Asse-Ausschuss tagt zum letzten Mal: Keiner will's gewesen sein
Gleich vier Abschlussberichte kursieren zu den Pannen im Salzstock Asse. Die Frage, wie er unversehens zur Atommüll-Kippe wurde, bleibt unbeantwortet.
HANNOVER taz | Diesen Donnerstag tagt der Parlamentarische Untersuchungsausschuss zum maroden Atommülllager Asse zum letzten Mal in Hannover. Den üblichen gemeinsamen Abschlussbericht aller Fraktionen wird es nach den gut dreieinhalb Jahren Aufklärungsarbeit zu den Pannen rund um das marode Ex-Salzbergwerk bei Wolfenbüttel allerdings nicht geben.
Auf eine Bewertung konnten sich die schwarz-gelbe Regierung und die Opposition nicht einigen. Ihre Einzelberichte haben Grünen- und Linksfraktion am Dienstag in Hannover vorgestellt. Die SPD will nachziehen: am Donnerstag im Vorfeld der Abschlusssitzung.
Vom „größten atompolitischen Skandal in deutschen Geschichte“ spricht der Abgeordnete Kurt Herzog (Die Linke). Die Grünen erkennen in der Asse ein „Mahnmal gegen die Skrupellosigkeit der Atomlobby“.
Von „Wegschauen und Leugnen mit System“ sprechen beide nach der Anhörung von 50 Zeugen und dem Durcharbeiten Tausender Seiten Akten. Probleme seien jahrzehntelang vertuscht worden, um keine Zweifel aufkommen zu lassen an der Eignung von Salzstöcken als Endlager – und der Atomenergie an sich.
Gut 126.000 Fässer mit schwach- und mittelradioaktivem Müll gammeln in dem Ex-Salzbergwerk Asse, das laut Gutachten nur noch bis 2020 standsicher ist.
12.000 Liter Wasser am Tag sickern seit 1988 in die Asse, die jahrzehntelang als trocken deklariert wurde. Radioaktiv kontaminierte Laugensümpfe stehen vor den Einlagerungskammern.
Wasserzutritte, ergab die Ausschussarbeit, waren allerdings schon seit Anfang 1900 bekannt.
Derzeit erprobt das Bundesamt für Strahlenschutz als Asse-Betreiber die Rückholung des Mülls - mit offenem Ausgang.
In den 1960ern im Auftrag des Bundes als Forschungsbergwerk und Endlagerstätte gegründet, hatte die Asse vor allem zwei Funktionen: Deutschen Atomkraftwerken diente sie als „Entsorgevorsorgenachweis“ – und war damit eine Voraussetzung für den Betrieb der Meiler.
Als Forschungsbergwerk war sie „Blaupause für Gorleben“, wie es Grünen-Fraktionschef Stefan Wenzel formuliert: In der Asse sollte nachgewiesen werden, dass sich Salzformationen – und damit auch der benachbarte Salzstock Gorleben – als Atommüllendlager eignen.
Zweifel seien vom Tisch gewischt worden, auch wegen des Drucks aus der Atomindustrie, sind sich Grüne und Linke sicher. Sie fordern Konsequenzen, vor allem die Rückholung des eingelagerten Mülls, so wie es Niedersachsens Landtag im Sommer einstimmig beschlossen hat. Die Grünen wollen zudem die Atomindustrie an den Sanierungskosten für das Bergwerk beteiligt sehen.
Uneins sind beide Fraktionen sich unterdessen bei der Frage der Verantwortung: Die sieht der Linken-Abgeordnete Herzog bei Bundes- und Landespolitikern schwarz-gelber wie rot-grüner Regierungen. Grünen-Fraktionschef Wenzel hingegen betont, darauf geachtet zu haben, „nicht die parteipolitische Brille aufzusetzen“. Namen, die er als „Vertuscher, die noch heute in öffentlichen Ämtern sitzen“, konkret nennt, sind dann aber doch nur Gerald Hennenhöfer und Bruno Thomauske.
Hennenhöfer war einst Anwalt des Ex-Asse-Betreibers Helmholtz Zentrum München, heute ist er als Abteilungsleiter im Bundesumweltministerium. Thomauske war als Abteilungsleiter beim Bundesamt für Strahlenschutz mit der Asse befasst, wurde dann Vattenfall-Manager und ist heute vom Bund als „unabhängiger Gutachter“ mit einer Gorleben-Sicherheitsanalyse beauftragt.
Weiter als CDU und FDP sehen sich die Grünen damit allemal: In deren Abschlussbericht heißt es, Schuld hätten Politik, Wissenschaft und Wirtschaft gemeinsam. Alle Beteiligten seien „oft überfordert“ gewesen. „Konkretes Fehlverhalten Einzelner“ wollen CDU und FDP nach dreieinhalb Jahren Ausschuss „nicht feststellen“ können.
Es reiche nicht, hält die stellvertretende Grünen-Fraktionschefin Gabriele Heinen-Klajic dem entgegen, „nur die Geschichte zu erzählen und rückwirkend zu sagen, was falsch gelaufen ist“.
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