Streit der Woche Informationsfreiheitsgesetz: "Der Staat darf niemanden verraten"
Mehr Transparenz stärke das Vertrauen in die Verwaltung, findet Datenschützer Peter Schaar. Zu viel Transparenz könne gefährlich sein, hält CDU-Politiker Kauder dagegen.
![](https://taz.de/picture/299988/14/streit.20100902-15.jpg)
Für Peter Schaar, Bundesbeauftragter für Datenschutz und Informationsfreiheit ist Transparenz in einer demokratischen Gesellschaft von großer Bedeutung. „Sie ermöglicht eine aktive Mitgestaltung und stärkt das Vertrauen in die Verwaltung“, schreibt Schaar in der sonntaz.
Der Staat sollte sich über die Schulter schauen lassen, fordert auch der ehemalige Vorsitzende des Innenausschusses im Bundestag Sebastian Edathy. Mit dem Zugang zu amtlichen Informationen, würde jedem Bürger die Möglichkeit geboten, ein Stück Souveränität selbst auszuüben, sagt der SPD-Politiker taz.de. „Annahmen wonach der Handlungsspielraum der Regierung eingeschränkt würde, sind unrichtig“, sagt Edathy. Vielmehr könne durch die aktive Beschäftigung mit der Rolle der Verwaltung politisches Engagement geweckt werden.
Seit 2006 soll das Informationsfreiheitsgesetz Bürgerinnen und Bürgern amtliche Informationen zugänglich machen. Zahlreiche Ausnahmen und Barrieren machen es jedoch schwer, gewünschte Einsicht in die Datenbanken zu erlangen. Anfragen werden mit Verweis auf Urheberrecht, hohen Verwaltungsaufwand und Sicherheitsfragen abgeblockt. Die Kritik, sie würden mit der Veröffentlichen geheimer Dokumente zum Krieg in Afghanistan auch die Sicherheit gefährden, mussten sich jüngst auch die Internet-Plattform Wikileaks gefallen lassen.
Die Server von Wikileaks stehen in Schweden. Einen Grund dafür sieht der schwedische Kommunikationswissenschaftler und Blogger Christopher Kullenberg im dortigen Pressefreiheitsgesetz – dem ältesten der Welt. „Transparenz macht Institutionen öffentlich überprüfbar“, sagt Kullenberg im Streit der Woche in der sonntaz. „Mit dem ständigen Wissen im Hinterkopf, dass er für seine Handlungen zur Verantwortung gezogen werden kann, handelt der Staat auch dementsprechend.“ Auf diesem Weg könne Demokratie zu jeder Zeit praktiziert werden, sagt der schwedische Blogger.
Den gesamten Streit der Woche finden Sie in der aktuellen sonntaz vom 21. / 22. August - ab Samstag mit der taz am Kiosk oder direkt in ihrem Briefkasten.
„Würde der Staat uns alles verraten, wäre das eine Katastrophe“, findet hingegen CDU-Politiker Siegfried Kauder. Gerade bei Fragen der inneren und äußeren Sicherheit sei Diskretion und Geheimhaltung oberstes Gebot, schreibt der Leiter des Rechtsausschusses des Bundestags im sonntaz-Streit. „Sonst würden SoldatInnen und PolizistInnen gefährdet werden. Der Staat muss informieren, er darf darf aber nichts und niemanden verraten.“
In Niedersachsen wurde das Informationsfreiheitsgesetz noch nicht eingeführt. „Denn die angestrebte Transparenz ist bereits nach geltendem Recht gewährleistet“, schreibt der niedersächsische Innenminister Uwe Schünemann in der sonntaz. Schünemann verweist auch auf zusätzlichen Kosten, die durch die Gesetzeseinführung entstehen würden.
Im Streit der Woche äußerten sich auch Bundestagsvizepräsidentin und Vorstandsmitglied der Linksfraktion Petra Pau, Simon Rogers, Netz-Redakteur bei „Guardian“, die Bremer Bürgermeisterin und Grünen-Politikerin Karoline Linnert, der Sprecher der Bundeswehr Oberstleutnant Dietmar Birkeneder sowie taz.de-Leserin Heike Popp.
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