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Strahlung in und um FukushimaDie versteckte Katastrophe

Fukushima ist noch immer nicht unter Kontrolle. Neue Studien zeigen, dass die Japaner deutlich mehr Strahlung abbekommen haben als bisher gedacht.

Nicht nur von hier droht Gefahr: Reaktor 2 in Fukushima Daiichi. Bild: dapd

BERLIN taz | Unkontrollierte Kernspaltungen in einem der Reaktoren von Fukushima - die Nachricht kommt für Japan in einer Zeit, in der die Welt der Atomkraft allmählich wieder in Ordnung zu kommen scheint: Am Dienstag meldete der TV-Sender NHK, ein Vertreter der indischen Regierung sei nach Tokio gekommen, um über das gemeinsame Atomprogramm zu sprechen.

Gleichzeitig fuhren die Stromversorger das AKW Genkai wieder hoch, das im Oktober wegen Unregelmäßigkeiten vom Netz ging. Am Samstag will Gosho Hosoni, der Atomkrisenminister, zum ersten Mal seit dem Super-GAU vom März eine Gruppe von Journalisten zur Atomruine von Fukushima mitnehmen, weil sich die Situation dort "langsam beruhige".

Auch Betreiber Tepco beruhigte prompt: Der neue Zwischenfall werden den Zeitplan nicht gefährden, nach dem die Reaktoren bis Ende des Jahres unter Kontrolle gebracht werden sollen.

Selbst falls das gelingen sollte - die Folgen der Katastrophe sind vermutlich gravierender als bisher angenommen. Die Gefahr durch radioaktive Strahlung ist möglicherweise deutlich höher, als die Regierung offiziell verlautbaren lässt. Ein internationales Wissenschaftlerteam unter Leitung des norwegischen Instituts für Luftuntersuchung Nilu hat auf Basis von internationalen Messdaten errechnet, dass weit mehr des Edelgases Xenon und Cäsium freigesetzt wurde als bislang bekannt.

Wissenschaftler sprechen bei radioaktivem Xenon von der größten Freisetzung außerhalb von Atomtests. Cäsium stellt wegen seiner relativ langen Halbwertszeit eine der größten Gefahren dar. Die Forscher gehen davon aus, dass in Fukushima 42 Prozent der Cäsiummenge von Tschernobyl freigesetzt wurde, heißt es in einer Studie, die in der Zeitschrift Atmospheric Chemistry and Physics erschienen ist. Die Berechnungen müssen aber noch von anderen Wissenschaftlern bestätigt werden.

Auch die Belastung des japanischen Festlandes fällt nach der Studie höher aus: 19 Prozent des totalen Fallouts sei auf japanischem Boden deponiert worden. Einige Tage nach dem Unfall scheint stark radioaktiver Regen mit dem gedrehten Wind über die Hauptinsel Honshu gezogen zu sein. Bisher gingen Experten davon aus, dass an den ersten Tagen nach dem Desaster fast alle radioaktiven Stoffe mit dem Westwind auf den Pazifik hinaus getragen worden sind.

Verstrahltes Meer

Auch die Radioaktivität im Meer ist offenbar nicht einfach verschwunden. Ein aktueller Bericht des staatlichen französischen Strahlenschutzinstituts IRSN beschreibt die Verseuchung des Meeres als die "wichtigste Punkteinlagerung künstlicher Radionukleide, die jemals in der marinen Umgebung beobachtet wurde." Insgesamt 27 Peta-Becquerel, also etwa drei Viertel der Gesamtemission des Cäsiums, seien über die lange nicht kontrollierbaren Lecks in der Atomanlage oder über den Wind ins Meer eingebracht worden.

Dort seien sie weiträumig verteilt worden und stellten eine leichte Belastung der Meeresorganismen dar. Allerdings sehen die französischen Atomexperten durchaus eine "signifikante Verschmutzung des Meerwassers" an den Stränden rund um das AKW, die auch andauernd könnte. Außerdem sei das Vorkommen von Strontium 90 und Plutonium an den Stränden bisher nicht ausreichend untersucht.

Schließlich zeigten die Strahlenmessungen an Fischen und Muscheln vor der Küsten von Fukushima eine "dauernde Verstrahlung". Vor allem Tiere, die das Wasser filterten oder am oberen Ende der Nahrungskette stehen, seien betroffen. "Es ist daher gerechtfertigt", empfiehlt das Institut, "die vor der Küste gefangenen Meerestiere zu überwachen".

Vielleicht sollte sich Yasuhiro Sonoda diese Art der Vorsicht beim Umgang mit verstrahlten Lebensmitteln zum Vorbild nehmen. Der Parlamentsabgeordnete hat nämlich ein Glas Wasser aus einer verstrahlten Pfütze vom Gelände des AKW Fukushima getrunken, um zu beweisen, wie harmlos das Wasser ist.

Obwohl es dekontaminiert worden war, sei Sonoda bei seiner Demonstration vor einer TV-Kamera "deutlich nervös" gewesen, berichten die Nachrichtenagenturen. Er habe das Wasser getrunken, so Sonoda, weil ihn die Journalisten immer wieder aufgefordert hätten, zu beweisen, dass die Region um das AKW sicher sei.

