Streit der Woche über Versuche an Affen: "Kein Mitgefühl für leidende Menschen"
Versuche an Affen sind ethisch nicht vertretbar sagt Grünenpolitikerin Renate Künast. Dagegen sieht der Bremer Neurobiologe Andreas Kreiter in der Diskussion eine Doppelmoral.
BERLIN taz | Renate Künast, Vorsitzende der Grünen im Bundestag, fordert ein generelles Verbot von Experiemente an Primaten. "Vager Erkenntnisgewinn rechtfertigt nicht das Leid von Tieren", schreibt sie im Streit der Woche in der sonntaz. Affen seien hoch entwickelte, intelligente Tiere, die in ihrem Sozialverhalten und ihren emotionalen Bedürfnissen den Menschen sehr ähnlich sind.
Künast verurteilt in der sonntaz konkret die Affenversuche des Bremer Neurobiologen Andreas Kreiter. Diese seien "ethisch nicht vertretbar" und "ohne konkreten wissenschaftlichen Nutzen".
Kreiter experimentiert seit über zehn Jahren mit Makakenaffen. Seine Grundlagenforschung soll später etwa Epileptikern oder Parkinsonpatienten helfen. Für die Versuche werden die Affen mit im Kopf verankerten Bolzen fixiert, es werden Messelektroden ins Gehirn eingeführt, während sie Aufgaben am Computer lösen müssen.
Den gesamten Streit der Woche lesen Sie in der aktuellen vom 22. Mai 2010 – ab Sonnabend zusammen mit der taz am Kiosk.
"Versuche mit Makaken spielen eine zentrale, nicht ersetzbare Rolle für die Erforschung der Funktionsweise des Gehirns", schreibt Kreiter in der sonntaz. Man müsse sich fragen, ob ein generelles Verbot solcher Versuche ethisch zu rechtfertigen sei, "weil damit die Möglichkeit verwehrt wird, Erkrankungen des Gehirns zu heilen".
Zudem akzeptiere unsere Gesellschaft hunderttausendfach mehr Tiere für belastendere aber verzichtbare Verwendung in Sport, Freizeitvergnügen, Nahrungsmittelprodzuktion und Schädlingsbekämpfung. Kreiter spricht in diesem Zusammenhang von einer Doppelmoral.
Margot von Renesse, Vizevorsitzender der Deutschen Parkinsonvereinigung und ehemalige SPD-Bundestagsabgeordnete, ist der Meinung, dass Tierversuche prinzipiell möglich sein sollten. Wenn sie erforderlich seien, "um Heilungsmöglichkeiten für schwere Erkrankungen zu verbessern und Erkenntnisse in der Grundlagenforschung zu gewinnen, müssen Tierversuche möglich sein", schreibt sie in der sonntaz. Leider empfinde nicht jeder Tierschützer Mitgefühl für leidende Menschen.
Wolfgang Apel, Präsident des Deutschen Tierschutzbundes, kritisiert Tierversuche an Affen. "Wir müssen andere Wege finden, an wissenschaftliche Erkenntnisse zu gelangen", schreibt er in der sonntaz. Für die Erforschung des menschlichen Gehirns stünden andere Methoden zur Verfügung, bei denen keine Affen gequält werden müssen. "Die Vermehrung von Wissen ist ein menschliches Kulturgut. Doch die Freiheit der Forschung endet dort, wo andere wichtige Güter verletzt werden. Ein solches Gut ist der im Grundgesetz verankerte Tierschutz."
Im Streit der Woche äußern sich zudem Matthias Kleiner, Präsident der Deutschen Forschungsgesellschaft, Norbert van Kampen, Vorsitzender der Deutschen Epilepsievereinigung, die Travestiekünstlerin Olivia Jones und Silke Bitz vom Verein Ärzte gegen Tierversuche.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Entlassene grüne Ministerin Nonnemacher
„Die Eskalation zeichnete sich ab“
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin