Streit der Woche: Laufen im deutschen Fernsehen zu viele Krimis?
Der Krimi ist im Fernsehen allgegenwärtig und das beliebteste Genre der Deutschen. Jede Woche laufen bis zu 50 Krimiserien und -filme bei den Privaten und Öffentlich-Rechtlichen. Ist das zu viel Mord und Totschlag?
Sind die Olympischen Winterspiele in Vancouver beendet, kehrt auch im deutschen Fernsehen wieder Normalität ein. Und diese besteht im fiktionalen Bereich zum Großteil aus Krimis. In kaum einem anderen Land werden so viele Kriminalfilme und -serien produziert und gesendet. Deutschland einig Krimiland.
Und die Branche feiert sich entsprechend selbst: In der kommenden Woche findet in Wiesbaden zum sechsten Mal das Fernseh-Krimi-Festival statt, als Höhepunkt wird der Deutsche Fernsehkrimipreis verliehen. Beim Symposium diskutiert Regisseure wie Rainer Kaufmann, Wissenschaftler und Schauspieler wie Matthias Schweighöfer und Andrea Sawatzki aktuelle Entwicklungen des Genres.
Ohne Krimi geht die Mimi nie ins Bett. Allein der Woche vom 27. Februar bis zum 5. März laufen auf den gängigen privaten und öffentlich-rechtlichen Programmen fast 50 Krimis. Wer will, kann täglich auf einem der dritten Programme wenigstens einen Tatort sehen, anschließend eine Folge von „Polizeiruf 110“ und einen Krimi aus Skandinavien. Diese von einigen als Krimi-Inflation bezeichnete Schwemme schmälert den Erfolg des Genres nicht: Den Sonntags-Tatort schalten nach wie vor bis zu 10 Millionen Zuschauer ein, junge Menschen treffen sich zum gemeinsamen Tatortabend, Kneipen bieten Tatort-Public-Viewing an. Kaum ein anderes Format schafft es heute noch, generationsübergreifend zu begeistern.
Von manchen Filmwissenschaftlern und Drehbuchautoren wird die Kriminalisierung des Fernsehens kritisiert. Sie argumentieren, dass kaum eine Serie, kaum ein Fernsehfilm mehr ohne Verbrechen im Plot auskomme. Fernsehmacher verließen sich auf den Erfolg des Genres, in der Folge bliebe für andere Stoffe kaum mehr Platz. Wer will, dass sein Film den Weg auf den Bildschirm findet, müsse wenigstens einen Toten in seine Geschichte einbauen. Zudem gebe es – Stichwort Tatort – zu viele Kommissare, Schauplätze, Wiederholungen.
Viele Krimifans und -macher dagegen verteidigen das Genre. Durch Krimis ließen sich gesellschaftliche Debatten anstoßen. Gute Krimis böten intelligente Unterhaltung, Vielfalt und Spannung. Krimis sind überschaubar: Gut und Böse konkurrieren, es gibt einen Konflikt, eine Bewältigungsstrategie und am Ende die Lösung. Gut siegt, Böse verliert. Problem gelöst, Schlafen gehen.
Was meinen Sie? Laufen im deutschen Fernsehen zu viele Krimis?
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Preiserhöhung bei der Deutschen Bahn
Kein Sparpreis, dafür schlechter Service
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Bis 1,30 Euro pro Kilowattstunde
Dunkelflaute lässt Strompreis explodieren
Armut in Deutschland
Wohnen wird zum Luxus
Studie Paritätischer Wohlfahrtsverband
Wohnst du noch oder verarmst du schon?
Ansage der Außenministerin an Verbündete
Bravo, Baerbock!