piwik no script img

Streit um Hartz-IV-ReformSPD stellt Verhandlungen in Frage

Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel hat mit einem Abbruch der Hartz-IV-Gespräche gedroht, weil Union und FDP sich nicht bewegen würden. Der DGB sieht jetzt vor allem Merkel in der Pflicht.

Versucht es jetzt mit Drohgebärden: Sigmar Gabriel. Bild: dpa

HAMBURG dpa | Wenige Tage vor dem möglicherweise entscheidenden Spitzentreffen zwischen Regierung und Opposition hat der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel mit dem Abbruch der Hartz-IV-Verhandlungen gedroht. "Wir lassen uns von Arbeitsministerin (Ursula) von der Leyen nicht erpressen", sagte Gabriel zu Spiegel Online. Er fügte hinzu: "Wenn sich Union und FDP nicht bewegen, können die Verhandlungen auch scheitern." Die Rolle des Blockierers brauche seine Partei nicht zu fürchten. Gabriel: "Das Falsche will ich gerne blockieren, denn nur so kann man Verbesserungen für die Menschen erreichen."

Am kommenden Sonntag wollen Regierung und Opposition bei einer Spitzenrunde erneut einen Hartz-IV-Kompromiss ausloten. Gabriel forderte von CDU-Ministerin von der Leyen vor allem ein Einlenken im Streit um das Bildungspaket. Kindern aus bedürftigen Familien helfe es nicht, wenn ihre Eltern zehn Euro für Reit- oder Geigenunterricht bekämen. "Das Geld ist in Kindertagesstätten und Ganztagsschulen besser aufgehoben und hilft dort allen Kindern."

Gabriel erneuerte die Kernforderungen seiner Partei zu einer Hartz-IV-Reform. "Neben dem gleichen Lohn für gleiche Arbeit und dem dringend nötigen Mindestlohn wollen wir vor allem die Schulen mit vielen Schulabbrechern und großen sozialen Problemlagen mit ausreichend vielen Schulsozialarbeitern ausstatten." Ein Durchbruch sei aber derzeit nicht in Sicht. "Ministerin von der Leyen verhandelt ohne Koalitions-Prokura", kritisierte Gabriel. Am deutlichsten werde das beim Thema Leiharbeit, wo sich die SPD gegen CDU und CSU wohl durchsetzen könne. "Aber die FDP ist hier eine echte Betonfraktion."

Die SPD-Verhandlungsführerin zur Hartz-IV-Reform, Manuela Schwesig, hatte am Wochenende Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zur Vermittlung im Streit um die Bezahlung von Leiharbeitern aufgefordert. "Schwarz-Gelb muss endlich einen gemeinsamen und realistischen Vorschlag auf den Tisch legen. Hier ist die Kanzlerin gefragt." Es sei nun an Merkel, "die Unordnung in ihren Reihen zu klären, weil es von der Leyen bisher nicht geschafft hat". Die Verhandlungen seien "so schwierig, weil die Bundesregierung selbst nicht weiß, was sie will".

Auch der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) sieht Merkel gefragt. "Das Zaudern und Zögern in Fragen von "equal pay" und Mindestlohn ist unerträglich", sagte DGB-Chef Michael Sommer der Passauer Neuen Presse. "Sollte die FDP nicht bereit sein, endlich die Notwendigkeiten zu erkennen, erwarten wir, dass die Bundeskanzlerin von ihrer Richtlinienkompetenz Gebrauch macht."

Schwesig bekräftigte die SPD-Forderung, Leiharbeiter schon nach einem Monat wie Stammbeschäftigte zu bezahlen. "Mehr als vier Wochen helfen den meisten Arbeitnehmern nicht. Für uns sind auch sechs Monate nicht akzeptabel, weil die Mehrheit der Leiharbeiter kürzer in einem Betrieb ist."

Merkel hatte Forderungen nach einer Erhöhung des Regelsatzes um mehr als fünf Euro zurückgewiesen und die Opposition für die Verzögerung bei der Umsetzung der seit 1. Januar überfälligen Reform verantwortlich gemacht. FDP-Chef Guido Westerwelle verteidigte die vom Bundestag mit den Stimmen der schwarz-gelben Koalition beschlossene, vom Bundesrat aber gestoppte Erhöhung des Regelsatzes um 5 auf 364 Euro. "Die Regelsätze wurden nicht politisch festgelegt. Sie sind objektiv errechnet worden. Die geplanten Regelsätze müssen verfassungsfest sein. Und das sind sie."

