Streiks in Bolivien: Minenarbeiter gegen Morales

Im Streit zwischen Regierung und Gewerkschaften gibt es eine vorläufige Kampfpause. Präsident Evo Morales bereitet derweil seine Wiederwahl vor.

Demos und Straßenblockaden: Minenarbeiter wollen ihren Protest unterbrechen. Bild: dpa

BUENOS AIRES taz | Boliviens Staatspräsident Evo Morales bläst der Wind kräftig ins Gesicht. Sechzehn Tage lang hatten die ArbeiterInnen das Land mit Streiks, Demonstrationsmärschen und Straßenblockaden zum großen Teil lahmgelegt. Seit Mittwoch herrscht jetzt eine 30-tägige Kampfpause.

Mit der Forderung nach einer 100-prozentigen Rente gemessen am Durchschnitt der letzten 24 Lohnabrechnungen hatte der Gewerkschaftsdachverband Central Obrera Boliviana (COB) am 6. Mai zum Generalstreik aufgerufen. Als Argument diente die bereits seit über einem Jahrzehnt bestehende Regelung, nach der in den Ruhestand gehende Militärangehörige 100 Prozent ihres letzten Soldes als Pension erhalten. Unterstützt wurde der Ausstand von den Minen- und Fabrikarbeitern, den Angestellten im Gesundheits- und Bildungswesen und von den unteren Rängen der Polizei.

Zeitweise kam es zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen den Streikenden und Einheiten der Polizei. Mit Dynamitstangen sprengten Bergarbeiter auf ihrem Marsch in die Regierungsstadt La Paz Teile einer Brücke in die Luft. Güter und Reisende kamen nicht an, weil die Landstraßen mit Steinbrocken übersät waren. Eine in Bolivien beliebte Form der Verkehrsblockade. Spannungsgeladen war die Stimmung vor allem in der Hauptstadt La Paz. Hier hatten sich mehrere tausend streikende Bergarbeiter zu Straßenblockaden niedergelassen.

Jetzt haben sich Regierung und COB auf eine 70-prozentige Rente auf den Durchschnittsverdienst der letzten 24 Lohnabrechnungen nach 30 Arbeitsjahren geeinigt. Bisher wurden die letzten 72 Lohnabrechnungen umgerechnet. Die Neuregelung würde eine leichte Anhebung der Rentenbezüge bedeuten. Die Einzelheiten sollen in der Kampfpause ausgearbeitet werden und dann in einer Rentenreform gesetzlich geregelt werden.

Regierungstreue Gewerkschaften mobilisieren

Die Bergarbeitergewerkschaft FSTMB stimmte der Vereinbarung nicht ausdrücklich zu. „Aber wir werden La Paz verlassen, weil wir keine Konfrontationen mit anderen sozialen Organisationen wollen“, sagte FSTMB-Generalsekretär Miguel Zubieta Miranda. Regierungsfreundliche Organisationen, darunter die Gewerkschaften der Landarbeiter, mobilisieren für Freitag zu einer Unterstützungsdemonstration für die Regierung nach La Paz.

Für den Fall, dass es in 30 Tagen nicht zu einer Einigung kommt, haben COB und FSTMB bereits die Wiederaufnahme der Kampfmaßnahmen angekündigt.

Gut ein Jahr vor der Präsidentschaftswahl 2014 ist die Auseinandersetzung um die Rentenreform auch ein Kräftemessen zwischen dem Präsidenten und seinen außerparlamentarischen Kritikern. Politisch sitzt Evo Morales mit seiner Partei MAS (Bewegung zum Sozialismus) fest im Sattel. Die Opposition ist zu sehr in regionale Interessen zersplittert. Innerparteilich ist gegen Morales weder ein Herausforderer erschienen noch ein aussichtsreicher Nachfolger.

Verfassung ist „nur eine allgemeine Bestimmung“

Wie stark Morales’ Stellung auch gegenüber der Justiz gegenwärtig ist, hat das Gerangel um seine erneute Kandidatur gezeigt. Die neue Verfassung von 2009 lässt nur zwei Amtsperioden zu und erwähnt explizit, Amtszeiten vor Inkrafttreten der Verfassung seien mitzuzählen. Mit dem Argument, das sei nur „eine allgemeine Bestimmung“, gab das Verfassungsgericht grünes Licht für Morales dritte Kandidatur. Anfang der Woche ließ Morales dies mit seiner Parteimehrheit im Kongress per Gesetz bestätigen. Damit ist der Weg zur Wiederwahl endgültig frei. Letzte Umfragewerte sehen ihn bei 60 Prozent Zustimmung.

Die einzige ernstzunehmende Opposition stellen die Gewerkschaften dar, allen voran die COB. Der von den Minenarbeitern dominierte Dachverband hat sich bereits mehrfach mit der Regierung angelegt.

Insofern ist es nicht unwahrscheinlich, dass es in 30 Tagen zu keiner Einigung über die Rentenreform kommt und die Streiks aufs Neue beginnen. Ihre Unterstützung wollen sich die Gewerkschaften etwas kosten lassen.

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