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Streit um Landrechte auf BorneoKampfjets gegen Sulus Anhänger

Der Konflikt zwischen Anhängern eines philippinischen „Sultans“ und Malaysia widerspricht den Interessen beider Regierungen. Friedlich lösen können sie ihn nicht.

Dorfbewohner fliehen vor den Angriffen. Bild: dpa

BERLIN taz | Drei Wochen ist es her, dass rund 200 Filipinos, darunter etliche Bewaffnete, mit Booten in der ostmalaysischen Provinz Sabah auf der Insel Borneo landeten. Geführt wurden die muslimischen Filipinos vom Bruder eines Mannes namens Jamalul Kiram III., der neben weiteren Personen behauptet, rechtmäßiger Nachfolger des Sultans von Sulu zu sein. Der beherrschte einst die Südphilippinen und Nordostborneo, bevor Kolonialmächte seine Macht beschnitten.

Die philippinischen Eindringlinge, die sich „Königliche Armee von Sulu“ nennen und ein Dorf im Distrikt Lahad Datur besetzten, machen historische Ansprüche auf Sabah geltend. Drei Wochen lang riefen die Regierung Malaysias und die der Philippinen die Anhänger des selbsternannten Sultans dazu auf, auf die Philippinen zurückzukehren.

Als das nichts brachte, riegelte Malaysias Polizei die Region ab und am Freitag fielen erste Schüsse. Am Samstag starben sechs Polizisten in einem Hinterhalt 150 Kilometer entfernt, was darauf hindeutete, dass die Eindringlinge ihre Aktivitäten ausgeweitet hatten. Die Zahl der Toten stieg auf 27. Am Dienstagmorgen starteten die malaysischen Streitkräfte eine Offensive mit Kampfjets, Hubschraubern und Mörsern. Malaysia erklärte, keine Verluste erlitten zu haben. Ein Sprecher von Sultan Kiram III. sagte in Manila, seine Männer würden bis zum Ende kämpfen.

Historische Ansprüche nicht endgültig geklärt

Der bizarre Konflikt widerspricht den Interessen beider Regierungen, doch sind sie offenbar unfähig, ihn friedlich zu lösen. Beide stehen vor Wahlen, bei denen sie glauben, sich kein Verhalten leisten zu können, das als Schwäche gelten könnte.

In der Tat sind die historischen Ansprüche nicht endgültig geklärt. Der Sultan von Sulu hatte Sabah 1878 an eine britische Kolonialfirma verpachtet. Als Malaysia 1963 von Großbritannien unabhängig wurde, blieb Sabah bei Malaysia. Der philippinische Präsident Ferdinand Marcos ließ 1965 eine kleine geheime, muslimische Truppe ausbilden, um Sabah zu erobern.

Doch gab es eine Revolte, die Truppe wurde zum Teil massakriert und aufgelöst. Daraus entstand eine muslimische Guerilla, die fortan für die Unabhängigkeit der Südphilippinen kämpfte und in Sabah Unterschlupf fand. Heute stehen Manila und die Muslimrebellen vor einem historischen Frieden, der von Malaysia unterstützt wird, weil Manila keine Ansprüche auf Sabah mehr erhob. Doch sind damit offenbar nicht alle einverstanden.

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3 Kommentare

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  • WS
    Walter Siegfried Hahn

    Ich finde es auch erstmal beachtenswert, dass überhaupt in der deutschen Presse darüber berichtet wird,immerhin gab es schon wenigstens 28 Tote, die ganze Situation könnte sich zu einem Pulverfass entwickeln und der von der Aquino-Regierung verhandelte Frieden ist akut bedroht. Der Artikel wirkt allerdings wie kondensiert, ist dadurch unverständlich und enthält auch einige Falschaussagen und unnötigen Polemiken. Z.B. hat Marcos die Leute, die für einen Aufstand in Sabah ausgebildet wurden, alle ermorden lassen, nachdem sie erfuhren, um was es geht und sie sich von der Aktion distanzierten. Nur einer entkam und durch ihn und die ganze Aktion entstand der muslimische Aufstand in Mindanao, der bis heute andauert. Sultan Kiram gibt an, im Friedensprozess nicht einbezogen gewesen zu sein, das ist die Begründung, um jetzt plötzlich auf unklare Gebietsansprüche zurück zu kommen, ohne das mit der Regierung zu besprechen. Allerdings war seine Seite genauso wie die MNLF durchaus einbezogen, dazu gibt es auch veröffentlichte Statements von seiner Seite. Wer den alten Herrn jetzt dazu gebracht hat, so ein Himmelfahrtskommando zu starten, ist nicht ganz sicher, aber man kann es ahnen. Friedliebende Kräfte sind es nicht. Die Sache hat viele Schichten und ist äusserst kompliziert. Die von Regierungen unabhängige Initiative wird wohl weitere Aktionen nach sich ziehen. Das Leben im südlichen Teil der Philippinen wird nicht sicherer werden.

  • C
    CAB

    Da muss ich D.J. zustimmen.

     

    Das dieses Thema auch einmal in deutschen Medien Einzug findet ist schon sehr lobenswert doch ich finde der Artikel wird der Wichtigkeit dieses Konfliktes und der Geschichtlichen Einordnung nicht ganz gerecht.

    Der "selbsternannte Sultan" ist in der Tat eine sehr gewagt Aussage. Im Vergleich zu den Staaten Malaysia und Philippinen hat das Sultanat von Sulu wesentlich ältere historische Wurzeln.

     

    Das Sultanat Sulu und Sabah ist ein wunderbares Schaubild von kolonialen und postkolonialen Streitigkeiten vor allem um Vormacht und Gebietsansprüche. Zunächst versuchte die spanische Krone das Gebiet Jahrhunderte lang unter Kontrolle zu bringen, dann die Amerikaner und alles endete in einem Massaker, auf der anderen Seite das von Großbritannien etablierte Malaysia. Und dazwischen die kleinen Sultanate Sulu und Brunei.

     

    Wie ein solch geschichtsträchtiges Thema in einem so kurzen Artikel abgehandelt werden kann ist sicher eine komplizierte Frage, aber nur Schlagzeilen in den Raum zu werfen ist sicherlich auch keine Lösung.

  • D
    D.J.

    Sie sprechen vom "selbsternannten Sultan" und suggerieren, dass es sich um eine Lachnummer handle. Das ist nicht richtig. Der Sultan von Sulu ist durchaus von der Regierung der Republik der Philippinen anerkannt, zu der die Insel gehört, auch wenn er fast nur symbolische Macht besitzt. Es ist in Asien, mehr noch in Afrika keine Seltenheit, dass Republiken auf regionaler Ebene Monarchen anerkennen. Afrika kennt hunderte von Königen auf regionaler Ebene, die Bekanntesten dürften der Zulu-König in Südafrika und der Ashanti-König in Ghana sein (deren Stellung ist jeweils in der Verfassung verankert). In Indonesien gibt z.B. es vier Rajas im hinduistischen Bali, daneben einige Sultane auf Java. Soweit nur zur Klarstellung.