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

8 Kommentare

 / 
  • GK
    günther k.

    Bei der Reform der Reform kommt doch wieder nur murks zu stande. Selbst wenn es 25 Euro mehr geben sollte: welcher mündige Bürger möchte sich in die Schranken von Harz & co pressen lassen? "Von der Stigmatisierung und Herabsetzung durch die ARGEn, Öffentlichkeit, Medien und Politiker mal abgesehen."

     

    Deshalb:

    BEDINGUNGSLOSES BÜRGERGELD JETZT!

  • F
    FreiDenker

    SUPERREICH LEBT HALT VON SUPERARM. Auch in unserem schönen Land.

     

    Solange die Bürger mehrheitlich nicht erkennen, daß man die SPD und die CDU per Wahl endlich in die Wüste schicken muß, dann ändert sich nichts in dieser längst gekauften Bananenrepublik.

     

    Auch die Medien verblödeln einen immer mehr. Selbst der Phönix-Sender erinnert inzwischen mehr an einen Parteienwahlverein von CDU; SPD; FDP und Grünen.

  • A
    Albano

    Das klingt gut, was kommt aber am Ende raus?

    So richtig verstehe ich das Ganze nicht: Die SPD will vor allem armen Schülern oder schlechten Schülern helfen, die CDU nur 5 EURO bezahlen, die FDP will gar nichts davon, muss aber mitmachen und die Linken lehnen es ab, die Grünen wollen sich nicht nach Vorne drängen und jetzt muss die SPD im Bundesrat eine Linie finden und durchsetzen.

    Das Beste wäre doch, wenn das Urteil aus Karlsruhe ohne Tricks umgesetzt wird. Wenn es zu weiteren Verfahren kommt, dann ist das hier vielleicht obsolet und es geht von Neuem los. Und dann sieht der Bundesrat wieder anders aus, was dann?

    Dann hat der Bürger oder Arbeitslose halt Pech, weil er ein Zwang zur Einigung wohl nicht besteht.

  • F
    FAXENDICKE

    Diese SPD-Heuchler haben diesen Hartz IV SCHEISSDRECK doch zusammen mit der GRÜNEN-Pseudofriedenspartei erst angezettelt (getrieben von den Immobilien und Miethaien, die einzigen Gewinner). Aber jetzt aus der Opposition heraus die grosse Fresse riskieren in der Hoffnung bei den ärmsten der Armen noch ein paar Stimmen rauszuschinden. Wenn ich diese vollgefressenen vom Kapital gemästeten ethisch/moralichen Versager nur sehe wird mir durch und durch schlecht.

    Das diese SUPERMUTTI der Nation sich überhaupt wagt zu behaupten mit zehn EURO pro Kind und Monat könne man Nachhilfe, Schulspeisung, Musikunterricht und Sportverein finanzieren ist eine SAUEREI, derweil sie das Kindergeld als Einkommen bewerten und vom Regelsatz abziehen. Sie selbst kassiert ohne Not!!! Kindergeld für sieben Plagen. Über diese jämmerliche Aufstockung von fünf Euro möchte ich mich erst gar nicht auslassen, sonst bekomme ich noch einen Kollaps.

    Sag mir keiner da kann man doch nix machen, scheisst auf die Gewerkschaften, Parteien und Sozialverbände, die sind doch längst alle gekauft und paralysiert von Wirtschaft und Kapital. Die Nordafrikaner können das doch auch ohne Parteien und den restlichen Klüngel. Ich fordere GENERALSTREIK!

  • WB
    Wolfgang Banse

    Farbe bekennen

    Die SPD ,eine Arbeiterpartei hat das Hartz IV -Papier eingeführt und möchte jetzt Verbesserungen für die Hartz IV Bezieher durchsetzen,auch im Bezug auf das Wahljahr 2011,wo sieben Landtagswahlen anstehen.Das Land Hamburg wählt als erstes im Monat Februar.

    Eine harte,vor allem sauubere Linie muss die SPD zeigen,was die Verhandlungen und Nachbesserungen im Bezug auf das Hartz IV Papier betrifft,

    Eine Erhöhung des Regelsatzes von mindestens 25 Euro pro Hartz IV Bezieher sollte erreicht werden.

