piwik no script img

Streit um „Pick-up-Artist“ in FrankfurtHochschulgruppen knicken ein

Der Anwalt eines Datingcoaches schickt Abmahnungen an ein Bündnis, das sich mit dem Frankfurter AStA solidarisierte. Die ASten geben nach.

Was Goethe wohl zu den Pick-up-Artists gesagt hätte? Foto: dpa

Berlin taz | 13 Abmahnungen vom Anwalt und schon war‘s das mit der Solidarität. Am Freitag hatte ein Bündnis aus Studierendenvertretungen und -verbänden einen Artikel der Frankfurter AStA-Zeitung online veröffentlicht. Drei Tage später haben bereits acht Hochschulgruppen Unterlassungserklärungen unterzeichnet und den Text wieder aus dem Netz genommen. Für die anderen läuft die Frist der Abmahnung noch, doch alle werden sich anschließen.

„Ich halte es für falsch, sich an dieser Stelle den Mund verbieten zu lassen“, kritisiert Madelaine Stahl, Bundessprecherin von „Campusgrün“, dem an der Aktion beteiligten Bundesverband grün-alternativer Hochschulgruppen. Nur mit knapper Mehrheit hatte sich das Solidaritätsbündnis zu diesem Schritt entschieden.

In dem Artikel über das sexistische Gebaren der „Pick-up-Szene“ mit ihren teils brachialen Anmachmethoden wurde auch ein Frankfurter Dating-Coach angeprangert. Dessen Anwalt, Lucas Brost von der Kölner Kanzlei Höcker, hatte im Laufe des Wochenendes Abmahnungen mit Unterlassungsforderungen und Forderungen von 5.000 Euro Entschädigung plus Anwaltsgebühren von gut 2.000 Euro an ASten geschickt, die identifizierend berichtet hatten. Der Grund: In dem Text wird sein Mandant namentlich genannt.

Vom Oberlandesgericht Frankfurt war der Frankfurter Studierendenvertretung die Identifizierung durch Vornamen und abgekürzten Nachnamen sowie ein gerastertes Foto Anfang Januar untersagt worden. Der AStA habe die Persönlichkeitsrechte des Dating-Coaches verletzt.

Persönliche Abmahnungen haben eingeschüchtert

Das Solidaritätsbündnis hatte nur die Texte, nicht aber das Bild des „Pick-up-Artists“ veröffentlicht – wegen rechtlicher Bedenken. Vor einem Monat hatten sich die ASten zusammengeschlossen, das jetzige Vorgehen der Kanzlei des Dating-Coaches sei „absehbar“ gewesen, sagt Madelaine Stahl. Als jedoch einzelne, im Impressum genannte, Mitglieder der ASten persönliche Abmahnung aus ihrem Postfach fischten, knickten sie ein. Das Bündnis rechnet jedoch damit, dass sich die Zahl der UnterstützerInnen verdreifachen wird, weitere Stellungnahmen sind geplant.

Stahl kann verstehen, wie abschreckend die drohenden hohen Kosten gerade auf kleinere ASten und Einzelpersonen wirken. Alles sei „etwas komplexer, als wir das vorher einschätzen konnten.“ Weil dem Bündnis wichtig war, einheitlich aufzutreten, haben nun alle einen Rückzieher gemacht.

Die Unterlassungserklärungen sind unterschrieben, die ASten haben sich selbst zum Stillschweigen verdonnert – zumindest in Bezug auf den Namen des Frankfurter „Pick-up-Artisten“. Dennoch will Madelaine Stahl das „nicht als ein Schuldeingeständnis“ sehen. „Wir haben keinen Fehler gemacht.“ Das frauenverachtende Verhalten des „Pick-up-Artists“ müsse weiterhin benannt werden. Daher bedauert sie den Rückzieher, denn eigentlich sollte die Aktion genau das Gegenteil zeigen. „Wir wollten eigentlich das Signal senden: Das lassen wir nicht mit uns machen. Wir wollten uns nicht von finanzieller Repression abhalten lassen, Kritik zu üben.“

Haben sie jetzt aber doch. Gut für den Dating-Coach und seinen Anwalt. Denn die ASten haben hohe Anwaltsgebühren ausgelöst und möglicherweise kann der Coach noch 13 Mal 5.000 Euro Entschädigungsansprüche kassieren.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
  • Lieber Verfasser, Liebe Kommentatoren

     

    Dieser Artikel wie alle anderen zu dem Thema krankt an einer fehlenden Differenzierung. Es gibt nicht "Die Pickup Szene" . Es gibt eine breite Szene von verschiedenen Leuten, die teilweise ganz verschiedene Ansätze verfolgen.

     

    Was hier von der Asta gemacht wurde ist eine Einzelperson in Sippenhaft genommen zu haben für Aussagen eines anderen Pickup Artists.

     

    Diese Person hat aber weder diese Aussagen getätigt noch sich irgendeiner anderen Straftat schuldig gemacht. Trotzdem wurden ihm in diesen Artikel Dinge in den Mund gelegt und Sachen unterstellt. Dagegen ist das OG zu Recht vorgegangen.

     

    Niemand ist gegen eine kritische auseinandersetzung mit dem Thema "Pick Up" -auch ich nicht als eines der bekanntesten Gesichter. Aber wir lassen uns nicht an den Pranger stellen und akzeptieren Vorwürfe, dass wir Sexisten sein oder Frauen vergewaltingen würden. Sorry, da hört der Spaß auf.

     

    lg Maximilian Pütz

  • Im Übrigen ist das Gerichtsurteil für mich schwer nachzuvollziehen. Sofern sich der Betreffende zur Pick-Up-Thematik tatsächlich in einem Fernsehbericht der Hessenschau nicht nur äußert, sondern auch live begleiten lässt, also eine öffentliche Darstellung seiner Person in Zusammenhang mit der Thematik eindeutig billigt, und sofern er tatsächlich mit der Bearbeitung dieses Themas als Flirtcoach sein Geld verdient, könnte ein öffentliches Interesse an der Nennung seines Namens bestehen. Schon allein, um nicht unwissentlich eine Geschäftsbeziehung mit diesem Flirtunternehmer einzugehen.

     

    Was ist denn das für ne billige Nummer? Erst

  • >>"Wir wollten uns nicht von finanzieller Repression abhalten lassen, Kritik zu üben.“ __

    Haben sie jetzt aber doch. Gut für den Dating-Coach und seinen Anwalt.

  • wie passend: zum Artikel über gewalttätige "Anmachmethoden" eine Anzeige (LaPerla), bei der das Model dadurch sexy wirken soll, dass sie total fertig aussieht.