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Streit der WocheAlthusmann findet Turbo-Abi klasse

In zwölf Jahren bis zur Hochschulreife: Bleiben die Schüler auf der Strecke? Die Qualität der Ausbildung leide jedenfalls nicht, sagt der Präsident der Kultusministerkonferenz.

Ein Jahr gewonnen - dafür gibt es ein paar Jahre Dauerstress. Bild: dpa

Bernd Althusmann ist vom Turbo-Abi überzeugt. Das G8-Abitur sei ein "richtiger Schritt, der keinem schadet", sagte Althusmann im Streit der Woche der sonntaz. Kein Wunder, schließlich ist der CDU-Mann als Kultusminister Niedersachsens und Präsident der Kultusministerkonferenz für die Umsetzung des Turbo-Abis verantwortlich. In vielen europäischen Staaten sei das Turbo-Abi längst die Norm, man habe die Lehrpläne inzwischen auf die ein Jahr kürzere Schulzeit ausgerichtet.

"Die geringere Zahl der Schuljahre hat nichts mit der Qualität des Abiturs zu tun", sagte Althusmann, die Leistungen der G8-Abiturienten würden sich kaum von denen der G9-Schüler unterscheiden. "Unserer Schüler und Schülerinnen gewinnen ein Jahr!", sagt Althusmann und meint damit, dass die Schüler durch die kürzere Schulzeit auch schneller auf die Universität gehen könnten.

Viele Turbo-Abiturienten müssen sich nach der Schulzeit aber erstmal erholen - das ist jedenfalls die Beobachtung von Ulrike Köllner, die sich als Vorsitzende des Vereins Gymnasialeltern Bayern gegen das Turbo-Abi engagiert. "Am Ende des achtjährigen Gymnasiums sind unsere Kinder so lernmüde, dass sich viele ein Jahr Auszeit nehmen, ehe sie studieren", sagt Köllner, die zwei Kinder auf dem Gymnasium hat.

Das Turbo-Abi mache die Kinder zu "Lernrobotern", die den Schulstoff zwar im Eiltempo aufnehmen, aber kaum verarbeiten würden - jedenfalls nicht in der Schule. Stattdessen müsse dies nun in der Freizeit erledigt werden. Köllner plädiert deshalb dafür, die Lernpläne auf ein Mindestmaß zu reduzieren und stattdessen auf Projektarbeit zu setzen, um sozialen Fähigkeiten der Schüler zu fördern.

Bild: taz

Den ganzen Streit der Woche und viele weitere interessante Artikel lesen Sie in der sonntaz vom 20. und 21. August 2011 – ab Sonnabend zusammen mit der taz an ihrem Kiosk oder am eKiosk auf taz.de. Die sonntaz kommt auch zu Ihnen nach Hause: per Wochenendabo. Und für Fans und Freunde: facebook.com/sonntaz.

Heinz-Peter Meidinger ist als Bundesvorsitzender des Philologenverbandes so etwas wie der oberste Gymnasiallehrer Deutschlands. Meidinger ist für eine verlässliche Bildungspolitik, will also keine Abkehr vom Turbo-Abi.

Allerdings ist er der Meinung, dass das Turbo-Abi in seiner jetzigen Form vielen Schülern schade und deshalb nachgebessert werden müsse: Die Gymnasien müssten flächendeckend zu Ganztagsschulen ausgebaut werden, die Klassen sollten verkleinert und mehr Lehrer eingestellt werden, um die Qualität des Abiturs zu erhalten.

Claudia Radelow aus Niederwiesa in Sachsen versteht die Aufregung um das Turbo-Abi nur bedingt. Radelow hat das Abitur in zwölf Jahren gemacht - denn in Sachsen wie auch in Thüringen wurde das in der DDR eingeführte G8-Abitur nach der Wende beibehalten.

"Eine prinzipielle Verteufelung des Turbo-Abis kann ich nicht nachvollziehen", schreibt die Medienwirtin auf der Facebookseite der taz. Sie komme damit "bisher sehr gut" durchs Leben, und auch der Lernstress habe sich - zumindest in ihrem Fall - in Grenzen gehalten.

