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Streit der WocheNeudeck mischt Helfer-Szene auf

Abschied vom Kalten Krieg, Konzentration auf zwei Länder: Im Jubiläumsjahr des Entwicklungsministeriums ist Cap Anamur-Gründer Neudeck für einen Umbau.

Aktivisten von Oxfam demonstrieren für eine erhöhte Entwicklungshilfe. Bild: dpa

BERLIN taz | Der Gründer der Hilfsorganisation Cap Anamur, Rupert Neudeck, hat einen radikalen Umbau der deutschen Entwicklungszusammenarbeit verlangt. In einem Beitrag für den "Streit der Woche" der sonntaz fordert er eine Konzentration auf die Länder Tansania und Ruanda: "Mit zwei Ländern sollten wir in dem Kontinent große Partnerbeziehungen aufnehmen, der es am nötigsten hat."

Am kommenden Montag feiert das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung sein fünfzigjähriges Bestehen mit einem großen Festakt in Berlin, der per Livestream ins Netz übertragen wird. Das Ministerium hat sich wegen der Feierlichkeiten eine eigene Werbekampagne gegönnt. Kernaussage: „Wir machen Zukunft. Machen Sie mit.“

Neudeck, der auch Chef der Organisation Grünhelme ist, will eine Reform, die die Politik des Ministeriums grundlegend in Frage stellt. "Wenn man sich vorstellt, was das deutsche Geld - 5,8 Milliarden Euro - in zwei Ländern Afrikas anrichten könnte, einem an der Küste in Tansania und einem Binnenstaat wie Ruanda, könnte man in fünf Jahren eine ganz andere Bilanz ziehen."

Die Mittel könnten in Infrastruktur, Bildung und Industrieansiedlung gesteckt werden. "Das wäre dann der Abschied vom Kalten Krieg, in dem wir die 130 Staaten der Habenichtse-Kontinente mit Entwicklungshilfe bezirzen und bestrafen mussten." Er kritisiert auch das derzeit vom FDP-Mann Dirk Niebel geleitete Ministerium und redet "einer Abschaffung der Helfer- und Consultants-Bataillone" das Wort.

Der ehemalige Diplomat Volker Seitz geht noch weiter. Er fordert die Abschaffung der Entwicklungshilfe. "Seit Jahrzehnten wird Entwicklungspolitik mit einem gigantischem Personal- und Finanzeinsatz betrieben", schreibt Seitz in seinem Beitrag zum "Streit der Woche". Trotzdem würden die Minimalziele nicht einmal annähernd erreicht. "Länder wie Ruanda, Botswana, Mauritius oder Ghana zeigen, dass sie mit eigener Kraft vorankommen", glaubt Seitz. Dauerhilfe aus dem Ausland dagegen zementiere die Abhängigkeit der Regierungen.

Bild: taz

Den ganzen Streit der Woche und viele weitere interessante Artikel lesen Sie in der aktuellen sonntaz vom 12./13. November 2011. Am Kiosk, eKiosk oder im Briefkasten via www.taz.de/we. Und für Fans und Freunde: facebook.com/sonntaz.

Dagegen verteidigt die ehemalige Entwicklungsministerin und Bundestagsabgeordnete Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) die bestehenden Konzepte. "Durch den Schuldenerlass von 1999 konnten 34 Millionen Kinder in Afrika zusätzlich zur Schule gehen", schreibt sie in der sonntaz. Und durch die Arbeit des Globalen Fonds zur Bekämpfung von Aids seien sieben Millionen Menschenleben gerettet worden. "Würden die Zusagen der Finanzierung eingehalten, wurden 80 Milliarden US-Dollar für Entwicklungszusammenarbeit bis 2015 mobilisiert."

Außerdem schreiben im "Streit der Woche" der aktuellen sonntaz die Buch-Autorin, Ex-Amnesty-International-Chefin Brigitte Erler, Paul Bendix, Geschäftsführer von Oxfam Deutschland und taz.de-Leser Niko Johann.

Den ganzen Streit der Woche lesen Sie am Wochenende in der sonntaz, dem Wochenendmagazin der taz. Am Kiosk, eKiosk oder im Briefkasten via www.taz.de/we. Und für Fans und Freunde: facebook.com/sonntaz

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5 Kommentare

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  • T
    tommy

    Bin zwar als politisch Rechtsstehender eigentlich eher gegen Entwicklungshilfe, aber vielleicht hat Neudeck hier sogar recht. Gerade über Ruanda hört man ja teilweise erstaunlich positive Nachrichten, dort würde das Geld vielleicht auch wirklich etwas bewirken.

  • H
    heidi

    Wie soll man über was diskutieren, worüber so wenig Hintergrundmaterial da ist?

    Wäre doch mal eine taz Arbeit wert,sich ausführlicher mit dem Thema zu beschäftigen.

    Grundsätzlich meine ich, man sollte den Rat der Leute, die vor Ort sind bzw. waren hören und wertschätzen.

  • VS
    Volker Seitz

    Ist die zusätzliche Einschulung von Millionen Kindern in Afrika wirklich eine Erfolgsgeschichte der Entwicklungshilfe? Staaten südlich der Sahara geben nach UNESCO Angaben nur 10 bis 15 Prozent des Weltdurchschnitts für staatliche Bildungseinrichtungen aus. Das ist so weil die Eliten ihre Kinder auf Privatschulen oder nach Europa schicken. Nichtpriviligierte auf dem Land nehmen ihre Kinder wie z.B. im Niger wieder aus der Schule damit sie in der Landwirtschaft mitarbeiten. Es wird oft verschwiegen, dass Schulen zwar kostenfrei sind, dass es aber Klassen von 100 Kindern sind und die Eltern die Kosten für Schuluniform, Bücher und Lehrmittel nicht aufbringen können. Der Südafrikaner Moeletsi Mbeki sieht hinter den geringen Bildungsausgaben Methode.

    Gebildete Menschen könnten sich für ihre Interessen einsetzen und das Führungspersonal zur Rechenschaft ziehen.

    Volker Seitz, Autor "Afrika wird armregiert"

  • J
    JayJay

    Uganda oder Ruanda - da kommt man schon mal durcheinander ;)

  • HS
    helfer szene

    Länder mit Rohstoffen können sich selber helfen. Siehe Russland die in Geld schwimmen wärend sie während der Regierung der Linken sogar Auslands-Schulden machten.

     

    Trittin und Schröder haben uns mit Schuldenmilliarden nur Hartz4 und Neuen Blasen Markt und Ebook-Preisbindung gebracht.

    Das Problem ist nicht Geld sondern anständige Politiker die nicht noch schnell Beamte vor der Abwahl befördern und ihren Parteifreunden, Familien und Verwandten alle Pöstchen und Aufträge geben.

    Gibt man manchem Politiker 1 Mrd macht er Dir 2 Mrd Schulden daraus.