Strategiewechsel beim Stromkonzern: Vattenfall will Braunkohle NICHT loswerden
Update: Vattenfall dementiert Gerüchte um eine Trennung von der Kohleverstromung in Deutschland. Die neue Organisations-Strategie nimmt deutsche Kraftwerke aus.
Update, Dienstag, 21.9.2010: Leider beruht dieser Text auf Falschmeldungen über Vattenfalls Pläne. Vattenfall hat diese Gerüchte inzwischen klar dementiert:
Lediglich in Polen und Dänemark will man sich von Kohlekraftwerken trennen, nicht aber in Deutschland.
Wir bitten für diese Falschmeldung um Entschuldigung.
Die Redaktion
*** Der ursprüngliche Text:
STOCKHOLM taz | Ist es nur ein Rückzug aus der deutschen Braunkohleverstromung oder verschwindet der schwedische Staatskonzern Vattenfall bald ganz vom deutschen Energiemarkt? Diese Frage stellt sich, nachdem Regierungskreise in Stockholm nun bestätigt haben, dass Deutschlands drittgrößter Energiekonzern seine umstrittenen Braunkohlekraftwerke verkaufen soll.
Vattenfall bestreitet diese Informationen im Gegensatz zu früheren Dementis mittlerweile nicht mehr, sondern verweist auf eine Sitzung der Führungsgremien am heutigen Montag. In deren Anschluss werde es eine entsprechende Stellungnahme geben.
Die schwedische Regierung hat Vattenfall-Konzernchef Øystein Løseth die Unternehmensstrategie vorgegeben. Nach entsprechender Ankündigung vor einem Jahr war im August die "Eigentümerdirektive", über die der Staat die grundlegende Ausrichtung der Unternehmenspolitik bestimmt, entscheidend geändert worden.
Galt in der Vergangenheit die Auflage, die Energieproduktion habe sich an "ökologischer Nachhaltigkeit" auszurichten, nur für die schwedische Vattenfall-Mutter, ist dies nun eine Leitlinie für alle Märkte, auf denen Vattenfall aktiv ist. Die Gewinne, die der schwedische Staat auch weiterhin von Vattenfall erwartet, sollen sich also auf eine Produktion gründen, die insgesamt vom Prinzip einer "nachhaltigen Entwicklung" geleitet sein soll.
Die hieraus von Løseth gezogene Konsequenz, ein Ausstieg aus der Braunkohleverstromung in Deutschland - und in absehbarer Zukunft dann vermutlich auch in Polen -, könnte gleichzeitig eine Neubewertung von Kosten und Risiken der sogenannten CCS-Technologie durch Vattenfall beinhalten.
Der frühere Konzernchef Lars Josefsson hatte das Festhalten an der Braunkohle mit der Möglichkeit der Abscheidung und unterirdischen Verpressung von Kohlendioxid und einer deshalb angeblich "CO2-freien Fossilstromerzeugung" gerechtfertigt.
Doch nun mehren sich die Probleme mit deren praktischer Umsetzung. Wegen Schwierigkeiten mit der "Carbon Capture and Storage"-Technologie und galoppierenden Kosten sind Vattenfall-Konkurrenten wie die dänische Dong ganz aus dieser Technik ausgestiegen und haben in der Konsequenz den Neubau von Kohlekraftwerken gecancelt. Und praktisch an allen geplanten Standorten für unterirdische CO2-Speicher formiert sich Widerstand in der Bevölkerung,
Neben klimapolitischen Erwägungen spielt offenbar auch die mangelnde Rentabilität des Auslandsengagements insgesamt und speziell des deutschen Geschäfts eine Rolle bei dem geplanten Ausstieg.
Vattenfall ist vom Fiskus ein Renditeziel von 15 Prozent des Eigenkapitals verordnet worden. In den vergangenen beiden Geschäftsjahren lag der Gewinn jeweils rund eine Milliarde Euro darunter. Daher will Vattenfall Medienberichten zufolge seine Aktivitäten "konzentrieren" und sich aus einigen Ländern ganz zurückziehen.
Noch offen ist die Zukunft für die Vattenfall-AKWs Krümmel und Brunsbüttel, von denen sich nicht nur Teile der schwedischen Opposition, sondern auch der Regierung gern so schnell wie möglich trennen würden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste