piwik no script img

Streit der WocheSchützen Warnungen vor Terror?

Die nahende Adventszeit, munkeln Geheimdienstler, erhöht die Anschlagsgefahr in Deutschland. Jetzt hat selbst der Innenminister vor Angriffen gewarnt.

Unbeaufsichtigter Koffer: Gefährlich oder unbedenklich? Bild: Wahlers / photocase

So deutlich hatte der Innenminister das zuvor noch nie gesagt: „Ich möchte die Bevölkerung bitten, in ihrem Umfeld wachsam zu sein und alles, was ihr verdächtig erscheint, der Polizei zu melden.“ Es gebe ernst zu nehmende Hinweise auf Anschläge in Europa und den USA, fuhr Thomas de Maizière am Wochenende in einem Interview fort. Vorher galt der CDU-Mann lange als „Entwarnungsminister“. Im Gegensatz zu seinem Vorgänger Wolfgang Schäuble weigerte er sich, allzu oft auf eine abstrakte Terrorgefahr hinzuweisen.

Jetzt ist de Maizière zum Warnungsminister geworden. Er stößt eine Diskussion an, die seit den Anschlägen vom 11. September nie wirklich an Aktualität verloren hat: Ist es hilfreich, die öffentliche Angst vor Angriffen zu schüren?

Auf den ersten Blick scheint de Maizières Kalkül klar. Wenn fast täglich Geheimdienstwarnungen in Berlin eingehen, wie der Spiegel am Montag meldet, sollte die Bevölkerung sensibilisiert sein. Aus demselben Grund gibt es seit Jahren Durchsagen an Flughäfen: „Lassen Sie Ihr Gepäck nicht unbeaufsichtigt.“ Nach dieser Logik erhöht all zu viel Arglosigkeit die Terrorgefahr. Wenn irgendwo eine Kofferbombe steht, sollten möglichst viele das erkennen können.

Einhundertprozentige Sicherheit, ließe sich dem entgegnen, wird es niemals geben. Auch dafür finden sich Argumente in der jüngsten Antiterrorgeschichte der Bundesrepublik. Kurz nach der Festnahme von Terroverdächtigen im Sauerland stürmte die Polizei ein Ferienhaus in der Nähe von Bremen. Die Dorfbewohner hatten – ganz wie es sich Innenminister de Maizière sich nun wünscht – Verdächtiges gemeldet. Nur waren im Ferienhaus keine Terroristen, sondern ein frisch verheiratetes Paar auf Hochzeitsreise. Vor knapp einem Jahr gelang es einem Mann trotz aller Kontrollen Sprengstoff auf einen Flug nach Detroit zu schmuggeln. Er wurde von Passagieren überwältigt nachdem es ihm nicht gelang das Flugzeug wie geplant in Brand zu setzen.

Seit jüngst eine Bombe aus dem Jemen in Köln/Bonn weitergeleitet und erst in Großbritannien konfisziert wurde, ist nun auch der Frachtverkehr ins Visier der Fahnder geraten. Es könne doch nicht sein, bemerkte Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger von der FDP, „dass mehrfach durchsuchte und gescannte Flugpassagiere oben im Flugzeug sitzen, während unten unkontrolliert die gefährliche Fracht lagert.“

Bild: taz

Lesen Sie die Antworten von Experten, Prominenten und taz.de-Lesern zum Streit der Woche in der sonntaz vom 13./14. November – erhältlich zusammen mit der taz am Kiosk oder direkt in Ihrem Briefkasten. Wollen Sie mit dabei sein? Dann schicken Sie uns Ihren Kommentar an streit@taz.de. Mehr dazu im Kasten rechts oben.

Das Scannen des Körpers, aber auch der potentielle Argwohn gegenüber arabischstämmigen Menschen, werten Gegner der Terror-Warnerei als Auswüchse eines Kontrollstaats, der im Streben nach einer Sicherheit, die es nie geben kann, jedes Maß verliert. Die USA können im Rahmen des Swift-Abkommens sogar auf die Bankdaten von europäischen Einreisenden zugreifen. Terrorangst rechtfertigt jedes Mittel. So kommt das manchem europäischen Datenschützer vor.

Was wäre allerdings, wenn tatsächlich in der Adventszeit ein Anschlag in Deutschland geschieht und der Innenminister hat nie davor gewarnt? Hat nicht der Kofferbomber von Köln verdeutlicht, wie schnell es auch hierzulande zu einem Terrorangriff kommen kann? Muss man deshalb nicht wachsam sein?

Was meinen Sie: Schützen Warnungen vor Terror?

(Wegen der ungewöhnlich hohen Anfragelast aufgrund der Castor-Berichterstattung mussten wir die Kommentarfunktion vorübergehend deaktivieren. Wir freuen uns aber auf ihre Beiträge an streit@taz.de)

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

2 Kommentare

 / 
  • V
    vic

    Anschlagwarnungen sind inzwischen fester Bestandtei deutscher Paranoia-Politik. Sie wollen permanent Angst schüren, um ihre usufernden Repressions-Maßnahmen zu rechtfertigen.

    Wenn sie aber damit fortfahren, in Ländern die uns nichts getan haben, Menschen umzubringen.

    Dann werden sie ihren Anschlag schon bekommen.

  • A
    Amos

    Der Minister warnt das Volk vor Terroranschlägen!

    Schön und gut-, weiß er denn auch schon wo? Ist die damalige Rot/Grüne Regierung von der Opposition(die Linke) nicht gewarnt worden, dass, wenn man sich in fremder Länder

    Politik einmischt und die Bürger der fremden Länder nach dem westlich-kapitalistischen Muster rekrutieren will, der Terror in unser Land kommt? Aber das ganze scheint mir doch trotzdem irgendwo suspekt zu sein.

    Ausgerechnet zu der Zeit wo die Castor-Behälter im Begriff waren "auf Reisen zu geh'n" kommen die Warnungen. Wollte man vielleicht die Demonstranten einschüchtern, damit sie sich nicht an den vermeintlichen Zielobjekten von Terroristen aufhalten? Die Politik arbeitet mit sämtlichen Tricks-, nur nicht mit Vernunft, weil die nicht ins Konzept der Plutokraten passt.