Streit um Kältemittel: Umweltverbände zoffen sich
Streit um Klimaanlagen in Autos. Greenpeace lobt den Autokonzern Daimler. Das findet die Deutsche Umwelthilfe gar nicht gut.
BERLIN taz | „Wolo ist mit uns einer der entschiedensten Kämpfer gegen R1234yf“, sagt Jürgen Resch. Der Geschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe (DUH) lobt den Autoexperten von Greenpeace, Wolfgang Lohbeck – Spitzname „Wolo“ – nicht ohne Grund: Die beiden sind sich zwar derzeit überhaupt nicht einig. Lange haben die mächtigen Umweltverbände DUH und Greenpeace gemeinsam gegen klimaschädliche fluorierte Gase in Klimaanlagen von Autos gekämpft.
Doch jetzt sticheln sie gegeneinander. Greenpeacer Lohbeck nennt die DUH-Kollegen „Pioniere, die sich ins Glashaus setzen“. Die DUH meint hingegen, dass sich Lohbeck gerade von Daimler über den Tisch ziehen lässt.
„Greenpeace spricht mit Mercedes’ Stimme“, schreibt das industriefreundliche Handelsblatt. Die Umweltorganisation mit Sitz in Hamburg hat sich nämlich im europaweiten Kampf um die sogenannten F-Gase in Klimaanlagen auf die Seite der Stuttgarter geschlagen. „Ungewöhnlich“, sagt auch Wolfgang Lohbeck. „Normalerweise schlagen wir auf Daimler ein.“ Doch jetzt bedankt er sich bei den Schwaben.
Sie widersetzen sich nämlich einer neuen EU-Regelung, die klimaschonendere Kältemittel vorschreibt. Das Mittel R1234yf erfüllt diese Auflagen. Daimler hingegen verweist auf Crashtests, bei denen 70 Wagen mit R1234yf bei heißem Motor in Flammen aufgegangen waren.
Zehntausende Autos nicht verkäuflich
Deshalb nutzt Mercedes nun das alte, günstigere Kältemittel R134a weiter – mit happigen Folgen: Die französischen Behörden verweigern die Zulassung für A-, B- und SL-Klasse. Es geht um zehntausende Autos, die nicht verkauft werden können, jede Menge Jobs. Von einer „Schmach für Deutschland“, spricht Le Monde. Fast noch schlimmer: andere EU-Länder könnten folgen.
Die derzeit insgesamt in Deutschland ausgestoßenen F-Gase sind für fast 2 Prozent der Treibhausgas-Emissionen verantwortlich. Deshalb sind sich Greenpeace und DUH einig, dass sie wegen der hohen Klimaschädlichkeit weder das alte noch das neue Kältemittel wollen. Beide Verbände sind stattdessen für die schnellstmögliche Verwendung von dem in kleinen Mengen relativ harmlosem Kohlendioxid.
Aber: Während Lohbeck Daimler abnimmt, dass der Konzern bis etwa 2017 CO2 einführen will, ist die DUH nicht so gutgläubig. Resch spricht von „Informationen“, dass die Schwaben weiter an Alternativen zum klimaschonenden CO2 basteln, und fordert deshalb Kompensationszahlungen. 665 Euro pro Neuwagen müssten nach seinen Berechnungen schon sein. Lohbeck hält 50 Euro für ausreichend. Resch fordert eine klare Ansage von Daimler: „Es kann doch nicht sein, dass die sagen: ’Wir verstoßen gegen EU-Umweltrecht‘ – und dafür auch noch gelobt werden wollen.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Kochen für die Familie
Gegessen wird, was auf den Tisch kommt
Angriffe auf Neonazis in Budapest
Ungarn liefert weiteres Mitglied um Lina E. aus
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Im Gespräch Gretchen Dutschke-Klotz
„Jesus hat wirklich sozialistische Sachen gesagt“