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Streit um Giftgas in SyrienKeine Beweise für C-Waffen-Einsatz

Die Kommission widerspricht Carla del Ponte: Es gebe keine Hinweise für Giftgaseinsatz. Derweil bereitet sich die Türkei auf ABC-Waffen-Opfer aus Syrien vor.

Angebliches Opfer eines Giftgas-Angriffs durch das Assad-Regime in einer Klinik von Aleppo. Bild: Aleppo Media Center / ap

GENF/ISTANBUL dpa/afp/ap | Die unabhängige Syrien-Kommission der Vereinten Nationen hat Aussagen der UN-Expertin Carla del Ponte über einen Chemiewaffeneinsatz durch Rebellen in Syrien relativiert. Es gebe „keine beweiskräftigen Ermittlungsergebnisse für einen Chemiewaffeneinsatz in Syrien durch irgendeine der an dem Konflikt beteiligten Parteien“, erklärte die Kommission am Montag. „Daher ist die Kommission derzeit nicht in der Lage, diese Behauptungen weiter zu kommentieren.“

Die Erklärung kommt einem Dementi zu Medienäußerungen del Pontes nahe, die selbst Mitglied der Expertenkommission ist. Sie hatte am Sonntagabend in einem Fernsehinterview erklärt: „Nach den Aussagen, die wir gesammelt haben, haben die Rebellen Chemiewaffen eingesetzt und auf das Gas Sarin zurückgegriffen.“ Die frühere Chefanklägerin hatte sich auf Zeugenaussagen von Krankenhauspersonal in den Nachbarländern Syriens bezogen. Sie fügte hinzu, die Ermittlungen seien noch lange nicht abgeschlossen und weitere gründliche Recherchen nötig.

Zum möglichen Einsatz von Chemiewaffen in Syrien gibt es mehrere Untersuchungen. Die von Genf aus geleiteten Nachforschungen laufen von den Untersuchungen von UN-Generalsekretär Ban Ki Moon getrennt. Die Regierung von Präsident Baschar al-Assad und Rebellengruppen werfen sich gegenseitig vor, Chemiewaffen eingesetzt zu haben.

Unterdessen bereitet sich die Türkei auf die Behandlung von Opfern atomarer, biologischer oder chemischer Kampfstoffe (ABC) aus Syrien vor. Es gelte, auf alle möglichen Bedrohungen vorbereitet zu sein, sagte der zuständige Regierungsbeamte Veysel Dalmaz der türkischen Zeitung Zaman. Demnach werden in Flüchtlingslagern der türkischen Grenzprovinzen Sanliurfa und Gaziantep spezielle Dekontaminierungszelte eingerichtet.

Bei den israelischen Luftangriffen am Wochenende wurden nach Angaben oppositioneller Aktivisten mindestens 42 Soldaten der syrischen Regierungstruppen getötet. Ziel der Angriffe waren mutmaßliche Waffenlieferungen, die für die radikalislamische Hisbollah-Miliz im Libanon bestimmt gewesen sein sollen. Wie das oppositionelle syrische Beobachtungszentrum für Menschenrechte mit Sitz in Großbritannien am Montag meldete, beruht die Zahl von mindestens 42 getöteten Soldaten auf Angaben anonymer Quellen in syrischen Militärkrankenhäusern.

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16 Kommentare

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  • I
    Irmi

    an HurricanHunter;

    Es gibt dort bedeutende Menge an Erdöl, in größerem Maße auch Erdgas und Phosphat, in geringer Menge Eisen, Chrom, Mangan, Asphalt und Steinsalz.

     

    Was wieder beweist, kein Krieg egal wo, keine Pleite eines Landes wie Griechenland geschieht ohne Grund, immer sind Erdschätze und daraus Billionen an Gewinn ein Argument Kriege zu führen oder Länder pleite gehen zu lassen.

     

    Buch zu Griechenland Showdown von Dirk Müller. ES ist über was getrieben wird um den Weltrang an Öl und Gas und somit Abhängigkeiten zu pflechen, die Weltherrschaft zu behalten.

     

    Auch der Kongo, den keiner in der Welt beachtet, da geht es auch um Öl, Gold, Diamanen, Kupfer, Zink, Coltan usw.

    Buch Empfehlungen, Economic Hit Man, oder Weltmacht ohne Skrupel, da sieht man klarer, auch wenn einem dabei übel wird.

  • S
    simon23

    Das schöne Spiel mit der Sprache.

    del Ponte spricht von starken "Hinweisen". Die taz kontert mit der Aussage der Kommission, es gäbe keine "Beweise". Im Untertitel schreibt sie auch, es gäbe "keine" Hinweise. Und man könne die Aussage der Kommission quasi als Dementi werden.

