: Strahlenunfall verschwiegen
Drei Männer in El Salvador durch Todesstrahlen aus Kobaltquelle schwer verletzt / Sterilisationsanlagen werden auch zur Lebensmittelbestrahlung ■ Von Wieland Giebel
Berlin (taz) - Von einer Anlage zur radioaktiven Bestrahlung von medizinischen Instrumenten wurde in El Salvador die Bedienungsmannschaft verletzt. Die drei Männer im Alter von 19 bis 26 Jahren erlitten Verbrennungen und wurden so stark getroffen, daß sie an Symptomen der Strahlenkrankheit erkrankten. Der Unfall fand bereits im Februar statt und wurde von El Salvador geheimgehalten, wie der 'Sunday Star‘ in Toronto jetzt berichtete. Die Kobaltquelle der Anlage stammt von der kanadischen „Atomic Energy of Canada Ltd“. Auch Kanada verschwieg den Unfall.
Die verletzten Männer wurden zur Intensivpflege nach Mexiko -Stadt gebracht und werden dort von einem US-amerikanischen Spezialistenteam des „Strahlen-Notfall-Zentrums“ in Oak Ridge in Tennessee behandelt. El Salvadors Regierung hatte die Mediziner hinzugezogen. Zusätzlich untersucht eine Gruppe der „Pan American Health Organization“ den Unfall. Nach dem Bericht des Oak Ridge Zentrums haben die drei Männer gefährliche Dosen von Radioaktivität abbekommen. Einer von ihnen, der 26jährige Roque Tobar wurde mit einer Dosis bestrahlt, die in der Regel zum Tod führt. Tobar ist noch in Behandlung des mexikanischen Knochenmarkexperten Dr. Raphael Hurlado. Elf weitere Arbeiter wurden untersucht.
In der salvadorianischen Anlage der Firma Delmed werden medizinische Instrumente sterilisiert. Die Bedienungsmannschaft sei nur oberfächlich angelernt worden, habe aber ein Handbuch der kanadischen Lieferfirma erhalten, schreibt der 'Sunday Star‘. Aussagen über den Unfallverlauf könnte nur Roque Tobar machen, der einzige Maschinenoperateur der Nachtschicht, der dazu aber noch immer nicht in der Lage sei.
Diese Anlagen können auch zur umstrittenen Bestrahlung von Lebensmitteln eingesetzt werden, wodurch die Bildung von Keimen verhindert werden soll. Allein in den USA stehen 38 Bestrahlungsquellen, in denen es nach Aussagen eines Umweltinstituts in New Jersey/USA zu mindestens sechs, wahrscheinlich aber zehn schweren Unfällen kam. Einige dieser US-Anlagen verwenden kanadische Strahlungsquellen. Kanada ist der größte Exporteur von Kobaltquellen und verdient daran jährlich über 50 Millionen Dollar. Da Lebensmittelbestrahlung in Nord-Amerika nicht besonders populär sei, werde der überwiegende Teil der Anlagen in die Dritte Welt verkauft, sagte der Sprecher des Umweltinstituts. Es gäbe keine internationalen Bestimmungen über den Verkauf dieser Anlagen. In der Bundesrepublik steht seit 1983 in Allershausen eine Anlage der „Atomic Energy of Canada Ltd.“, die damals 10 Millionen Mark gekostet hat, und wo sieben Arbeitsplätze geschaffen wurden. Eigentümer sind die österreichische „Sempertit“ und die holländische Firma „Gammamaster“, die der holländischen Apothekergenossenschaft gehört. Wie in El Salvador wird in Allershausen Klinikbedarf sterilisiert.
Die kanadische Atomfirma verwies auf die Eigenverantwortung der Länder der Dritten Welt. „Wenn wir radiaoktives Kobalt an irgendein Land verkaufen,“ sagte die Sprecherin Donna Coates, „stellen wir sicher, daß die nationalen Behörden damit einverstanden sind und es einen Strahlenbeauftragten gibt.“ Die Bedienungsmannschaft, so Donna Coates, werde ausgebildet, müsse die Anlage aber dann alleine fahren.
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