Außerdem debattieren im Streit der Woche in der sonntaz: Mike Nagler, Sprecher für Bildungspolitik im Attac-Koordinierungskreis, Julia Saalmann, Referentin für Bildungspolitik bei der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft, sowie Ralf Treptow, Leiter eines Gymnasiums und Sprecher der Vereinigung der Berliner Oberschuldirektoren.

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13 Kommentare

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  • SB
    Suleyman Borchert

    Nun mal ganz ehrlich: ob Schüler drei Wochenstunden mehr oder weniger in der Penne hängen, ist mehr oder weniger wurscht. Man muss sich doch eine viel grundsätzlicher Frage stellen, nämlich was eigentlich die Bildungsziele sind, die wir Abiturienten vermitteln wollen. Über die Methoden, wie Bildung zu vermitteln sei, werden Bücher gefüllt und Münder ausgefranst. Was denn nun aber genau Bildung ist, darüber gibt’s wenig zu hören oder lesen. Macht man Abitur, um zu wissen, wann und warum der dritte punische Krieg stattgefunden hat, was die Intention des Autors war, oder dass die erste Ableitung der Weg/Zeit Funktion die Geschwindigkeitsfunktion ist? Wohl kaum.

    Der „Lehrstoff“ soll doch in erster Linie gar nicht gewusst werden, sondern begriffen; wer Kraftübungen macht, will doch nicht Gewichte bewegen. Wenn es nur darauf ankäme gäbe es weniger Mukibuden aber mehr Gabelstapler. Die Fähigkeit eigenständig zu begreifen ist es worauf es ankommt, und diese Fähigkeit muss sich herausbilden. Der Lehrstoff der Oberstufe ist nichts als Trainingsgerät dafür. Das, was die Kultusminister derzeit produzieren wollen, ist eine Kreuzung aus Affe und Heimcomputer, und das ist auch in elf Jahren machbar, im Labor vielleicht sogar in drei.

  • T
    Thales

    Es wird übersehen, dass die Turboschiene ja auch im Master- und Magisterstudium gefahren wird. Die Dozenten (bzw. die Assistenten) sind mit dämlichen Klausuren und deren Korrekturen überlastet! Die Pauke hat das Wort.

    Die Uni paukt vor sich hin, murrend, aber ohne wesentlichen Wider- unde VER- stand, auch die universitären Lehrkräfte haben sich bundesweit dem schawanschen Schwachsinn ergeben. Es wird weiterhin verschwiegen, dass Die Rasanterisierung der Studiengänge, auf die Schulpolitik zurückwirkt.

     

    Noch eine Anmerkung zu der politischen Dauerleier bezüglich der Ressource Bildung: Seit Jahrzehnten führt uns -parteiübergreifend- die sogenannte politische Klasse hinters (bzw. unters) Licht:

    In 30 Jahren meiner universitären Lehrtätigkeit gab es NUR Einsparungen, Kürzungen von Geld und Stellen.

    Dafür dann die Studiengebühr??!

    Mein Vorschlag zu Einsparungen: Die diversen Kultus- bzw. Wissenschaftsministerien zu halbieren, dann wird sich auch der ministerielle Schwachsinn halbieren.

     

    Frau Ministerin Schawan zu halbieren verbietet sich selbstverständlich, aber man könnte doch wenigstens diese alberne und kostenintensive und unnütze Kultusministerkonferenz in die Wüste schicken.

    Da werden doch nur noch alternde Politiker teuer geparkt. Das wars.

  • AK
    Alexander Kubisch

    Ich habe Abitur in Thüringen gemacht und kann vielen der Aussagen absolut nicht zustimmen. Natürlich gab es (vereinzelte) Tage mit Nachmittagsunterricht, an denen man auch später nach Hause kam. Aber die waren eben vereinzelt, vielleicht zwei die Woche. Das Arbeitspensum zu Hause hielt sich in Grenzen und wenn ich mir mein Leben an der Uni jetzt so anschaue und das, was noch kommen wird, sehne ich mich nach der Freiheit und Freizeit, die ich in der Schule hatte. Ich konnte lesen, meinen Hobbies nachgehen und Zeit mit Freunden verbringen. Trotzdem war ich gut vorbereitet auf das Studium und hatte gerade in den Naturwissenschaften weniger Probleme als manch andere, die z.B. in NRW ihr Abi gemacht haben.

