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StreikrechtStreik soll politisch werden

Die Kampagne für ein umfassendes Streikrecht lädt zur Diskussion, um Arbeitskämpfe auszuweiten

Streikende auf den Straßen setzen sich für ihre Recht ein Foto: dpa | Stefan Sauer

Berlin taz | Wenn es um die Verteidigung der Menschenrechte geht, denken viele nicht unbedingt an das Streikrecht der Lohnabhängigen in Deutschland. Zu Unrecht, findet Rechtsanwalt Benedikt Hopmann. „Streikrecht ist ein Menschenrecht und das ist in Deutschland noch längst nicht umfassend verwirklicht.“

Das will der Jurist ändern. Gemeinsam mit der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Stadtteilinitiativen und juristischen Gruppen hat er sich im vergangenen Jahr in der Kampagne für ein umfassendes Streikrecht zusammengeschlossen. An diesem Donnerstag lädt das Bündnis zu einer Diskussionsveranstaltung mit Theresa Tschenker ein, die zum politischen Streikrecht in der BRD nach 1945 promoviert hat. Denn in der Bundesrepublik gibt es im Vergleich zu anderen europäischen Ländern ein besonders restriktives Streikrecht.

Das hat vor allem mit Hans Carl Nipperdey zu tun. Er war in der Zeit des Nationalsozialismus einer der Kommentatoren des Gesetzes zur nationalen Arbeit und hat 1952 während eines Arbeitskampfes ein Gutachten erstellt, das bis heute das Streikrecht maßgeblich beeinflusst. Dazu gehört das Verbot politischer und verbandsfreier Streiks, also eines Arbeitskampfes ohne gewerkschaftliche Beteiligung.

Das Bündnis will die Spuren des NS-Arbeitsrechtlers Nipperdey tilgen. Der Kampf um ein umfassendes Streikrecht gilt einigen der Ak­ti­vis­t*in­nen daher auch als ein Stück Antifaschismus. Das Besondere an der Kampagne ist aber vor allem, dass sie nicht in einem Gewerkschaftsbüro erdacht wurde. Vielmehr hat der Kampf für ein umfassendes Streikrecht in den vergangenen Jahren im Arbeitsalltag vieler prekär Beschäftigter ganz praktisch an Aktualität gewonnen.

Besonders die Arbeitskämpfe der Lieferdienste werden durch das restriktive Streikrecht massiv behindert. Weil die Rider, wie sich die Ku­rier­fah­re­r*in­nen nennen, oft nicht in Gewerkschaften organisiert sind, wird ihnen das Streikrecht abgesprochen. Vor dem Arbeitsgericht haben die Rider in den vergangenen Monaten daher immer wieder ein umfassendes Streikrecht eingefordert. Und dieses etwa durch wilde Streiks auch ganz praktisch ausgeübt „Rechte müssen wir uns erkämpfen, in dem wir sie uns nehmen“, so ein Mitglied der Kampagne für ein umfassendes Streikrecht, der anonym bleiben möchte.

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2 Kommentare

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  • Na mal sehen, wie um das allumdfassende Streikrecht und seinen Beitrag zum "Antifaschismus" bestellt ist, wenn AfD nahe Bauernverbände, Kohle Lobby oder demnächst vielleicht auch Betroffene einer schrumpfenden Autoindustrie ihre politischen Ansichten erstreiken wollen. Ich finde eine Trennung zwischen Streikrecht und Demostrationsrecht durchaus sinnvoll.

  • Diese ganze NS-Hintergrund ist für die Frage einer Änderung vollkommen belanglos. Im Artikel fehlt vielmehr eine Auseinadersetzung mit der Frage, weshalb ein Arbeitgeber politische Themen seiner Angestellten ausbaden soll.

    Gerade in Hinblick auf Frankreich und Skandinavien kann man ganz froh sein, dass wir ein geregeltes Streikrecht haben.