Streit um Kraftwerk: Bezirk heizt Vattenfall ein
Lichtenberg will den Neubau des geplanten Kohlekraftwerks verhindern. Der dafür nötige 140 Meter hohe Kühlturm werde auf keinen Fall genehmigt, erklärt der Baustadtrat.
Die Vattenfall-Pläne für ein neues Steinkohlekraftwerk in Lichtenberg werden am Bezirk scheitern. "Ein solches Kraftwerk wäre ein Eingriff in das Stadtbild, den wir genehmigen müssten", sagt der stellvertretende Bürgermeister und Baustadtrat, Andreas Geisel (SPD), der taz. Komplett zu verhindern sei eine neue Anlage zwar nicht, so Geisel, doch der Bezirk wolle über den Bebauungsplan dafür sorgen, dass sie deutlich kleiner ausfällt als von Vattenfall bisher geplant.
Vor einem Jahr, als die Klimaschutzdebatte gerade in Fahrt kam, wurde das Vattenfall-Vorhaben bekannt. 800 Megawatt Strom und 650 Megawatt Wärmeleistung soll das neue Kraftwerk laut Vattenfall erbringen. "Der Kühlturm hätte eine Höhe von bis zu 140 Metern", sagt Geisel. 100.000 Berliner, die rund um Rummelsburg leben, würden den steinernen Zylinder immer im Blick haben. "Einen Bebauungsplan braucht man da auf jeden Fall."
Politiker aller Parteien hatten die Vattenfall-Pläne wegen des hohen CO2-Ausstoßes von Kohlekraftwerken kritisiert. Die Grünen plädieren für kleinere, mit Erdgas befeuerte Anlagen mit Kraft-Wärme-Kopplung. Bei der Nutzung von Erdgas werde nur halb so viel CO2 in die Atmosphäre geblasen wie bei Steinkohle, sagt der energiepolitische Sprecher Michael Schäfer. Auch Umweltsenatorin Katrin Lompscher (Linke) hatte sich gegen Kohle als Brennstoff für ein solches Kraftwerk ausgesprochen.
Rechtlich vorgehen gegen den CO2-Ausstoß kann der Senat aber nicht. Kohlendioxid ist schließlich nicht verboten. "Immissionsschutzrechtlich gilt CO2 nicht als Schadstoff und ist deshalb juristisch irrelevant", sagt der Anwalt Klaus-Martin Groth, dessen Kanzlei sich auf Bau- und Umweltrecht spezialisiert hat.
Zwar gebe es im Baugesetzbuch eine Formulierung, wonach zum Städtebau auch der allgemeine Klimaschutz gehört, sagt Groth. Doch der CO2-Ausstoß allein würde als Grund für eine Ablehnung des neuen Kohlekraftwerks seiner Einschätzung nach nicht ausreichen. Die Kritik an den hohen Emissionen müsste in Verbindung stehen mit konkreten Einwänden, beispielsweise gegen die Größe des Bauvorhabens. "Wenn ich städtebauliche Bedenken habe, kann ich die mit der Förderung des allgemeinen Klimaschutzes verknüpfen", sagt der Anwalt. Auf diesem Weg könne der Bezirk dann auch zu dem Schluss kommen, dass Gas der richtige Brennstoff sei.
Zunächst hat also Lichtenberg das Sagen. Trotzdem könnte über das Kohlekraftwerk auch auf Landesebene entschieden werden - wiederum über den Bebauungsplan. "Wegen der gesamtstädtischen Bedeutung könnten wir das Verfahren an den Senat abgeben", sagt Geisel. Zurzeit lehnt er das aber ab, da der Bezirk dann keinen Einfluss mehr auf die Verhandlungen hätte.
Von führenden Politikern der Linken hört man, dass ihnen eine Entscheidung im Senat nicht unrecht wäre. Unklar ist aber, wie die SPD sich dazu stellt. Bisher hat sich Klaus Wowereit (SPD) nicht eindeutig gegen ein neues Kohlekraftwerk gewandt. "Wer einen Energieträger ausschließt, muss eine Antwort geben, wie die Versorgung stattdessen aussehen soll", sagt SPD-Stadtrat Andreas Geisel. Das alte Kraftwerk in Rummelsburg beliefere rund 300.000 Haushalte im Osten mit Fernwärme. Die könne man nicht im Kalten sitzen lassen.
Noch ist all das Zukunftsmusik, denn Vattenfall muss den Neubau zunächst beantragen. Erst dann wird ein Bebauungsplan erstellt. Man prüfe derzeit die verschiedenen Varianten, sagt ein Vattenfall-Sprecher. Eine Entscheidung über das Kraftwerk falle nicht vor Ende des Jahres. Viele hoffen, dass sich der Stromproduzent noch auf einen klimafreundlicheren Brennstoff besinnt. Denn selbst wenn der Bezirk durchsetzt, dass der Kühlturm deutlich kleiner ausfallen muss, wäre der Umwelt nicht unbedingt geholfen, sagt Andreas Jarfe vom BUND. "Je kleiner bei einem Kohlekraftwerk ein Kühlturm ist, desto geringer ist auch die Effizienz."
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