Strafverteidigervereinigung in Berlin: Zschäpe-Anwältin fällt durch
Die Vereinigung Berliner Strafverteidiger will die 42-jährige Anja Sturm nicht an der Spitze ihres Zusammenschlusses.
Die Berliner Strafverteidigerin Anja Sturm wird, so viel ist schon abzusehen, von Frühjahr an zu einer der bekanntesten Anwältinnen Deutschlands werden. Das liegt an der Mandantin, die Sturm zusammen mit zwei Kollegen vor dem Münchner Oberlandesgericht vertreten wird: Beate Zschäpe. Der wirft die Bundesanwaltschaft zehnfachen Mord und Mitgliedschaft in der Terrorgruppe NSU vor.
Die im US-Bundesstaat New York geborene Anja Sturm steht in keiner Weise im Verdacht, eine Szeneanwältin zu sein. Sie ist Strafverteidigerin mit Leib und Seele. Das Zschäpe-Mandat habe sie übernommen, weil sie ein „rechtsstaatliches Verfahren“ gewährleistet sehen möchte, wie die 42-Jährige auf der Homepage ihrer Berliner Kanzlei schreibt – und um sich „jedem Versuch einer Politisierung des Verfahrens von welcher Seite auch immer“ entgegenzustellen.
Doch innerhalb der Vereinigung Berliner Strafverteidiger gibt es nun eine heftige Debatte. Der 62 Jahre alte, linksliberal ausgerichtete Anwaltszusammenschluss, der sich immer wieder auch in hitzige öffentliche Debatten einmischt, hat am Wochenende hinter verschlossenen Türen einen neuen Vorstand gewählt. Für einen der neun Posten trat Zschäpe-Anwältin Anja Sturm an – und fiel nach einer heißen Diskussion unter den an die 200 Anwesenden knapp durch, wie mehrere Teilnehmer übereinstimmend berichten.
Einige linke Anwälte hätten prinzipielle Bedenken gehabt, hieß es, und seien der Überzeugung: Neonazis zu verteidigen gehöre sich nicht. Sollte Sturm gewählt werden, würden sie austreten, sollen sie sogar gedroht haben. Dem hielten dem Vernehmen nach andere entgegen, dass jeder ein Recht auf ein faires Verfahren habe, egal ob mutmaßlicher Kinderschänder, Mörder oder Terrorist, und das Mandat nicht zu beanstanden sei. Dritte befanden: Selbstverständlich dürfe Sturm die mutmaßliche Neonazi-Terroristen Zschäpe vor Gericht vertreten. Gleichwohl sei es das falsche Signal, die Anwältin kurz vor Beginn des NSU-Verfahrens in den Vorstand des Anwaltszusammenschlusses zu wählen. „Zum jetzigen Zeitpunkt wollte ich sie nicht an der Spitze der altehrwürdigen Strafverteidigervereinigung haben“, sagte einer der Teilnehmer der taz. Die Kollegin schätze er dennoch.
So dachten offenbar mehrere. Am Ende jedenfalls reichte es nicht für Anja Sturm. Die gab sich auf Anfrage aber gelassen. „Die Strafverteidigervereinigung ist ja bekannt für ihre regen Diskussionen“, sagte sie der taz. „Das ist ein ganz normaler Vorgang.“ Sie glaube auch nicht, dass ihr knappes Scheitern bei der Vorstandswahl unbedingt darauf zurückgehe, dass sie die Anwältin von Zschäpe ist, so Sturm weiter. Ob sie bei der nächsten Wahl in zwei Jahren noch mal antreten wird, wollte Sturm noch nicht sagen.
Ach ja, einen neuen Vorsitzenden hat die Strafverteidigervereinigung seit dem Wochenende auch. An der Spitze des Zusammenschlusses steht nun der Rechtsanwalt Martin Rubbert.
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