Streit um Sex-Domains: Porno-Ghetto im Internet

Die Netzverwalter der ICANN haben eine eigene Top-Level-Domain ".XXX" für Pornos beschlossen. Was mehr Jugendschutz verspricht, könnte Zensur begünstigen.

Gegen das Porno-Ghetto: Proteste gegen die .xxx-Pläne in San Fransisco. Bild: dapd

"The Internet is for porn." Diese so einfache wie wahre Feststellung fasst die sexuelle Revolution in einem Satz zusammen, die sich seit der Durchsetzung des World Wide Web ab 1994 abgespielt hat. Man kann das schlimm finden oder geil: So einfach, an Bildmaterial von Sex zu gelangen, war es noch nie.

Versuche, diese Situation zu ändern, gab es schon viele - angefangen vom gescheiterten Communications Decency Act unter US-Präsident Bill Clinton bis hin zu den Bemühungen der deutschen Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften, die längst auch Online-Angebote indiziert. Geholfen hat das alles wenig.

Ausgerechnet die für Internet-Adressen zuständige "Netzregierung" ICANN könnte es nun sein, die mit alldem aufräumt. Jedenfalls indirekt. Wie die Internet Corporation for Assigned Names and Numbers am vergangenen Freitag beschloss, soll es künftig einen neuen Adressbereich allein für sogenannte Adult-Inhalte geben. Die zuständige Top-Level-Domain (TLD) hört auf den schönen Namen ".XXX". Ein entsprechendes "Registry Agreement" für die TLD wurde mit dem Unternehmen ICM geschlossen.

Träger von ".XXX" soll die sogenannte "Internationale Gemeinschaft für Online-Verantwortlichkeit", kurz IFFOR, sein. Wer genau hinter dieser Non-Profit-Organisation steckt, ist schwer zu sagen - allerdings sollen im Leitungsgremium ebenso Vertreter der "Adult Industry" sitzen wie ein "Sachwalter freie Meinungsäußerung", ein "Sachwalter Kinderschutz" und ein "Sachwalter Privatsphäre und Sicherheit". ICM wiederum scheint laut einem Bericht von ZDNet einem ehemaligen Immobilienunternehmer, einem früheren Fax-Händler und einem Ex-Domain-Verkäufer zu gehören.

Die Einführung von ".XXX" war bereits im Jahr 2000 erstmals vorgeschlagen worden, um Pornoangebote vom Rest des Netzes zu trennen. Die nächsten elf Jahre wurde nichts daraus, weil die ICANN neue TLDs nur sehr zögerlich herausgab. Das hat sich teilweise geändert, sodass nun auch ".XXX" wieder auf die Agenda kam und letztlich, nach einer Entscheidung einer Berufungskommission der "Netzregierung", zugelassen wurde. ICM hofft auf Gewinne: 200 Millionen Dollar Umsatz im Jahr plant man bereits ein.

Netzbürgerrechtler fanden die Idee hinter ".XXX" von Anfang an falsch bis brandgefährlich. Die American Civil Liberties Union (ACLU) fürchtete bereits 2004, dass nach der Einführung eines "Porno-Ghettos" konservative Stimmen in der Politik laut werden könnten, immer mehr Inhalte unter dieser TLD zu sammeln oder dies sogar verpflichtend zu regeln - ähnlich wie es eine Kennzeichnungspflicht im Kino oder auf DVD gibt.

Die Idee: Sind erst einmal alle Rotlichtseiten (und womöglich andere "unschöne" Inhalte) unter einem Adressbereich versammelt, lassen sie sich auch zentral filtern, sei es nun auf Seiten des Rechners der Eltern oder zentral gesteuert. Momentan müssen Jugendschützer "böse" Angebote noch einzeln sperren.

Interessanterweise hatte sich ausgerechnet das mit Regierungsvertretern besetzte Governmental Advisory Committee (GAC) gegen die Einführung von ".XXX" ausgesprochen. Lawrence Strickling, Ministerialdirektor im US-Handelsministerium unter Obama und Leiter der "National Telecommunications and Infrastructure Administration", sagte gegenüber Politico, die Entscheidung der ICANN widerspreche dem weltweiten öffentlichen Interesse.

Stricklings Statement hört sich wie ein Nachklang der ACLU-Befürchtungen an: "Das wird ein Türöffner für mehr Netzblockaden durch Regierungen sein." Er fürchte gar Angriffe auf Stabilität und Sicherheit des Netzes. Zudem schütze die neue Domain Kinder nicht.

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