Streit der Woche: Wählen ab 16 – Keine gute Idee
Das Wahlalter sollte auf sechzehn gesenkt werden, sagt Jugendforscher Klaus Hurrelmann. Falsch findet das der Berliner SPD-Politiker Fritz Felgentreu.
Der Sozialwissenschaftler Klaus Hurrelmann fordert eine Senkung des Wahlalters auf sechzehn Jahre. Es sei für Jugendliche „spätestens mit vierzehn Jahren ohne Einschränkungen möglich“, den Wahlvorgang zu begreifen, schreibt der Leiter der jüngsten Shell-Jugendstudien im Streit der Woche in der sonntaz. Die nötigen Kompetenzen würden durch Schule und Medien heute früh genug vermittelt, außerdem setze die Pubertät inzwischen früher ein.
Die Kindheit ende nicht mehr mit fünfzehn bis sechzehn, sondern mit zwölf bis dreizehn Jahren. „Ein Mindestwahlalter von sechzehn Jahren würde der veränderten Lage endlich Rechnung tragen“, schreibt Hurrelmann.
Als der Bundestag vor 40 Jahren das aktive Wahlalter von 21 auf achtzehn senkte, setzte er damit auch eine langfristige Entwicklung in Richtung Jugendwahlrecht in Gang. Inzwischen können Sechzehnjährige in fast der Hälfte der Bundesländer bei Kommunalwahlen ihr Kreuz machen, in jüngster Zeit werden auch auf Landesebene Reformen in Angriff genommen: In Bremen etwa wählen Jugendliche im Frühjahr 2011 erstmals ein Landesparlament, in Berlin steht in den nächsten Wochen eine Entscheidung darüber an. Während Berliner Grüne und Linkspartei eine Änderung der Landesverfassung wollen, ist die SPD uneins.
Den gesamten Streit der Woche lesen Sie in der aktuellen vom 12./13. Juni 2010 – ab Sonnabend zusammen mit der taz am Kiosk.
Fritz Felgentreu, Vize-Chef der SPD-Fraktion im Berliner Landesparlament, lehnt eine Senkung des Wahlalters in der sonntaz ab: „Wahlalter sechzehn – eine sympathische, aber keine gute Idee“, schreibt der rechtspolitische Sprecher der Fraktion. Die Argumente der Befürworter seien beliebig. Dagegen habe sich die bisherige Regelung, erst Achtzehnjährige zu Landtags- und Bundestagswahlen zuzulassen, bewährt. Die Jugendlichen könnten so in Verantwortung hineinwachsen: „Durch Religionsmündigkeit mit vierzehn, kommunale Mündigkeit mit sechzehn und Gesetzgebungsmündigkeit mit achtzehn“.
Als „überfällig“ bezeichnet Christian Berg, Landesvorsitzender der Jusos Berlin, das Wahlrecht für Sechzehnjährige. „Ihnen das Wahlrecht vorzuenthalten ist ein Armutszeugnis“, äußerte sich Berg gegenüber taz.de: „Jugendliche haben eigene politische Interessen – etwa wenn es um Schul- und Ausbildungspolitik oder die Ausgestaltung von Jugendeinrichtungen geht“. Die Erfahrungen aus Österreich, wo Jugendliche ab sechzehn bereits generell wählen dürfen, hätten das Verantwortungsbewusstsein der Jungwähler gezeigt.
Im Streit der Woche äußern sich zudem Renate Köcher, Geschäftsführerin des Allensbach-Instituts für Meinungsforschung, Maria Dragus, Schauspielerin in „Das weiße Band“, Clara Herrmann, Grünen-Abgeordnete im Berliner Landesparlament sowie taz.de-Leser Andreas Hasenkopf.
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