     

    Trotzdem kann ich mir auch vorstellen, dass ein Jahr mehr nicht schlecht ist. Natürlich muss man in seiner Jugend Zeit haben, das Leben kennen zu lernen und auch mit Langeweile umzugehen, nur dass ich eben das Gefühl habe, uns hat das damals nicht gefehlt. Möglicherweise ist es die aktuelle Umsetzung der Umstellung, die das Problem ist, aber davon weiß ich zu wenig. Wahrscheinlich wäre das beste ein System freier Entscheidung. Ich würde wieder 8 Jahre Gymnasium wählen.

  • MK
    Mareike K.

    Mag ja sein, dass die Schüler ein Jahr gewinnen, aber was sollen wir G9 Schüler machen, wir bekommen keine Studienplätze mehr, da dieses Gesetz durchgesetzt wurde ohne über die Folge nachzudenken, denn die Universitäten und Fachhochschulen wurden keineswegs aufgerüstet, über 3030 Bewerber für einen Studiengang, aber nur 160 Bewerber werden zugelassen? WAS IST DAS !!!! Ich habe für meinen Schnitt schwer gekämpft im Abitur (2,3) ein relativ guter Schnitt und jetzt bringt er mir garnichts mehr. Leute mit einem 1,8 Schnitt werden nicht mehr angenommen, da kann doch etwas nicht mehr stimmen!! Ich finde es eine scharmlose Ungerechtigkeit was uns G9 Schülern angetan wird, wir müssen jetzt zu irgendwelchen Notlösungen greifen, welche wir aber nur SEHR ungern annehmen.

    Deutschland sollte sich dringend ein paar Gedanken über ihre Bildungspolitik machen! Denn sonst gibt es bald ein paar größere Probleme als schlecht qualifizierte Jugendliche.

  • K
    Kalle

    Na klar, Bundeländer, in denen nix umgestellt werden musste, weil es schon immer so war, sind natürlich ein prima Argument dafür, dass in andern Bundesländern die Umstellung gut gelungen sei.

     

    Mannmannmann, Journalisten und Argumentation. Ich muss mir mal das viele Zeitunglesen abgewöhnen. Auch das Gehirn ist schließlich, was es isst.

  • PK
    Prof. Kai Beiderwellen

    Dass Herr Althusmann das Turbo-Abi klasse findet, weil es so schön in das verkürzte Studium greift und seine Kultusministerkonferenz gleichzeitig die Hochschulen auffordert ein eigenes Verfahren zur Feststellung der Studierfähigkeit der Bewerber zu entwickeln, da das Abi alleine dies nicht mehr gewährleistet, - geschenkt. Kann ja mal vorkommen.

     

    Ich habe mich aber immer gefragt, wozu es gut sein soll "ein Jahr zu gewinnen", was ja das Hauptargument der Befürworter zu sein scheint. Dankenswerterweise hat uns jetzt Frau Saalmann von der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft, der bildungspolitischen Speerspitze unseres Landes, aufgeklärt: "für Berufspraktika". Wer hätte das gedacht?

  • S
    settebellezze

    Wie glaubwürdig ist die Rede über Bildungspolitik und Turbo-Abitur von jemandem, der unter Plagiatsvedacht steht? Souverän und kreativ angewandtes Wissen verlangt Zeit: Zeit zum Lernen, zur kritischen Reflexion und schließlich zur kreativen Anwendung.Das sind Gemeinplätze der Lerntheorie. Dass Kinder und Jugendliche Freiräume und Zeit für ihre Entwicklung benötigen, sind Gemeinplätze der Entwicklungspsychologie.

     

    - Wer will denn notwendig noch weniger gebildete, mit reingepauktem Wissen ankommende Abiturienten an den Universitäten, wo die Turbo-Ausbildung durch die Bologna-Reform fortgesetzt wird? Wer will mit 17-Jährigen arbeiten, die nicht mal einen Führerschein haben, geschweige denn allein eine Wohnung mieten dürfen? Wer in Wirtschaft und Gesellschaft will 22-Jährige Studienabgäner, die nach einem Turbo-Abi in den Universitäten ein Turbo-Studium absolvieren müssen und nicht mal mehr Muße zum kreativen Reflektieren haben?

