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Streit der WocheGut oder schlecht statt teuer oder billig

"Gutes Essen muss seinen Preis haben", meint Köchin Sarah Wiener. Der nordrhein-westfälische Umweltminister Remmel vergleicht Essen mit Autoreifen.

Dieses Huhn hat ein Freigehege. Viele andere sehen das Tageslicht nie. Bild: Matthias Rietschel/dapd

Am Wochenende geht es in Berlin ums Essen. Die Grüne Woche beginnt und Tausende werden unter dem Motto Wir haben die Agrarindustrie satt gegen Massentierhaltung und für bäuerliche Landwirtschaft demonstrieren.

"Lebensmittel sind gut, oder sind eben keine", schreibt Nordrhein-Westfalens Umwelt- und Verbraucherschutzminister Johannes Remmel dazu im Streit der Woche der sonntaz. Er vergleicht sie mit Autoreifen, bei denen ja niemand auf die Idee komme, schlechte Qualität mit günstigen Preisen zu rechtfertigen: "Nicht teuer oder billig, sondern gut oder schlecht: Das muss eigentlich die Frage sein!"

Die Köchin Sarah Wiener kritisiert, dass in Deutschland Lebensmittel nach Aussehen und Lagerfähigkeit ausgewählt werden und so billig seien, dass tonnenweise Essen im Müll lande. "Gutes Essen muss seinen Preis haben", schreibt sie im Streit der Woche.

Dass ein industrielles Fertigprodukt mit Hilfe von Lebensmittelzusatzstoffen, Aromen, Emulgatoren, Farb- und Konservierungsstoffen billiger nachgebaut werden könne als eine Speise aus soliden Grundnahrungsmitteln, findet Wiener "einen Grund zum Fürchten".

Trotz Protesten gegen Massentierhaltung kann Matthias Horst am deutschen Essen nichts Schlechtes finden. Für ihn ist Essen gut, so lang es sicher ist. "Und das ist eine gute Nachricht für die Verbraucher, denn die Lebensmittel in Deutschland sind sicher – unabhängig vom Preis!", sagt der Geschäftsführer des Bundes für Lebensmittelkunde und Lebensmittel.

Auch er registriert unterschiedliche Qualitätsstufen, die von verwendeten Zutaten und der Herstellungsweise oder abhingen, sieht aber genau deshalb den Verbraucher in der Verantwortung. "Jeder Mensch entscheidet täglich für sich selbst, was für ihn wichtig ist", schreibt der Lebensmittel-Lobbyist.

Jan Kunath, REWE-Vorstandsmitglied, sieht das ähnlich. "Gutes Essen muss auch nicht teuer sein", meint er und fordert eine bewusstere Wertschätzung für Lebensmittel. "Die Fehlentwicklungen, die es gibt, sind nicht allein preisbedingt, sondern spiegeln einen Verlust des Respekts vor Natur und Kreatur wider."

Außerdem diskutieren im "Streit der Woche" der aktuellen sonntaz die Autorin Roziska Farkas, die Bioladeninhaberin Rita Vorläufer, und die taz-Leserin Carolin von Schmude. Ab Samstag in der Wochenendausgabe der taz - an jedem gutsortierten Kiosk, im eKiosk oder per Wochenendabo direkt in Ihrem Briefkasten.

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4 Kommentare

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  • A
    alex

    Ich höre immer "gute Lebensmittel müssen nicht teuer sein", dass ist einfach an Ignoranz nicht mehr zu überbieten. Natürlich ist Bio teuer in der Produktion, wenn man nicht literweise Gift versprüht, sondern Bienen zur Schädlingsbekämpfung einsetzt, hat man immer Ertragseinbußen. Was die ganze Postmaterialisten nicht verstehen, ist das ökologische Nachhaltigkeit ohne soziale Gerechtigkeit nicht funktioniert. Die Menschen behandeln Tiere wie Waren, weil sie selber wie Humankapital behandelt werden. "Wir betreiben unseren Flachbildschirm mit erneuerbarer Energie", na herzlich Glückwunsch.

  • BM
    Bauer Mark

    Der Vergleich mit den Autoreifen ist echt passend. Nur leider hat Herr Remmel den Vergleich falsch interpretiert (Reifen sind vielleicht nicht sein Ding, hoffentlich wenigstens Landwirtschaft und Umwelt). Jedenfalls gibt es ja nicht nur die tollen Premiumreifen, sondern eben auch echte Billigprodukte, die zwar als sichere Qualitätsreifen beworben werden über diese Merkmale aber eben nicht verfügen (wie in unabhängigen Reifentests ja immer wieder bestätigt).

     

    Als Nahrungsmittelproduzent kann ich nur sagen, gute, gesunde und sichere Nahrungsmittel müssen nicht teuer sein, können aber auch keinesfalls billig sein. Wir betreiben einen großen Aufwand um sichere und qualitativ hochwertige Nahrungsmittel zu produzieren. Das geht aber eben nicht für lau. Wenn es billig sein soll, dann müssen wir eben an der Produktion etwas ändern, eben auf Kosten der Qualität und Sicherheit.

    Was vielleicht so gut wie niemanden in der Bevölkerung bewusst ist, dass die Landwirte kaum Einfluss auf die Preisgestaltung haben. In der Regel wird der Preis vom Markt bzw. den Aufkäufern bestimmt, bloß die stehen in der Regel nicht in der Kritik, sondern schreiben frech auch noch Kommentare zu diesem Thema (Jan Kunath, REWE-Vorstandsmitglied). Aus seiner Sicht kann man sagen, dass gutes Essen nicht teuer sein muss, wenn man selbst den Preis diktiert.

  • S
    Suppenhuhn

    @ Falmine:

    Auch beim selbst kochen gibt es massive Qualitätsunterschiede. Ein TK-Suppenhuhn aus dem Supermarkt wiegt 1-2kg, beim Metzger wiegt das halbe(!) Suppenhuhn 2,5kg. Es konnte länger leben, hat damit mehr Futter gekostet, gibt aber auch die wesentlich schmackhaftere Suppe.

    Und beim Suppengemüse geht es weiter, im Supermarkt muss es hauptsächlich lange schön aussehen und billig sein, Geschmack ist Nebensache.

     

    Gute Lebensmittel sollen Geld kosten. Die Erzeuger guter Lebensmittel müssen(!) dafür entsprechend entlohnt werden, sonst will den Job niemand mehr machen. Und jeder in unserem Land sollte über ausreichend Geld verfügen können, um sich vernünftig zu ernähren. Wenn das heißt, dass an Harz4 irgendwas faul ist, ist das ja nichts Neues.

  • F
    Falmine

    Wenn es tatsächlich so wäre, wie Sarah Wiener behauptet, schlösse sie bewusst rund ein Drittel unserer Bevölkerung von gutem Essen aus, weil es das nicht täglich bezahlen kann. Das kann aber niemand wollen.

    Ich glaube nicht, dass gutes Essen teuer sein muss. Die Voraussetzung für "gut" ist für mich zunächst einmal selbst gekocht - keine Fertiggerichte.Deshalb helfen auf Dauer Kochkurse für alle mehr statt elitärer Preisgestaltung bei Bioprodukten, die sich viele nicht leisten können.