     

    del Ponte sprach ausdrücklich davon, dass es keine Beweise gibt. Die Kommission sagt dasselbe. Es gibt keinen Widerspruch.

    Die Kommission äußert sich nicht zu dem Thema "Hinweise".

    Die taz unterstellt, die Kommission hätte auch "Hinweise" geleugnet.

     

    Liebe Leute, bitte nicht für dumm verkaufen!

  • W
    Wolfgang

    Zu: @ HurricanHunter

     

    Es bestehen geopolitische, militärische und ökonomische Interessen -- Rohstoff- und Wirtschaftsinteressen -- in der Region.

  • H
    HurricanHunter

    Es ist schon interessant, was einem da so als "Nachrichten" verkauft wird, besonders wenn man sich deren Abfolge ansieht:

     

    1. Wochenlanges Palaver über Assads Gasvorräte und die Deklaration einer "Roten Linie" zwecks (in)direkter Intervention bei dessen Einsatz (Flugverbotszone, Luftabwehrraketen an die Rebellen/Terroristen)

     

    2. Nachdem das Giftgasthema lange genug auf kleiner Flamme köchelte, dann der sich erhärtende Verdacht auf die tatsächliche Benutzung und Kritik an Obama, weil er trotz offensichtlichen Überschreitens der "Roten Linie" nicht bereit ist, endlich "zu handeln".

     

    3. Carla del Ponte bestätigt einen Gaseinsatz, durchgeführt aber nicht von Assads Truppen, sondern von den Rebellen/Terroristen.

     

    4. Die "unabhängige Syrien-Kommission der Vereinten Nationen" dementiert die Aussagen der UN-Expertin Carla del Ponte und behauptet, es fand nun überhaupt kein Chemiewaffeneinsatz in Syrien statt...

     

    Als da ständig über Assads Giftgaslager geredet wurde, habe ich eigentlich schon auf die Einatzmeldung gewartet, die dann auch prompt kam. Aber irgendwas ist schiefgelaufen. Da die "False Flag Operation" der Rebellen/Terroristen aufgeflogen ist und sich dem Assad das Giftgasmassaker nicht in die Schuhe schieben läßt, darf es wohl nicht stattgefunden haben: Wie könnte man eine zukünftige Unterstützung der Rebellen/Terroristen öffentlich rechtfertigen, wenn man denen zuvor Chemiewaffeneinsatz nachgewiesen hätte?

     

    Was ich mich aber frage ist, welche Ziele hat "der Westen" in Syrien? Es gibt dort kaum Bodenschätze oder andere plünderungswürdige Ressourcen. Wer profitiert von einem verarmten, afghanisierten Syrien an der europäischen Südflanke?

  • W
    Wolfgang

    Gewöhnlicher Imperialismus.

     

    Natürlich dürfen 'unsere' medialen NATO-Rebellen und 'Freiheitskämpfer', -- für 'Demokratie', 'Aufklärung' und 'Frauenrechte' --, keine zugeführten B-C-Lagerbestände einsetzen.

     

    Sie sind doch 'unsere' Friedens-, Wirtschafts-, Rohstoff-, Rüstungs- und Dividenden-Kämpfer.

     

    Aufwachen, braver Michel!

  • A
    axel

    Zu befürchten ist, daß wir allmählich immer weiter eingestimmt werden auf die nächste direkte militärische Intervention. Und das mit ähnlichen Lügenkonstrukten, mit denen schon Bush und Blair (Atomwaffenbesitz, Chemiewaffenpotentiale)den Kriegseinsatz gegen den Irak herbeiredeten und vorbereiteten.

    Und dabei stören eben kritische Stimmen wie Carla del Ponto, die so gar nicht ins klare Feindbild passen und werden flugs entweder medial völlig unter den Tisch gekehrt und verschwiegen oder entsprechend eingerahmt medial relativiert und verbogen.

    Und falls alle Manipulationen und Propaganda nicht ausreichen sollten, um das Meinungsbild der Bevölkerung so zu beeinflussen, daß militärische Mittel gerechtfertigt und sinnvoll erscheinen, bleibt der Bundesegierung im Zweifelsfalle auch die Kriegsbeteiligung gegen den Willen der Mehrheit der Bevölkerung wie in Afghanistan.