    - Wer in der Debatte reflexhaft und reflektionslos auf europäische "Normen" verweist, denkt nicht an Inhalte - und auch nicht an die Realität. Normen taugen bekanntlich nichteinmal zum Gemüseanbau. Und die sogenannten internationalen Normen sehen so aus: Wo im Ausland nach 12 Jahren Abitur gemacht wird, da gibt es sogenannte gap Years, 1 Jahr, wo -auf Kosten der Eltern - Bidungsreise, Studium generale, Vorbereitung auf eine Elite Universität, soziales Jahr usw. usw. eingelegt werden. Wo in der DDR nach 12 Jahren Abitur gemacht wurde, gab es andere Lehrpläne. Und wer eine Ganztagsschule (inkl. Mensa mit in der Regel ungesundem, übel schmeckenden Essen)fordert, vernichtet soziale und sportliche Nebentätigkeiten der Jugendlichen au f dem Nebengleis.Und: WEr ein stipendium will, wird nach soft skills und sozialem Engagement gefragt

     

    War Herr Altusmann mal im Ausland und hat sich - ohne Dolmetscher - unterhalten und informiert?

    Hinter dem Turbo Abi steckt ein mechanistisches Menschenbild und Interessen, die von Daten der Demographie und Volkswirtschaft ausgehen, nicht von Menschen, für deren Entwicklung wir Verantwortung haben. Wer durch die Ausbildung gehetzt wird, jagt Abschlüssen hinterher, und je prestigträchtiger desto besser. Dabei unterlaufen dann schon mal "Flüchtigkeiten", die die bösen Anderen als Plagiat bezeichnen.

    Also weg mit dem Turbo-Abi als Pflicht! Stattdessen - wie früher in Berlin- die Wahl über 12 oder 13 Jahre den Betroffenen - Eltern,Schülern,Lehrern- überlassen und Schnelläufer-Gymnasien parallel zu konventionellen ermöglichen!

    Begonnene, gymnasiale Schulcurricula dürfen nicht durch den Zwang, auf die neue (qualitativ völlig unsichere) Sekundarschule mit der Option von 12 und 13 Jahren zu wechseln, abgebrochen werden.

  • AH
    Andi H

    Althusmann,ist doch derjenige der seinen Doktor sieben mal umschreiben mußte(!)um ihn anschließend mit viel Wohlwollen und angagierter Parteiarbeit zugesprochen zu bekommen.Selbst meinte er,seine Arbeit hätte ja keinen wissenschftl. Anspruch gehabt...Solche Leute sitzen in wichtigen Positionen und sollen unsere Kinder führen..dieser ehemalige Offizier der Bundeswehr...

  • T
    Tommy

    Irgendwie erinnert mich dies an den "Turbo-Doktortitel" - und deren Folgen.

  • D
    docvonstock

    Meine Güte, der Herr Althusmann hat ja so recht. Das Abitur, etwa auf dem Niveau eines erweiterten Realschulabschlusses, reicht in Niedersachsen gerade aus um solche Fächer wie Jura, BWL und Medienwissenschaften zu studieren. Zu anspruchsvollen Studiengängen, etwa dem eines naturwissenschaftlichen Studiums oder eines klassischen Diplom-Ingenieurs (TH) keinesfalls.

     

    Es ist unverantwortlich den Schülern nach bestandenem Zentralabitur zu einer "Reifeprüfung" gratulieren zu wollen. Sie sind mit dem Schulwissen versehen, nicht in der Lage ein Grundstudium in diesen Fächern mit Erfolg zu absolvieren. Was in den Curricula (Lehrplänen) an Grundlagen in den letzten Jahren herausgeworfen wurde, führt zu einem Häppchenwissen, das einem Emmenthaler Käse gleicht. Die wichtigste Aufgabe, den Schülern durch das Vermitteln von Grundlagen die Möglichkeit zu geben, sich weiteres Wissen durch logisches Überlegen und Anwenden des Gelernten zu erschließen, wurde auf dem Altar kultusministerieller Eitelkeiten geopfert. Natürlich kommt so ein Kultusminister nicht von selbst auf solche Ideen. Dazu ist er viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt. Schaut man sich einmal die von der Niedersachsen-CDU abgehalfterten Provinzgrößen genauer an, dann sind sie eher als ausführende Organe der Bertelsmann-Stiftung anzusehen. Bildung als Herrschaftsinstrument - und es wird nur Wissen vermittelt, dass gerade dazu ausreicht um "seinen Job zu machen". Mehr wäre gefährlich und könnte die "Allianz der Dämlichen" gefährden.

