Streit um Atommüllbergung: Rein in die Asse, raus aus der Asse
Der Vorsitzende der Entsorgungskommission hält die Räumung des Lagers Asse für unmöglich. Seine Position stößt auf Kritik.
GÖTTINGEN taz | Eigentlich ist die Aussage nicht neu. Aber dass Michael Sailer sie gerade jetzt wiederholt, ist ein Affront gegen seinen Chef: Der Vorsitzende der Entsorgungskommission des Bundes und damit einer der obersten atompolitischen Berater von Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) sprach sich am Wochenende gegen die Bergung der radioaktiven Abfälle aus dem Atommülllager Asse aus. Dagegen hat sich Altmaier wiederholt zur Räumung bekannt. Sein Ministerium legte kürzlich einen Gesetzentwurf vor, um die Rückholung zu beschleunigen.
Sailer bezweifelte in der Frankfurter Rundschau, dass die Atomfässer aus dem Bergwerk herausgeholt und in ein anderes Endlager gebracht werden können. Die Rückholung entwickle sich immer mehr zur „Mission Impossible“. Die Asse drohe einzustürzen und mit Wasser vollzulaufen.
Als Alternative schlägt er vor, abdichtende Barrieren vor die Kammern mit Atommüll zu bauen und die Hohlräume des Bergwerks mit Feststoff zu verfüllen. Das senke die Gefahr, dass Radioaktivität ins Grundwasser gelangt.
SPD-Chef Sigmar Gabriel warf Sailer „schwer erträgliche“ Verunsicherung der Bürger vor. „Herr Sailer hat von Anfang an mit Ferndiagnosen die Rückholung des Atommülls aus dem alten Salzbergwerk zu verhindern versucht“, erklärte Gabriel auf seiner Website. Zugespitzt formuliert, fordere Sailer sogar zum Rechtsbruch auf. „Seine Betonvariante ist nicht in der Lage, die gesetzlich vorgegebenen Schutzziele des Atomrechts zu gewährleisten.“
Probleme statt Lösungen
Zudem sei Sailer wegen seiner schon vor den laufenden Erkundungen in der Asse erfolgten Festlegung befangen. Es sei an der Zeit, dass der Bundesumweltminister kläre, „wie er zu den Positionen seines Beraters steht“, fügte Gabriel hinzu. Sailer leitet die Entsorgungskommission seit ihrer Gründung 2008. Er ist auch einer der Geschäftsführer des Öko-Instituts.
Der atomkraftkritische Asse-II-Koordinationskreis übte ebenfalls Kritik. „Herr Sailer und die Entsorgungskommission schichten seit Jahren Probleme der Rückholung auf“, sagte Sprecher Udo Dettmann. Zugleich sähen sie sich nicht imstande, ein einziges Problem zu lösen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten
Grünen-Abgeordneter über seinen Rückzug
„Jede Lockerheit ist verloren, und das ist ein Problem“
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Das Weihnachten danach
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Der Fall von Assad in Syrien
Eine Blamage für Putin