Streit der Woche: Hat die EU den Nobelpreis verdient?
Die EU soll am 10. Dezember den wichtigsten Friedenspreis bekommen. Die Staatschefs jubeln. Doch die EU ist gar nicht so friedlich, bemängeln Kritiker.
Der Friedensnobelpreis ist die bedeutendste internationale Auszeichnung im Bemühen um eine friedlichere Welt. In diesem Jahr soll sie die Europäische Union bekommen. Zur Begründung schrieb das Norwegische Nobelkomitee, die EU und ihre Vorgänger hätten "über sechs Jahrzehnte zur Förderung von Frieden und Versöhnung beigetragen".
Frankreich und Deutschland hätten drei Kriege ausgefochten. „Heute ist Krieg zwischen Deutschland und Frankreich undenkbar. Das zeigt, wie historische Feinde durch gut ausgerichtete Anstrengungen und den Aufbau gegenseitigen Vertrauens enge Partner werden können.“
Die Präsidenten des Europäischen Rates, der EU-Kommission und des EU-Parlaments – Herman Van Rompuy, José Manuel Barroso und Martin Schulz – werden den Friedensnobelpreis am 10. Dezember in der norwegischen Hauptstadt Oslo gemeinsam entgegennehmen. Auch die Bundeskanzlerin Angela Merkel wird an der Verleihung teilnehmen. Alle wollen sich im Glanz des prestigeträchtigen Preises sonnen.
Vor allem die Staatschefs und Amtsträger begrüßten die Verleihung des Friedensnobelpreises an die EU: Angela Merkel nannte die Vergabe eine "wunderbare Entscheidung". Guido Westerwelle sagte, die EU sei das erfolgreichste Friedensprojekt der Geschichte. Auch der deutsche Altkanzler Gerhard Schröder befürwortete die Preisverleihung als "eine deutliche Absage an Nationalismus und Kleinstaaterei". EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso bezeichnete sie als "große Ehre für unsere 500 Millionen Bürger, alle Mitgliedstaaten und europäischen Institutionen".
„Kein Vorkämpfer für den Frieden“
Den kompletten Streit der Woche lesen Sie in der sonntaz vom 08./09. Dezember 2012. Am Kiosk, eKiosk oder gleich im Wochenendabo. Und für Fans und Freunde: facebook.com/sonntaz.
Doch die hohe Auszeichnung für die Europäische Union bleibt sehr umstritten. Drei frühere Preisträger, der südafrikanische Erzbischof Desmond Tutu, der argentinische Menschenrechtler Adolfo Peréz Esquivel und die nordirische Friedensaktivistin Mairead Maguire forderten in einem gemeinsamen Schreiben die Stockholmer Nobelstiftung auf, die Verleihung des Friedensnobelpreises an die EU zurückzuziehen.
Sie erklärten, dass die EU "eindeutig kein Vorkämpfer für den Frieden" sei, und dass der Wille des Preisstifters Alfred Nobel durch die Entscheidung des Komitees verfälscht würde. "Die EU strebt nicht nach der Verwirklichung von Nobels globaler Friedensordnung ohne Militär", schrieben sie weiter. Die EU gründe kollektive Sicherheit auf militärischen Zwang und die Durchführung von Kriegen.
Auch die russische Menschenrechtlerin Swetlana Gannuschkina kritisierte die Auszeichnung. Sie bezeichnete die Verleihung des Preises an eine staatlich bürokratische Struktur wie die EU als „lächerlich“. Sie beklagte, dass sich die Behörden der EU ziemlich gleichgültig gegenüber Problemen von Frieden, Demokratie und Menschenrechten zeigen.
Und was denken Sie? Hat die EU den Nobelpreis wirklich verdient?
Diskutieren Sie mit! Die taz wählt unter den interessantesten Kommentaren ein oder zwei aus und veröffentlicht sie in der sonntaz vom 08./09. Dezember. Der Kommentar sollte etwa 900 Zeichen umfassen und mit dem Namen und der E-Mail-Adresse der Autorin oder des Autors versehen sein. Oder schicken Sie uns bis Mittwochmittag eine Mail an: streit@taz.de
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Proteste in Georgien
Wir brauchen keine Ratschläge aus dem Westen
Kohleausstieg 2030 in Gefahr
Aus für neue Kraftwerkspläne
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Russlands Nachschub im Ukraine-Krieg
Zu viele Vaterlandshelden