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6 Kommentare

 / 
  • MD
    Martin Der AntiAtomkräftler

    Was das mit dem Cäsium angeht..... schmeiss ma ne Jod tablette ein. Aber wie oben geschrieben dass mit dem überkritisch werden, das macht mir VIEL mehr sorgen. Wir können nur für die Japaner hoffen dass dedr Reaktor sich IRGENDWIE und IRGENDWANN VIELLEICHT stabilisiert. Ansonsten seh ich da schwarz...Nein, warte, weiss, nein Rot, nein eine Staubwolke, hossa, wo sin denn alle Häuser hin.....

  • B
    Branko

    Das Cäsium, mit seiner Halbwertzeit von etwas über 30 Jahren, als den 'schlimmsten Bösewicht' zu brandmarken stellt mal wieder eine Verharmlosung der realen Situation im Sinne der Pro-Atom-Lobby dar (Vorsicht Leute, passt da auf!).

    Klar ist das Scheiße, zumal davon auch rel. große Mengen entstehen, aber nix im Vergleich zu dem, was da verschwiegen wird.

     

    Das Xenon sollte nämlich die Alarmglocken schrillen lassen.

    Denn das Xenon-Isotop, das hier nur ganz am Rande angedeutet wurde, ist zwar nicht direkt ein Problem, wegen seiner sehr geringen Halbwertzeit.

    Es ist aber ein wesentlicher Indikator für die akuten Prozesse die in den teilgeschmolzenen Reaktorkernruinen-Resten vor sich gehen - eben wegen seiner geringen Halbwertzeit.

     

    Mindestens einer der Reaktorblöcke in Fukushima brütet nämlich fleißig weiter an Transuranen - sprich u.a. Plutonium, was bereits auch schon mehrfach in der Umgebung nachgewiesen wurde.

    Da reden wir dann von einem der giftigsten Stoffe überhaupt, hochradioaktiv mit einer Halbwertzeit von über einer Viertelmillion Jahren....

    Cäsium....wie niedlich.

     

    Unabhängige Experten gehen davon aus, daß in Fukushima ca. anderthalb bis über zwei Jahre lang nichts - aber auch wirklich gar nichts - sinnvolles zu machen ist, außer hoffen und beten, daß einer der Reaktorreste nicht doch noch spontan überkritisch wird (sprich: BUMM!), was zwar mit geringer Wahrscheinlichkeit, aber nicht als ausgeschlossen erachtet wird, oder zumindest einer der Kollegen urplötzlich wieder Vollgas gibt, so wie es ja momentan mal wieder den Anschein hat (zumindet fährt einer wieder hoch - wohin, wie stark, wie lange... weiß keiner. Beten und hoffen!), und bei unglücklicher Wetterlage kommt über Tokyo ein kräftiger Fallout runter - DAS wird dann richtig 'spaßig'.

    Da reden wir dann aber alle ganz plötzlich nochmal sehr akut und sehr laut über Kernenergie, das ist jetzt schon sicher.

    [Auch die Börsen wird das dann 'verunsichern', keine Frage :-]

     

    Bis dahin wird so getan, als ob man nur noch die Trümmerreste zusammenfegen braucht, alles quasi schon wieder auf dem Weg der Besserung ist und ansonsten:

    Weitermachen!

  • M
    MSchmidt

    Das ist uebrigens das Video zum Wasser:

    http://www.youtube.com/watch?v=0HrO2H4Sraw

    Kann man Wasser eigentlich 100% dekontaminieren?

     

     

    Die Verstrahlung ist natuerlich ein Langzeitproblem. Dazu gibt es Erfahrung von Tschernobyl, den Atomtests ... Das ist ein Lanzeitproblem. Aber was unentschuldbar ist, dass Kinder momentan auf 30 uSv/h Schulhoefen spielen muessen (siehe 1:22)

    http://www.youtube.com/watch?v=vEnrd_ZRwIo

     

    Uebrigens, falls jemand mit dem Gedanken spielt, in Japan's Norden Urlaub zu machen und Angst hat mit dem Zug durch Fukushima zu fahren: Belastung durch eine Durchfahrt vernachlaessigbar, keine (nennenswerte) Strahlungsquelle im Zug (http://vimeo.com/31438688)

  • W
    Westberliner

    Aus meiner Sicht hätten von Anfang an alle 128.000.000 Japaner evakuiert werden müssen.

  • M
    Michel

    Jetzt bin ich baff! Und ich dachte das was ich zuvor zu lesen bekommen habe wäre die Wahrheit. Nicht das da in ein paar Jahren noch mehr rauskommt.

    Aber andererseits: wenn dieser Politiker dieser Wasser trinkt kann das ja eigentlich nicht so schlimm sein.

  • TF
    Thomas Fluhr

    Könnte, sollte, Möglicherweise.... was für ein Deutsch. Wenn schon die Offiziellen sich winden, wenigstens die TAZ sollte die Dinge beim Namen nennen. Oder glaubt ihr etwa diese Verlautbarungen. Atomkraft ist kein Spiel. Alle Vermutungen bestätigen sich. Nicht umsonst gibt es eine Antiatomkraft Bewegung. Wenigstens ihr solltet ihr, oder so gar euch selbst glauben. Ein verlogener Artikel.