Streit der Woche: Nicht von schlechten Eltern
Baron zu Guttenberg ist der Shooting-Star der deutschen Politik - Maja von Hohenzollern sieht ihn schon als Kanzler, Jutta Ditfurth vermutet dahinter den Geist des Untertanen.
BERLIN taz | Maja Prinzessin von Hohenzollern sieht den jetzigen Wirtschaftsminister zu Guttenberg in vier Jahren als Kanzlerkandidaten. Die TV-Moderatorin schreibt im "Streit der Woche" der sonntaz, zu Guttenberg sei wegen seiner hervorragenden Bildung, seines stilvollen Habitus und seines kompetenten Handelns beliebt: "Es gibt derzeit wohl keinen Politiker in Deutschland, der über ein so vollkommenes "Komplettpaket" verfügt wie er", schreibt die geschiedene Prinzessin weiter.
Außerdem punkte zu Guttenberg mit seinem Charme, seiner Rhetorik, "geschliffenen" Manieren und dadurch, dass er seinem Amt entsprechend würdig gekleidet sei, schreibt von Hohenzollern. Er "imponiert auch als Privatmann mit perfektem Klavierspiel, einer intelligenten Frau und als Vater".
Zu Guttenberg bilde einen Kontrast zu den "grauhaarigen, unmotivierten, Hochwasserhosen und Micky-Maus-Schlips tragenden Berufspolitikern" und sei einer der wenigen, die das Potenzial haben, "Politikverdrossenheit von Jugendlichen zu ändern sowie die stetig sinkende Wahlbeteiligung zu stoppen".
Den ganzen Streit der Woche lesen Sie in der sonntaz vom 01./02. August 2009 - zusammen mit der taz am Kiosk erhältlich.
Auch die Autorin und Fernsehproduzentin Beate Wedekind, ehemalige Chefredakteurin der Zeitschrift "Bunte" schreibt in der sonntaz, dass Deutschland mehr Politiker vom "Typ-Guttenberg" brauche. "Er kann Inhalte an den Mann bringen und Nähe herstellen. Er verfügt über ein enormes Identifikationspotenzial, vielleicht gerade weil er ein von und zu ist."
Jutta Ditfurth, Publizistin und Politikerin (ÖkoLinX), sieht hingegen keinen selbstverständlichen elitären Anspruch des Adels in der Gesellschaft. Dem Adel besondere Fähigkeiten zuzuschreiben "ist untertänig, kleinbürgerlich und passt zu den entsolidarisierten, sich ihrer selbst nicht mehr bewussten Arbeitern, die bei Schaeffler und Porsche ihren Kapitaleignern schluchzend um den Hals fallen, anstatt sie zum Teufel zu jagen", schreibt die Soziologin, die das "von" bereits in jungen Jahren aus ihrem Namen gestrichen hatte.
"Der Untertan modernisiert sich und bleibt doch - Untertan" resümiert Jutta Ditfurth in der sonntaz, während "der Adel über tausend Jahre gelernt hat, sich jeder Herrschaft anzupassen - zum Nachteil von Juden, Bauern, Afrikanern, Sozialisten."
"Wir brauchen nicht mehr Adel in der Politik sondern Politiker, die eine soziale Idee adelt", schreibt denn auch Bodo Ramelow, der Spitzenkandidat der Linken für die Landtagswahlen in Thüringen. Wie Jutta Ditfurth steht er den Umfragewerten des Wirtschaftsministers zu Guttenberg kritisch gegenüber: Das Ansehen der politisch Herrschenden sei so tief gesunken, dass sich Menschen nach einer kaiserlichen Vergangenheit zurücksehnen, schreibt Ramelow in der sonntaz.
Doch viele würden übersehen, "dass zu Guttenberg der Prototyp eines aalglatten, allzeit gut gegelten Politikers ist, der sich vor allem durch unterlassene Hilfeleistung wie bei Opel oder Karstadt auszeichnet." Nichtssagende Statements würden zwar elegant vorgetragen, doch keiner merke, dass der Inhalt grundfalsch sei, schreibt Ramelow: "Mit Mantel- und-Degen-Romantik, einem verklärten Ehrbegriff, dem Schmiss im Gesicht und ererbten Privilegien wird Deutschland nicht sozial gerechter."
Im "Streit der Woche" schreiben außer von Hohenzollern, Wedekind, Ditfurth und Ramelow der Geschäftsführer des Deutschen Adelsverbandes Heiko Nowak Graf von Roit, taz.de-Leser Andreas Greiner und Deutschlands erstes internationales Topmodel und "Blow-up"-Schauspielerin Vera von Lehndorff (Veruschka), die in ihrem Beitrag in der sonntaz dazu auffordert, aus der Geschichte Lehren zu ziehen, und vor Mode in der Politik warnt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos