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Streit der Woche Hartz IV"Es ist kein Wunschkonzert"

Darf der Staat bestimmen, wie Arbeitslose leben? Hartz IV lasse weder Blumen noch Urlaube zu, kritisiert Linke-Politikerin Katja Kipping.

Suppenküche des Diakonischen Werks: Eine Extraportion Linsensuppe gibt es noch. Bild: dpa

Die Diskussion um Zigaretten produziere vor allem Nebelschwaden, argumentiert die Leiterin des Sozialausschusses im Bundestag, Katja Kipping (Linke). „Sie lenken davon ab, dass auch Blumen und Urlaube im Regelsatz nicht vorgesehen sind“, schreibt sie im Streit der Woche der sonntaz. Der niedrige Hartz-IV-Tagessatz lasse keine Suchtexzesse zu. Außerdem werde bei der Berechnung der Tagessätze teilweise auf Menschen verwiesen, die bereits Hartz IV bekommen.

Vorige Woche hatte die Bundesregierung Berechnungen zum Existenzminimum in Deutschland vorgestellt. Bald soll es kein Geld mehr für Tabak und Alkohol geben, wurde bekannt, denn sie gehören laut Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) nicht zum Grundbedarf. Der Regelsatz für Hartz IV werde um fünf Euro angehoben. Die taz fragte daraufhin im Streit der Woche: „Darf der Staat bestimmen, wie Arbeitslose leben?“

Guido Grüner vom Arbeitslosenselbsthilfeverein Oldenburg (ALSO) erzählt aus dem Alltag von Langzeitarbeitslosen. „Das armselige Leistungsniveau von Hartz IV bestimmt den Lebensstil“, schreibt Grüner. „Ich bin 'Schnäppchenjäger', auf Billigstprodukte angewiesen.“ Mit einem Tagessatz von 3,94 Euro seien Leistungsempfänger auf Produkte verwiesen, die nur unter Raubbau an Mensch und Natur produziert werden können. Am 10.10. organisiert Grüner deshalb eine Demonstration, bei der monatlich 80 Euro mehr für Essen gefordert wird.

Der Begründer des Kinderprojekts Arche, Bernd Siggelkow, hingegen befürchtet, dass Leistungen für Bildung auch bei den Kindern ankommen. „Ich befürchte, dass, wenn diese in Form von Geld in die Familien gegeben werden, dann damit andere Löcher im Haushalt gestopft werden,“ argumentiert Siggelkow. Dennoch dürften Alternativen wie Bildungschipkarten nicht zur Stigmatisierung von Kindern aus Hartz-IV-Familien führen. Und auf keinem Fall dürfe es Gutscheine geben: „Die haben den Beigeschmack von Almosen.“

Bild: taz

Diese und viele weitere Geschichten erscheinen in der sonntaz vom 02./03. Oktober 2010. Ab sofort mit noch mehr Seiten, mehr Reportagen, Interviews und neuen Formaten. Die sonntaz kommt jetzt auch zu Ihnen nach Hause: per Wochenendabo.

Der taz.de-Leser Gunther Holzhofer hingegen fordert Respekt, „von denen, die nehmen, gegenüber denen, die von ihrer Arbeit Lohn was hergeben.“ Wer nicht wolle, dass der Staat ihm vorschreibt, was er zu tun habe und wie er leben dürfe, müsse sein Leben in die eigene Hand nehmen. „Es ist kein Wunschkonzert, aber wer Hilfe braucht, bekommt diese. Punkt.“

Im Streit der Woche äußern sich außerdem die Sozialministerin von Mecklenburg-Vorpommern, Manuela Schwesig, der Arbeitsmarktexperte des Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung, Karl Brenke, sowie taz-Leser Andre Berthy.

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5 Kommentare

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  • BB
    Bla Blubb

    @Roter Ritter

     

    Ist nicht ernst gemeint aber ich konnts mir nicht verkneifen:

    Der Polizeihund geht auch arbeiten!

  • D
    diplom_hartzi

    Warum sollten meine Kinder Chipkarten für Nachhilfe benötigen? Schließlich erteile ich als 1 € -Jobberin eben diese Nachhilfe, dazu Ganztagsschul- und außerschulische Bildungsangebote. Aber die eigenen Kinder sollen automatisch doof sein?

  • A
    Amos

    Was heißt darf? Der Staat bestimmt und damit basta. Wen das Volk will, dass es mitbestimmen kann, darf es der FDP keine 15% geben. Denn diese 15% haben die FDP Größenwahnsinnig gemacht. Man stelle sich vor dieses Lobbykratenpack würde die Mehrheit haben-, dann könnten die Bedürftigen ihren eigenen Darm auffressen.

    Die Merkel ist nur ein Abziehbildchen in dieser Koalition. Sie tut nur so als ob. In Wirklichkeit wird sie gegängelt von der FDP und dem "Geldadel". Das Volk muss sich selbst helfen, indem es diese Clique abwählt.

  • A
    Amos

    Die Würde des Menschen ist zwar im Grundgesetz verankert-, aber stimmt hier die Kassenlage nicht, dann wird bei diesen politischen Möhnen hier, das Grundgesetz zur Makulatur. Beim Neoliberalisimus gilt nicht der Mensch, sondern die Kassenlage und die Höhe der Parteispenden. Das Volk ist der Souverän und die Politiker nur der Vertretet desselben. Also müsste doch eigentlich das Volk bestimmen dürfen, dass das Handaufhalten der Volksvertreter verboten wird. Ich könnte wetten, dass dann bei anständigen Politikern auch wieder anständige Politik für und nicht gegen das Volk geführt würde. Die Menschen können unten nicht mehr würdig leben, weil die da oben unwürdig leben. Ich persönlich glaube, dass sich mit Willy Brandt die Moral aus der Politik verabschiedet hat.

  • RR
    Roter Ritter

    Das Bundesverfassungsgericht sagte im Urteil vom 9. Februar 2010

    Hartz IV verstößt gegen artikel 1 des grundgesetz"Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt."

    Drei dinge braucht das Land.

    Eine neue Regierung.

    Hartz IV muss Weg.

    Und Die Linke bekommt 56% bei der nächsten wahl.

     

    Dann bekommt auch ein Kind mehr zu Essen

     

    als ein Köter.

     

    Hartz-IV-Bezieher/innen bekommen mit 4,32 € Futtertagessatz weniger als ein Polizeihund.

     

    Dem wird 6,80 € pro Tag zugestanden.Ein Hund ist mehr wert als ein Mensch und das sagt eine

     

    christliche Partei CDU/CSU...und die SPD

     

    Die Menschenwürde gibt es nicht in Deutschland

    aber eine Hundewürde...

     

    Von einer HUNDEWÜRDE hat das gericht nicht gesprochen..