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Streit um Exportabgaben auf SojaKochtopfschlagen in Argentinien

Exportabgaben und Bauernproteste spalten Argentiniens Bevölkerung. Mit Lärm auf Kochtöpfen - wie zu Zeiten der Wirtschaftskrise 2001 - machten Zehntausende ihrem Ärger Luft.

Bauern blockieren Straßen nahe Gualeguaychú, nördlich von Buenos Aires. Bild: dpa

BUENOS AIRES taz In Argentinien lärmen wieder die Kochtöpfe. Zehntausende Menschen forderten in der Nacht zum Dienstag in den wichtigsten Städten Argentiniens ihre Präsidentin auf, dem Streit mit den Farmern endlich ein Ende zu bereiten. Auf Kochtöpfe schlagend und mit unzähligen Nationalfahnen zogen die Menschen durch die Straßen. Es ist bereits das zweite Mal, dass sich die Regierung von Präsidentin Cristina Kirchner solchen Demonstrationen gegenübersieht.

Seit März protestieren die Bauern immer wieder mit Straßenblockaden gegen eine weitere Anhebung der staatlichen Exportabgaben auf Soja und andere Agrarprodukte. Alle Gesprächsrunden zwischen den Agrarverbänden und der Regierung sind gescheitert; für die Regierung steht die Abgabenerhöhung nicht zur Diskussion.

Argentiniens Landwirtschaft profitiert derzeit von den steigenden Weltagrarpreisen und der wachsenden Nachfrage nach Soja, trotzdem fürchten die Klein- und mittelgroßen Produzenten wegen der hohen Abgabenlast um ihre Existenz. Dagegen erhofft sich die Regierung Mehreinnahmen von mehreren Milliarden Dollar. Präsidentin Kirchner hatte angekündigt, mit den zusätzlichen Mitteln die Armut im Land zu bekämpfen und die medizinische Versorgung durch den Bau von Krankenhäusern zu verbessern.

Der seit knapp 100 Tagen andauernde Konflikt hatte sich am Samstag erneut verschärft, nachdem die Polizei bei der Räumung einer Landstraße in der Provinz Entre Ríos 19 Landwirte vorübergehend festgenommen hatte, darunter auch den prominenten Bauerführer Alfredo de Angeli. In vielen Provinzen waren daraufhin Demonstranten auf die Landstraßen geeilt und hatten spontane Blockaden errichtet. In einigen Städten war es bereits am Samstagabend zu Kochtopfdemonstrationen gekommen.

Aus Protest und um ihre eigenen Anhänger zu beruhigen, hatten die großen Agrarverbände erneut zu einem befristeten - bereits dem vierten - Streik aufgerufen. Bis Mittwoch wird nun der Transport von Agrarprodukten erneut lahmgelegt. Lediglich der Transport von Frischmilch und verderblichen Waren ist von der Maßnahme ausgenommen.

Provoziert hatte am Wochenende der regierungstreue Aktivistenführer Luis DElía: "Der Krieg ist offen und total," sagte er, "wir beanspruchen für uns das Recht, uns zur Verteidigung der demokratischen Institutionen zu bewaffnen."

Ab Montagmittag wurde über SMS und E-Mails zum abendlichen Kochtopfprotest aufgerufen. Unter der Losung "Schluss mit der Konfrontation" und der Forderung, die Regierung solle endlich den Dialog wieder aufnehmen, sollten die Menschen 15 Minuten Lärm machen. Was dann beispielsweise gegen acht Uhr abends als kleine Ansammlungen an zunächst einigen wenigen Ecken der Hauptstadt begann, weitete sich bis Mitternacht zu mehreren Demonstrationszügen aus. Die größten zum Obelisken, dem Wahrzeichen von Buenos Aires, und vor den Kongress.

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2 Kommentare

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  • VC
    Viktor Coco

    Ich muss dem Kommentar von Gerrik Recht geben.

    Hier in Argentinien stehen große Teile der Bevölkerung hinter der Regierung in diesem Konflikt. Es ist die Oberschicht die mit Hilfe der Medien versucht, in Buenos Aires Stimmung gegen die Regierung zu machen.

    Es gibt sogar Fotos von chiquen, mit Schmuck behangenen Damen, die ihre paraguayische Haushälterin zum Topfschlagen zur Demonstration mitnahmen!!!!

    Die SojaEINNAHMEN sind allein im letzten Jahr um 80% gestiegen. Die Landoligarchen, die teilweise ihre Besitze durch die Militärdikatatur erhielten, sind aber zu keinen Abgaben zu Gunsten des restlichen Volkes bereit.

    Die Masse des Volkes, große Teile der Linken und selbst viele Kleinbauern stehen in diesem Konflikt auf der Seite der Regierung.

  • GL
    Gerrit Liskow

    das finde ich undifferenziert und pauschal, was herr vogt schreibt, muss ich leider sagen. zum einen: seit beginn des konfliktes hat es bereits zwei modifikationen seitens der regierung gegeben. zum anderen drückt die kleinen und mittelgroßen betriebe nicht allein die last der exportzölle, sondern vor allem der industrielle anbau transgener soja auf großflächen. der hat sich in den letzten fünf jahren verdoppelt und um die profite multinationaler saatgut-konzerne im zusammenspiel mit der lokalen agrar-oligarchie geht es wesentlich bei diesem konflikt. eine systematische unterversorgung der bevölkerung, exorbitante lebensmittelpreise und eine verräucherung der hauptstadt (april 2008) wird da seitens der agrarverbände billigend in kauf genommen, um druck auf eine unliebsame regierung zu erzeugen. die passende pressekampagne liefert die bürgerliche presse gratis dazu. herr vogt hätte sich jenseits davon um ein etwas differenzierteres bild bemühen können,z.b. hier http://es.wikipedia.org/wiki/Cierre_patronal_agropecuario_en_Argentina_de_2008

    wenn sich ein paar agrarbonzen aus dem barrio norte abends an der ecke callao und pueyrredón verabreden, um auf ihr kochgeschirr zu schlagen, wird da jedenfalls noch kein argentinazo, draus - es handelt sich hierbei nicht um den protest derer, die unter diesem verfehlten wirtschaftssystem zu leiden haben, sondern derer, die es zu verantworten haben, und denen es offensichtlich noch gar nicht verfehlt genug ist.

    ich finde es schade, dass so ein zu kurz gedachter artikel in der taz erscheint.