Streit in Sachsen um LB-Bürgschaft: Nach dem Rücktritt ist vorm Krach
Parteiübergreifend wurde die Rücktritt-Ankündigung von Ministerpräsident Milbradt mit Erleichterung aufgenommen. Nun droht Krach über die LB-Bürgschaft.
Als hätte man nur auf die erlösende Ankündigung des Rücktritts von Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) am Montag gewartet, macht quer durch das politische Spektrum in Sachsen das Wort vom "Neuanfang" die Runde. Nicht nur im Sinne von Neuwahlen, wie sie die oppositionelle Linke, FDP oder NPD fordern. Auch der langjährige CDU-Fraktionschef im Landtag Fritz Hähle begründete seinen gleichfalls am Montag erfolgten Rückzug so. Einen "Neubeginn" sieht der designierte Ministerpräsident Stanislaw Tillich bereits in dieser CDU-Fraktion, die sich geschlossen hinter ihn gestellt hat. Der SPD-Fraktionsvorsitzende Martin Dulig will zwar Kontinuität der Koalition, aber nicht einfach ein "weiter so".
Wo vor einer Woche die CDU ihrem Koalitionspartner SPD noch ein Ultimatum für ein Loyalitätsbekenntnis gestellt hatte, macht sich plötzlich eitel Harmonie breit. Man kann sogar die Verdienste des Herrn Professor Doktor Milbradt gemeinsam aufs Üppigste loben.
Nach Duligs Worten habe der in der Landesbankaffäre dafür gesorgt, "dass Sachsen mit zwei blauen Augen davongekommen ist". Für die SPD war das Ultimatum ohnehin nur ein Ablenkungsmanöver von der auch in der Union umstrittenen Personalie Milbradt. Dessen Weiterregieren, so Dulig noch wenige Tage vor dem Rücktritt, wäre für die derzeit in einem leichten Umfragehoch schwebende SPD "nicht unvorteilhaft" gewesen.
Nichtsdestoweniger stellte die CDU noch am Rücktrittstag vor allem SPD-Chefaufklärer Karl Nolle als Königsmörder hin. "Das war Selbstmord, kein Mord", kontert der kühl gegenüber der taz. Er habe nie nach Zielscheiben gesucht, sondern sei erst durch das skandalöse Gebaren der Sachsen-LB auf Milbradt gekommen.
Die SPD versucht zugleich die Gunst der Stunde zu nutzen, um Wünsche für mehr Gemeinschaftssschulen, kostenloses Kita-Essen, Verbesserungen der öffentlichen Personalvertretung und eine weitere Demokratisierung im Hochschulrecht vorzutragen. Das ungewisse Erbe des Landesbankdesasters aber will man offenbar gemeinsam tragen.
Denn einer der Gründe für Milbradts Rückzug könnte auch ein bevorstehender großer Haushaltskrach in Sachsen sein. SPD-Mann Nolle wollte schon Tage zuvor wetten, dass die Landesbürgschaft für die Bankrisiken in Höhe von 2,75 Milliarden Euro in den nächsten Wochen fällig werde. Siegfried Jaschinski, Vorstandsvorsitzender des neuen Eigentümers Landesbank Baden-Württemberg, nährte solche Gerüchte, sprach aber von maximal 1,2 Milliarden.
"Es wird nicht die Wahrheit gesagt", meint die grüne Finanzexpertin und Fraktionschefin Antje Hermenau im Sächsischen Landtag. Sie rechnet mit weit mehr und erinnert daran, dass die EU den Verkauf im Juni überhaupt erst noch genehmigen muss. Die Grünen klagen deshalb vor dem Landesverfassungsgericht einen Nachtragshaushalt ein. Die Staatsregierung beruhigt sich und die Bürger hingegen bisher mit dem Hinweis, es sei noch kein einziger Euro der Bürgschaft fällig geworden. Der Steuerzahler werde "aller Voraussicht nach nicht tangiert", sagte Justizminister Geerth Mackenroth (CDU) in Vertretung von Ministerpräsident Milbradt. MICHAEL BARTSCH
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