     

    In betrügerischer Absicht werden nun die erlernten Fähigkeiten als "Kompetenzen" für das gemeine Volk verscherbelt. Dabei heißt es nichts anderes als: "XY kann im Chemieunterricht mit pH-Papier umgehen." Eine weitere Kompetenz lautet dann: "Sie hat die Kompetenz die Gefährlichkeit der Netzspannung im Haushalt zu beurteilen." Die im naturwissenschaftlichen Unterricht nun einmal notwendige Fachsystematik ist als "Teufelszeug" in den Bannstrahl der KMK gerückt. Referendaren wird dringend ans Herz gelegt in den Unterrichtsentwürfen keinesfalls den Begriff "Fachsystematik" zu verwenden. Sonst gefährden sie ihr 2. Staatsexamen. Stattdessen werden die "Lebenswelten" der Schüler gepriesen. "Chemie im Haushalt" und "Physik des Autofahrens" in der Oberstufe. Das Ganze findet dann auf dem Niveau von SAT1 "Galileo" statt. Das Dumme daran ist nur, dass die lieben Schüler weder im Haushalt helfen, noch am Auto etwas reparieren. Das machen nur die doofen Hauptschüler, die es bald nicht mehr gibt. Ein Gymnasiast hat dafür "seine Leute". Ein völlig überstrapaziertes Gebiet der Mathematik zu Lasten des Grundwissens ist dann die Stochastik, mit der man meint "lebensnahe" Mathematik zu lehren. Ob sie wirklich immer lebensnah ist, bleibt anzuzweifeln. Immerhin hat die Stochastik im wesentlichen ihre Berechtigung in der Medizin und Pharmazie, weil dort sehr häufig nur nach der Methode "trial and error" geforscht wird. Ob das nun so lebenserhaltend ist, sei dahingestellt.

     

    Mit den Vorstellungen eines Herrn Althusmanns nähern wir uns dem amerikanischen high-school Ideal und wer wäre da nicht besser zum "Althusmann-Abiturient des niedersächsischen G8" zu krönen, als der Sicherheitsinspektor des Kernkraftwerks in Springfield Homer Simpson?

  • A8
    Abi 89

    Und noch meine ganz persönliche Meinung:

     

    Ich fand die Erfahrung auch sehr gut, dass die Schüler und Schülerinnen während ihrer (Gymnasial)Schulzeit volljährig wurden. So lernten sie noch im vertrauten Umfeld die Veränderungen und Verantwortung diesbezüglich kennen: Entschuldigungen und Zeugnisse selbst unterschreiben, keine Briefe mehr an die Eltern etc.

     

    Die Gespräche mit den Lehrern bekamen oft auch inhaltlich eine andere Dimension.

     

    Auch kam bei den meisten mindestens ein Jahr vor dem Abitur die Führerscheinprüfung und damit ein weiteres Stück "Freiheit" hinzu.

     

    Das sind alles Erfahrungen, die die meisten nun alle auf einen Schlag machen dürfen oder müssen.

     

    Ich verstehe auch nicht, was so wichtig daran sein soll, dass unsere Kinder nun mindestens ein Jahr früher fertig werden sollen mit ihrer Ausbildung? EU-Vergleich hin oder her. Bei vielen Themen - gerade auch im Bildungsbereich - bleiben die Politiker doch recht gern bei deutschen Traditionen (z.B. sehr frühe Selektion, Dreigliedrigkeit etc.).

    Mit dem Bachelor-System ist ja eine weitere Verkürzung hinzu gekommen.

     

    Was sind schon ein oder zwei Jahre? Wir werden doch immer älter?

    Und es gibt doch sowieso zu wenig Arbeitsplätze?

    Die Biographie im gesamten ist doch wichtig und der Mensch mit all seinen Erfahrungen und Fähigkeiten, der daraus wird.

     

    Ich kenne recht viele, die mindestens einmal sitzen geblieben sind und dennoch mit 20 oder gar fast einundzwanzig ihr Abitur gemacht haben. Manche davon sind heute zumindest beruflich erfolgreicher als die, die es planmäßig geschafft haben.

