Streit in der Union: Horst, der Partycrasher
Vor dem Koalitionstreffen am Sonntag treibt CSU-Chef Horst Seehofer seinen Preis nach oben – und erpresst Angela Merkel.
Berlin | taz | Zwischen CDU und CSU will es einfach nicht besser werden. Die letzten Friedensgespräche sind erst gut zwei Monate her, in Potsdam hatte man medienwirksam Einigkeit demonstriert. Doch die mühsam gerettete Stimmung ist wieder passé, seit die CSU ihren mit „Klarer Kurs bei der Zuwanderung“ betitelten Erpressungskatalog vorgelegt hat.
In dem fünfseitigen CSU-Papier quillt die Angst vor dem Machtverlust aus jeder Zeile. Burkaverbot, Abschaffung der doppelten Staatsbürgerschaft, Leitkultur, weniger Einwanderung und der Ruf nach einer Obergrenze von 200.000 Flüchtlingen pro Jahr – vor dem Koalitionsgipfel treibt Seehofer seinen politischen Preis noch mal kräftig in die Höhe. Diesen Sonntag ist er mit der CDU-Vorsitzenden verabredet. Anschließend treffen sich die beiden mit SPD-Chef Sigmar Gabriel.
Um keinen Zweifel an seiner Entschlossenheit aufkommen zu lassen, hat Seehofer am Freitag seine Obergrenzenforderung noch einmal bekräftigt. „Ohne Begrenzung werden wir es nicht schaffen – das ist meine tiefe Überzeugung“, sagte er in Schwarzenfeld, wo die CSU-Vorstandsklausur stattfindet. Das sei auch „der ganz, ganz große Wille der Bevölkerung“.
Damit die Bayern bei der Bundestagswahl 2017 nicht doch bei der fremdenfeindlichen AfD ihr Kreuzchen machen, torpediert Seehofer Angela Merkels Flüchtlingspolitik, als sei seine CSU gar nicht Teil dieser Bundesregierung. Die AfD freut sich über den Unterbietungswettbewerb. Am Freitag musste CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer in der ARD versichern, das Papier nicht von der AfD abgeschrieben zu haben.
Eine zerstrittene Union braucht kein Mensch
In Angela Merkels CDU ist man einigermaßen fassungslos. Eine in sich zerstrittene Union braucht dort kein Mensch. Und doch ist klar, dass Horst Seehofer am Sonntag etwas vorweisen können muss. Die Obergrenze fällt offensichtlich aus. Aus Partei und Fraktion ist übereinstimmend zu hören, eine Obergrenze komme überhaupt nicht in die Tüte. Die vom CDU-Parteitag 2016 beschlossene Formulierung von der „spürbaren Verringerung“ der Flüchtlingszahlen sei ausreichend.
Schon eher möglich scheint es, dass die CDU sich auf ein Verbot der Vollverschleierung im öffentlichen Dienst oder vor Gericht einlässt. Aus Sicht der Unionsparteien könnte man so ein fettes Stück Symbolpolitik produzieren, die kaum jemandem wehtäte. Jedenfalls kaum eineR WählerIn. Seite an Seite könnte man sich außerdem auf den Shitstorm aus der SPD freuen – ein gemeinsamer Gegner verbindet bekanntlich.
So weit ist es jedoch noch nicht. Für Horst Seehofer scheint die Eskalationsspirale nicht ausgereizt. Am Freitag wurde bekannt, dass der CSU-Chef erwägt, nicht zum Parteitag der CDU zu reisen. Im Dezember will Angela Merkel als Parteivorsitzende wiedergewählt werden. Zudem wird damit gerechnet, dass sie ihre Spitzenkandidatur zur Bundestagswahl erklärt. Eine Rede des CSU-Chefs wäre obligat.
Stattdessen denkt Seehofer laut darüber nach, Merkels Party zu crashen. Dem Spiegel sagte er, sollten sich CDU und CSU bis zum Parteitag nicht auf eine gemeinsame Linie geeinigt haben, habe sein Besuch in Essen keinen Sinn. „Ohne einen Konsens wäre mein Auftritt nur ein Medienspektakel.“ Ein Spektakel wird der Parteitag spätestens jetzt auf jeden Fall.
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