  • D
    Detlev

    Die Sache stinkt. Interessant ist doch, dass eine Untersuchung belegt, dass es die Rebelen selber gewesen sind. Aber das darf ja nicht sein, von wegen die Türkei bereite sich auf den Giftgaseinsatz von Assad vor. Wer sich die Kriege und Aktivitäten von Bashar al-Assad ansieht, der erkennt ohne jeden Zweifel große Brutalität, aber zu besonders inhumanen und oder abstrusten Mitteln greift er auch nicht. Das wurde ihm eigentlich auch nie vorgeworfen. Bis jetzt. Und nun fallen Bomben aus israelischen Flugzeugen und die greiffen, entgegen Presseberichten, eben direkt die Stützen des Assad-Regimes an: Die wichtigsten Truppen, die Assad in Damaskus hat und mit denen er sich dort im Zweifel wohl recht lange halten wird können.

  • KS
    Kritische Stimme

    Vermutlich wird Carla Duponte in ihren Job im ICC schnell entlassen nach ihren Enthuellungen ueber Giftgas von syrischen Rebellen. Jetzt muessen die Geheimdienste von Israel Mossad,US CIA und UK MI6 aktiv werden um einen neuen Colin Powel zu finden,der US General der in den VN die Anwesentheit von chemischen Waffen in Irak bewiesen hat

  • G
    Gonzi

    Eine seltsame Entwicklung ist festzustellen. Nach den Behauptungen, die israelische Luftwaffe habe für die Hisbollah bestimmte Raketen zerstören wollen, für die offenkundig die Beweisführung fehlt,

     

    soll nun aus den Hinweisen, von der Frau Ponte gesprochen hatte, "fehlende Beweise" gemacht werden.

     

    Warum man dann auch noch versucht zu behaupten, das nicht zu legitimierbare Vorgehen der Israelis könnte Obama nun zwingen, stärker gegen Assad vorzugehen, kann man nur als Ausdruck dafür werten, dass den Kriegstreibern auch der letzte Funken Verstand abhanden gekommen sein muss.

     

    Das Schlimme aber wäre, wenn es diese Kriegstreibern gelingt, die Politk der westlichen Staaten zu bestimmen.

  • KI
    Krieg ist Frieden

    Die Komission?

     

    Wer soll das denn, diese Komission? Welche Legimitation hat diese? Wer hat Sie eingesetzt? Wie heißen denn die Mitglieder dieser Komission?

     

    Wer Carla de Ponte ist weiß man genau - und was Sie sagt ist eindeutig:

     

    Genau das Gegenteil von dem was die TAZ ihren Leserinnen erzählt!

  • EL
    Ein Leser

    Assad mag eine ähnliche Einstellung zum Einsatz von Gewalt gegenüber politischen Gegner haben wie die Anti-fa bzw. deren Vorläufer Organisationen wie irgendwelche Freikorps. Aber er ist kein Idiot, mal sollte sich einmal das interview von RT auf U tube raussuchen und die halbe stunde investieren. Dieser Mann machte auf mich einen hochgradig intelligenten Eindruck. Entsprechend glaube ich nicht, dass er ein taktisch gar nicht so nützliches Instrument wie Gas einsetzen würde.

     

    an den plattendompteur, DJ, ja ich geben Ihnen recht, der Henryk B. leidet hier wirklich an Betriebsblindheit. Er macht sich dadürch leider selbst unglaubwürdig.

  • J
    Jupp

    beweiskräftige Ermittlungsergebnisse versus Hinweise?

     

    Ist dies wirklich so unterschiedlich?

  • D
    D.J.

    Wäre der Westen bzw. dessen Politiker in diesem Punkt nicht eine Bande von ekelhaften Heuchlern, würde man sofort die Unterstützung für die Mörderbanden einstellen. Drecksspiel.

    Wir werden hier so sehr verdummt, dass es so weit gekommen ist, dass ich den Artikeln der Jungen Welt beipflichten muss. Bedauerlich auch, dass sich der Broder, sonst ein kluger Kopf, in der Sache völlig verrannt hat (aber zuzugeben, das er sich geirrt hat, ist eher nicht sein Ding).

  • Z
    zombie1969

    Der Neid der muslimischen zurückgeblieben Staaten auf das wirtschaftlich wie gesellschaftlich erfolgreiche Israel scheint grenzenlos zu sein.

  • N
    Niedra

    Ach ja. Die Propaganda im öffentlichen Fernsehen hat das mal wieder unterschlagen.

    Aber wir kennen das doch. Die Bombardierung von Hanoi begann nach einem 'Angriff' auf ein US-Schiff. Heute wissen wir, das war eine Lüge. Sie werden den Krieg führen. Man wird sehen, wie Moskau sich dazu verhält.

  • B
    Überschrift

    Warum keine klare Überschrift?

    Del Ponte wirft Rebellen Einsatz von Giftgas vor