  • PD
    Peter Döring

    Was für eine geballte Kultur-Kompetenz! Ob Turbo-Abi-Freund Althusmann beim Doktortitel auch seine ganz spezielle Art von Turbo-Methode wählte wird ja gerade überprüft...er sieht dem zwar gelassen entgegen, aber das haben andere vor ihm auch schon ganz, ganz fest behauptet....Ob man hier nicht eher den Bock zum Gärtner gemacht hat? Warum lässt Althusmann seine Arbeit ncht einfach ruhen, bis die Vorwürfe geklärt sind? So einer wird also hierzulande Präsident der Kultusministerkonferenz und verbreitet Loblieder auf die Beschleunigung der Bildung...mache sich jeder selbst seinen Reim darauf.

  • A8
    Abi 89

    Ich selbst habe ein klassisches "Westabi" nach 9 Jahren Gymnasium (in Süddeutschland) abgelegt. Meine Kinder gehen nun in Sachsen auf ein Gymnasium. Ich sehe den Unterschied des Schulalltags sehr deutlich.

     

    Der heutige Vergleich zwischen "Ost- und Westabi" hinkt sehr:

     

    Die Kinder und Jugendlichen sind in der DDR erst einmal 10 bzw. später 8 Jahre zusammen in eine gemeinsame Schule gegangen. Lediglich ein paar wenige auserwählte durften dann auch das Abitur machen.

     

    Als dort nach der Wende die Gymnasien ab der 5. bzw. der 7. wieder eingeführt wurden, mussten die neuen Länder (auch laut früheren taz-Berichten) mit der KMK sehr darum ringen und bekamen die Zusage nur mit der Auflage, dass die Stundenzahl insgesamt an das westdeutsche G9 anzupassen sei. Also mussten die Schüler und Schülerinnen fortan im Gebiet der ehemaligen DDR täglich länger in die Schule gehen als zuvor!

    Das ist auch heute noch der Fall und der eigentliche Kritikpunkt: Nicht der Lehrplan wurde entrümpelt und die Methoden angepasst, sondern die Gesamtstundenzahl wurde von neun Jahren in acht Jahre gequetscht. Das bedeutet, dass die Kinder mehr Unterrichtsstunden in der Woche und am Tag haben und so nachmittags wesentlich später nach Hause kommen.

    Im "Westen" waren wir also bis zur 11. Klasse mit Bus- oder Zugfahrt spätestens um 14.00 h zuhause. Jetzt kommen die Kinder anfangs mit sehr kurzem Schulweg frühestens um 15.00 h nach Hause, mit längerem Schulweg um 16.00 h, ab Klasse 7/8 gegen 17 h.

    Sie haben zwar zwischen 11 und 12.30 h ein Mittagessen eines Großcateres heruntergeschlungen, weil zum Essen eigentlich keine Zeit und Platz ist, aber hungrig sind sie dann verständlicherweise dennoch. Hausaufgaben und Lernen müssen dann natürlich auch noch erledigt werden. Und das ist ja täglich mehr als beim G9, da sie mehr Stunden in der Woche haben.

     

    Ich sehe hier Kinder und Jugendliche heranwachsen, die eigentlich keine Freizeit haben bzw. diese ausschließlich für die Schule nutzen müssen - und, das ist eigentlich das traurige, es gar nicht anders kennen lernen!

     

    Gerade hier im Osten der Republik gibt es kaum Angebote für Jugendliche bzw. sie werden nicht wahr genommen, weil (zumindest bei Gymnasiasten) erst gar keine Langeweile aufkommt.

     

    Ich persönlich halte Langeweile für eine sehr wichtige Erfahrung! Ebenso außerschulische Erfahrungen ohne Eltern und Pädagogen aller Art.

     

    Zeit und Raum sollte vorhanden sein, um ausgeglichene und gestärkte Persönlichkeiten heranwachsen zu lassen.

     

    Mittlerweile wissen wir doch sehr genau, dass wir nicht alles Wissen dieser Welt in unserem kurzen Leben (auswendig) lernen können. Es geht doch hauptsächlich darum, mit diesem Wissen und den Informationen umgehen zu lernen. Nicht mehr und nicht weniger.

     

    Aber auch hier und heute gibt es noch Eltern, die Angst haben, dass ihre Kinder sogar auf einem Gymnasium zu wenig lernen.