Straßenschlachten in Jemens Hauptstadt: Tote und Verletzte in Sanaa
Bei Kämpfen zwischen Regierungsgegnern und Sicherheitskräften sind im Jemen mindestens 38 Menschen getötet worden. Auslöser der Gefechte ist Präsident Salihs Weigerung, zurückzutreten.
SANAA dpa/afp | Bei schweren Gefechten zwischen regierungskritischen Stammeskämpfern und der jemenitischen Armee sind mindestens 38 Menschen ums Leben gekommen. Nach Angaben von Medizinern starben am Dienstag 24 Anhänger des einflussreichen Stammesfürsten Scheich Sadek el Ahmar bei den Gefechten mit Sicherheitskräften in der Hauptstadt Sanaa. Dem Verteidigungsministerium zufolge wurden 14 Soldaten getötet. Die Kämpfe zwischen beiden Seiten dauerten auch in der Nacht zum Mittwoch an, berichtete ein Journalist der Nachrichtenagentur afp.
Auslöser der Gefechte war die Weigerung von Präsident Ali Abdallah Saleh, ein Abkommen zu unterzeichnen, das die Bildung einer Übergangsregierung sowie seinen Rücktritt innerhalb eines Monats vorsieht. Gegen Saleh richtet sich seit Ende Januar eine Protestbewegung, die einen Machtverzicht des seit fast 33 Jahren regierenden Staatschefs fordert.
Sicherheitskräfte des bedrängten Präsidenten Ali Abdullah Salih versuchten am Dienstag, die Residenz des rivalisierenden Stammesscheichs Sadik al-Ahmar in der Hauptstadt Sanaa zu stürmen. Beide Seiten setzten Mörsergranaten, Panzerfäuste und Schnellfeuerwaffen ein. Mindestens 40 Stammeskämpfer, 15 Polizisten und vier Passanten seien ums Leben gekommen, berichtete die Nachrichtenwebseite yemenpost.net. Zahlreiche Menschen seien verletzt worden.
Passanten von Granate getötet
Ein Vertreter des Innenministeriums erklärte, Al-Ahmars Stammeskämpfer hätten das Ministerium angegriffen, um es unter ihre Kontrolle zu bringen. Augenzeugen berichteten hingegen, die Kämpfe konzentrierten sich auf das Anwesen des Stammesscheichs. Dieses stand am Abend weiter unter Beschuss. Auch die vier getöteten Passanten seien in dessen Nähe von einer Granate der Regierungstruppen getroffen worden.
Im belagerten Haus Al-Ahmars war auch eine Abordnung von anderen Stammesführern eingeschlossen. Diese hat vergeblich versucht, die Salih-Truppen zu einem Waffenstillstand zu bewegen. Die Truppen hatten bereits am Vortag die Residenz angegriffen. Dabei waren zehn Polizisten, sechs Stammeskämpfer und zwei Passanten getötet worden.
Oppositionelle fordern Sahlis Rücktritt
Al-Ahmar gehört zum Haschid-Stamm, dem auch Salih angehört, hat sich aber vom Staatschef losgesagt. Der seit 1978 regierende Präsident hatte sich am vergangenen Sonntag geweigert, eine von den Golfstaaten vermittelte Vereinbarung für einen friedlichen Machtwechsel zu unterzeichnen. Stattdessen hatte er die Opposition davor gewarnt, einen Bürgerkrieg anzuzetteln. Die Opposition und die Protestbewegung fordern den Rücktritt Salihs, dem sie Korruption und Gewalt gegen politische Gegner vorwerfen.
Die Oppositionsparteien, denen sich auch Al-Ahmar angeschlossen hat, wären bereit, Salih ins Exil gehen zu lassen. Die jungen Demonstranten fordern, dass er seine Taten vor Gericht verantworten soll. Die Nachrichtenwebseite Marib Press meldete unter Berufung auf die Opposition, kurz vor dem ersten Angriff auf die Residenz des Stammesführers der Haschid am Montag habe in dem Haus eine Versammlung von Oppositionellen stattgefunden.
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