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Strafrecht-Vorschlag der SPD-FraktionGegen verbale sexuelle Belästigung

Bisher blieb verbale sexuelle Belästigung meistens straflos. Die SPD möchte das ändern und legt einen Entwurf für einen neuen Straftatbestand vor.

Sonja Eichwede ist Richterin und rechtspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion Foto: Soeren Stache/dpa

Berlin dpa | Erhebliche verbale sexuelle Belästigung soll nach dem Willen der SPD-Bundestagsfraktion strafbar werden. „Obwohl jede einfache Beleidigung strafbar ist, sind selbst anstößige und einschüchternde verbale sexuelle Belästigungen im Regelfall straflos“, erklärte die rechtspolitische Sprecherin der Fraktion, Sonja Eichwede. Sie verwies auf eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs, der die Aufforderung eines 65-jährigen Mannes an ein 11-jähriges Mädchen, ihm zu folgen, da er „an ihre Muschi fassen wolle“, als nicht strafbar wertete. „Hier besteht Handlungsbedarf“, betonte Eichwede.

Die SPD-Fraktion schlägt einen neuen Straftatbestand vor für „gezielte, offensichtlich unerwünschte und erhebliche verbale und nicht-körperliche sexuelle Belästigungen“, wie es in einem Entwurf für ein Positionspapier heißt, das die Fraktion an diesem Dienstag beschließen will. Es liegt der Deutschen Presse-Agentur in Berlin vor. „Erheblich ist eine Belästigung insbesondere dann, wenn sie eine Person in ein sexuelles Geschehen einbezieht, einen erniedrigenden oder einschüchternden Charakter hat, eine gewisse Dauer hat oder wenn die betroffene Person ihr nicht auf zumutbare Weise ausweichen kann“, heißt es in dem Entwurf.

Zwar gebe es Tatbestände im Strafgesetzbuch und im Gesetz über Ordnungswidrigkeiten, so die Fraktion. Diese seien bei verbaler und nicht-körperlicher sexueller Belästigung in den meisten Fällen aber nicht erfüllt, so dass verbale sexuelle Belästigung im Regelfall straflos bleibe. Auch gegen obszöne und einschüchternde sexuelle Belästigungen gebe es in der Regel keine Handhabe.

„Das ist in einer gleichberechtigten Gesellschaft nicht akzeptabel“, sagte die Abgeordnete Carmen Wegge, die in der SPD-Fraktion für das Thema federführend zuständig ist. „Gewalt gegen Frauen wird in unserer Gesellschaft oft noch immer nicht ernst genommen, obwohl das Ausmaß riesig ist. Auch verbale sexuelle Belästigungen werden verharmlost, dabei sind die Folgen erheblich: von der Vermeidung bestimmter öffentlicher Orte durch Betroffene bis hin zu psychischen Folgen wie Depressionen, Schlafstörungen und Antriebsarmut.“

Es solle nicht um jede Form von Sexismus gehen, so die Fraktion. „Denn die Durchsetzung von moralischen Vorstellungen ist nicht Aufgabe des Sexualstrafrechts.“ Unterhalb einer gewissen Schwelle seien Eingriffe in das sexuelle Selbstbestimmungsrecht aber nicht sanktionswürdig, heißt es in dem Papier. „Darunter fallen unerwünschte Komplimente und Äußerungen mit sexuellem Bezug wie Kussgeräusche und Pfiffe oder auf das Äußere bezogene Kommentare.“

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3 Kommentare

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  • "„Erheblich ist eine Belästigung insbesondere dann, wenn sie eine Person in ein sexuelles Geschehen einbezieht, einen erniedrigenden oder einschüchternden Charakter hat, eine gewisse Dauer hat oder wenn die betroffene Person ihr nicht auf zumutbare Weise ausweichen kann“"

    Diese Formulierung taugt mMn. gar nichts, weil sie wachsweich und unklar ist. Insbesondere, da man sich ja von moralischen Urteilen fernhalten möchte, ist z.B. der Übergang zur Erniedrigung unkllar oder auch die "gewisse Dauer". Ab wann fängt denn die "gewisse" Dauer an? Leider ist dieser Zeitraum völlig "ungewiss"... und was heißt "auf zumutbare Weise ausweichen"? Bedeutet das, dass es Aufgabe der betroffenen Person ist, sich zu wehren oder auszuweichen, andernfalls ist es ihre (Teil-)Schuld? Was heißt "zumutbar" in diesem Sinne? Insbesondere in Bezug auf die hier hergestellte Verbindung von "Einschüchterung" und "zumutbar" wirkt die Formulierung paradox, denn wo verläuft die Grenze für eine "eingeschüchterte" Person, der man offenbar bis zu einem gewissen Punkt dann doch "zumuten" kann, sich der Situation selbst zu entziehen.

    Dass dann sogenanntes Catcalling (letzter Absatz) offenbar damit gar nicht gemeint ist bzw. nicht darunter fällt, entbehrt dann doch jeder Logik, wenn man "verbale sexuelle Belästigung" bestrafen möchte.

  • Okay, also verstehe ich das richtig? Selbst wenn es zu dieser Verschärfung kommt, bleibt »Catcalling« weiterhin straffrei, weil die Frauen, die sowas belästigend finden einfach nur zu hohe »moralische Vorstellungen« haben?

  • Ach was! ©️ Vagel Bülow 🎵

    “Es solle nicht um jede Form von Sexismus gehen, so die Fraktion. „Denn die Durchsetzung von moralischen Vorstellungen ist nicht Aufgabe des Sexualstrafrechts.“



    Na da bin ich ja beruhigt & ich dacht schonn! Woll



    War doch unlängst inne taz noch unter früher Leibesübungen - heute Sport!



    Zum nichtlabialen zweitonPfiff anlässlich des Betretens des 🎾Courts zu lesen!



    “Löste sie den bekannten 🎵Pfiff aus!“ - 🙀🥳 -



    & wie schön - 🎵 kommt auch nicht auf die Rote Liste -



    “Pfeift in Kisrata der Pirol“ - der Pirol =“Vagel Bülow“ =Loriot schonn!



    www.youtube.com/wa...YSBkZXIgcGlyb2w%3D



    (ps nur zur Erinnerung - Max & Moritz - standen auch mal auf dem Index!



    Strukturwandel der Alleinseeligmachenden - 😂 - )