als die Geschäftsführer des Aufbau Verlags vor fünf Jahren Insolvenz anmeldeten, fühlte sich der damalige Besitzer, Bernd Lunkewitz, geradezu enteignet. Ähnlich könnte es Barlach und der Familienstiftung ergehen. Reißt also Berkéwicz ihren Feind schlimmstenfalls mit in den Abgrund, zum Wohle des Verlags? Dieses Opfer ist ihr, die mehr an Kultur als an Bilanzen interessiert ist, durchaus zuzutrauen.

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2 Kommentare

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  • R
    ridicule

    @von Andreas Urstadt und Julien Lewis:

     

    "…Leser, welche die Seiten wechseln, verzichten vielleicht sogar auf den Wechsel trotz mehrfacher Blitzzusagen.…"

    und ahls wigger!

    " Herr, dunkel war der Rede Sinn …" Friedrich S.

     

    Anyway.

    Davon träumt ja jeder, der mal im alternativen Bereich

    rumhantiert hat:" mit einem Federstrich das Kapital

    neutralisieren!"

    Hier durch den Gesetzgeber mittel Schutzschirm zur

    Abwendung der Insolvenz.

    Die Dame ist für ne Überraschung gut -

    und Mister Barlach beißt düpiert in die Tischkante.

     

    Nach Schockstarre - " mieser Trick, Voraussetzungen liegen

    gar nicht vor!!"

    aber - egal wie - drei Monate ist nicht die Welt

    und was dann?

    Sind beide wirklich so bekloppt, die Kuh in die

    Abdeckerei zu bugsieren, von deren Milch

    der frommen Denkungsart sie bisher lebten?

    Klar - Guru für 30Tsd. - 2 Mio aus der Kasse und

    jetzt die große - oder kleine? - Rochade;

    leichter ist es nicht geworden.

    Frage: wieviele Phyrrus-Siege verträgt der Verlag noch?

  • AU
    Andreas Urstadt und Julien Lewis

    Inhaltliche Berichte ueber Verlage sind in der taz (zumindest open online) kaum da. Einen Verlag im Dauerzustand auf Amtsdeutsch und Amtsverfahren zu reduzieren pocht auf zu hohe Normativitaet, ueberhaupt den Diskurs mitzumachen. Dasselbe trifft die Verlage und ihre Justizabteilungen selbst. Zu hohe Normativitaet ist nicht nachhaltig.

     

    Das geht jenseits vom Geld auch bei Preisen, Bestenrankings usw schon los. Ein Klima zum Davonlaufen. Wer schon mal fuenf Stunden in einem Szenebuchladen vom Buchhaendler festgehalten wurde (weil s so viel ueber den Betrieb zu sagen gab) wirds gemerkt haben.

     

    Diese ganze eingeschliffene Maschinerie hat mit dem Leser ueberhaupt nichts zu tun. Leser, welche die Seiten wechseln, verzichten vielleicht sogar auf den Wechsel trotz mehrfacher Blitzzusagen.

     

    Distinktion und zu hohe Normativitaet werden im Milieu dazu vermischt. Beim Baecker hat man den Aerger nicht, fuer Leute, fuer die Buecher wie Brot sind sehr relaxend, was die Buchszene allerdings nicht ist. Ein Trans Fair Siegel kann dahin nicht vergeben werden. Business ethics gibts unisono mehrerer Buchhaendler nicht. Manche Verlage werben mit: misstraut Verlagen, findet bessere Loesungen. Buchhaendler dazu: depri. Nicht nur einer. Das Klima gilt als schlecht. Die Kritik kommt direkt aus Insiderzentren und Schnittstellen. Suhrkamp ist nur eine nach oben gespuelte Spitze.

     

    Die Medien, von denen Verlage ein Teil sind berichten nicht holistisch ueber die Gesamtsituation der Verlagslandschaft und des Diskurses, rausgepickt wird der Suhrkampstreit, den man ohne den Gesamthintergrund kaum verstehen kann.

     

    Das Sagen ist unter Umstaenden ansteckend, was das Sagen unter den medizinischen Bereich shiften lassen kann.

     

    Was i Z Suhrkamp abgeht hat mit business ethics nicht viel zu tun. Erzeugt aber allenfalls nur noch ein Schulterzucken nach Gespraechen mit Indikatoren der Szene.

     

    Wir freuen uns darueber, dass auf dem Brot keine clips der Zeitungen aufgedruckt sind, die das Brot besprochen haben. Wir freuen uns darueber, dass es gar nicht besprochen wurde, so braucht man auch keinen Zahnstocher.