Strahlender Stahl importiert: Radioaktives Recycling
Weil in Indien radioaktiv belastetes Metall wiederverwertet wurde, sitzen die Importeure hierzulande nun auf unverkäuflichen Ventilen und Maschinenteilen: Sie sind zu stark belastet.
BERLIN taz Seit August 2008 sind offenbar rund 150 Tonnen Stahl nach Deutschland importiert worden, die radioaktiv belastet sind. Dabei handele es sich sowohl um Vorprodukte wie Edelstahl-Rundstähle zur Weiterverarbeitung als auch um Endprodukte wie Ventile oder Stangen für Maschinen, erklärte das Bundesumweltministerium gestern auf Anfrage der taz. Haushaltsprodukte oder Artikel des täglichen Gebrauchs seien nicht betroffen. Das Material, das überwiegend aus Indien stamme, sei von den zuständigen Strahlenschutzbehörden der Länder sichergestellt worden. Bevölkerung und die Umwelt seien nicht gefährdet gewesen.
Woher die Radioaktivität genau stammt, ist noch ungeklärt. Offenbar sind beim Einschmelzen von Altstahl in indischen Gießereien unbeabsichtigt Kobalt-60-Strahlenquellen in den recycelten Stahl gekommen. Das kann passieren, wenn zum Beispiel Geräte aus der Strahlenmedizin mit in den großen Schmelztiegel kommen.
Die Produkte, die unter anderem in Niedersachsen, Saarland, Rheinland-Pfalz, Berlin und Mecklenburg-Vorpommern gefunden wurden, seien unterschiedlich stark belastet, erklärte das Umweltministerium. Einige von ihnen seien so belastet, dass sie in staatliche Obhut genommen werden müssten. Die Mehrzahl strahle deutlich geringer.
Allerdings machen gerade diese Produkte den deutschen Firmen Probleme. Denn kaum ein Kunde nimmt den Importeuren die belasteten Ventile ab. Die Metallindustrie sei "beunruhigt", erklärte das Ministerium gestern. In den kommenden Tagen würden Gespräche mit allen Beteiligten geführt.
Das Ministerium hatte bereits seit Ende 2008 Hinweise auf solche Lieferungen und hatte dann eine Anfrage an die zuständigen Länderbehörden gestellt. Am Dienstag veröffentlichte das Ministerium eine Pressemitteilung zum Thema, die weitgehend unbeachtet blieb.
Nach einem Bericht im Spiegel ergänzte das Ministerium nun seine Stellungnahme. Dem Nachrichtenmagazin zufolge sprechen Fachleute aus dem Ministerium von einer "riesigen Dimension" und insgesamt 19 Funden. Ein Teil sei bereits nach Indien zurückgeschickt wurden, 5 Tonnen besonders belastetes Material habe die Gesellschaft für Nuklear-Service übernommen, die Energiekonzernen gehört.
"Die kontaminierten Stahllieferungen aus Indien laufen über globale Handelsketten und betreffen viele Länder. Insofern handelt es sich nicht nur um ein deutsches Problem", erklärte das Bundesumweltministerium weiter. Man habe nun "internationale Initiativen ergriffen, um zukünftig kontaminierte Lieferungen aus Indien oder aus anderen Ländern zu verhindern".
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu
Wanted wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
Nach der Gewalt in Amsterdam
Eine Stadt in Aufruhr
Gespräche in Israel über Waffenruhe
Größere Chance auf Annexion als auf Frieden
Krieg in der Ukraine
USA will Ukraine Anti-Personen-Minen liefern