    Da die gegenwärtige amtierende Koalition bestehend aus CDU und FDP im Bundesrat keine Mehrheit hat,

    sollte ein Kompromiss möglich sein.

    Die amtierende Koalition ist im Zugzwang und muss sich bewegen.Die starre Haltung was Verbesserungen

    für die Hartz IV Bezieher anbetrifft,sollte die SPD

    beibehalten,auch im Bezug auf ihre Gründung als Arbeiterpartei.

    Wolfgang Banse

  • A
    Alfred

    Mein Optimismus, was die SPD angeht, ist sehr begrenzt. Die haben schon häufiger die Stimme erhoben und laut gesprochen, die Ergebnisse am Ende waren dann aber klein und anders.

    Und die Gewerkschaft hat doch einen heißen Herbst angekündigt? Ich glaube eher an einen kalen Winter ... bei diesen Organisationen ist echter Konflikt nicht möglich. Die wollen selber keine wirkliche Analyse, warum Hartz keine Reform ist. Diese Gesetze und Regelungen sind durch die Bank Mist.

    Am Ende stehen die Menschen irgendwo kriegen einen Stundenlohn von 5 oder 6 EURO und habe gar keine Chance, sich dagegen zur Wehr zu setzen. Gerade die Zeit- und Leiharbeit ist nichts als Entwürdigung und Ausbeutung.

    Dass es so ist, liegt an der SPD und ihrem damaligen Superminister Clement. Der hat das alles genauso ausgedacht und jetzt will er damit nichts mehr zu tun haben? Ach ja, die haben den rausgegrault. Aber die Menschen leben heute trotzdem in Armut - ob sie arbeiten oder nicht.

  • O
    Oli

    Oh man, der Gabriel droht mit Zoff!

    Aber mal im Ernst: Warum fordert Gabriel nicht eine nachvollziehbare, realistische Berechnung der Regelsätze? Warum kommt bei ihm das am Schluss?

    Ich werde den Verdacht nicht los, dass die SPD am Ende 10 EURO als massiven Sieg verkaufen will, in Wirklichkeit aber die Sätze mindestens um 40 bis 60 EURo angehoben werden müssten, zumal die Preissteigerung gerade erst in Schwung kommt.

    Insofern: Der SPD kann ich hier einfach nicht trauen, ich möchte nicht wissen, was sie wirklich wollen.

    Das ist bestimmt was anderes, als das, was sie uns hier mitteilen.

  • H
    Hanna

    Der eigentliche Skandal steht in diesem Bericht am Schluss: Die Kanzlerin hat sich auf eine Erhöhung von 5 EURO festgelegt!

    Das ist ja wohl der Hohn. Das ist weniger als das Niveau von 2005 und entspricht auch nach meiner Auffassung nicht dem Urteil aus Karlsruhe. Aber was macht die SPD?

    Auf die möchte ich allerdings auch nicht wetten, denn bisher hat die SPD in Sachen Hartz alle Augen geschloßen und noch vor wenigen Monaten den Rap der erfolgreichen Reform vorgetragen.

    Das glaubt aber kaum noch ein Bürger.

    Fest steht doch, dass weder vermittelt, qualifiziert noch die Verarmung aufgehalten ist.

    In Wirklichkeit schüttet der Staat nur Minigeld über mehreren Millionen Arbeitslosen aus und kann die nicht vor dem sozialen Abstieg retten.

    Daran ändern die Forderungen der SPD nichts. Die sind sogar per Trick an Hartz gebunden, damit will sich die SPD Antrieb für eine ganz andere Politik besorgen: Die Verbesserung von Lernsituationen und Bildung.

    Wenn eine Familie aber verarmt durch Hartz, dann bringen diese Errungenschaft der SPD relativ wenig.

    Ich finde, es ist Zeit Hartz zu schreddern. Diese Reform ist auf ganzer Linie gescheitert und kostet über die Jahre auch so viel mehr, weil die Leute fest stecken. Hartz schafft erst eine Schicht perspektivloser Menschen, die es vorher gar nicht gab. Von der Stigmatisierung und Herabsetzung durch die ARGEn, Öffentlichkeit, Medien und Politiker mal abgesehen.