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Strafe wegen "ethnischer Trennung"Massendemo von Ultra-orthodoxen

Weil sie sefardischen Mädchen die Aufnahme auf eine Schule verweigerten, müssen 43 Siedlerehepaare ins Gefängnis. Ihren Haftantritt nutzen sie zur Massendemonstration.

Die Proteste sind der Höhepunkt einer Serie von Konflikten zwischen Ultra-orthodoxen und Staat. Bild: ap

JERUSALEM taz | Mal singend und tanzend, mal betend haben am Donnerstag zehntausende Männer in schwarzen Anzügen und Hüten gegen eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs protestiert. Die "Mutter aller Demonstrationen" begann am späten Vormittag zunächst in Bnei Brak, einer Kleinstadt bei Tel Aviv. Später versammelten sich die Menschenmassen in Jerusalem, wo komplette Straßenzüge über Stunden gesperrt blieben, bis am Nachmittag 43 Ehepaare ihre Haftstrafe antraten und damit den "Preis für Rassismus" bezahlten, wie die auflagenstärkste Tageszeitung Yediot Achronot gestern aufmachte.

Die Verurteilten stammen aus der Siedlung Emanuel im nördlichen Westjordanland, wo ihre Töchter die ultra-orthodoxe Schule "Bnei Jaakow" besuchen. Den Eltern wird "ethnische Trennung" zur Last gelegt. Sie hatten die gerichtlich angeordnete Aufnahme einer Gruppe sefardischer Mädchen verweigert. Sefarden sind Juden orientalischer Abstammung. Die Schule verweigert zwar nicht grundsätzlich die Aufnahme sefardischer Mädchen. Dennoch sind die, die in "Bnei Jaakow" unerwünscht sind, weil sie angeblich die religiösen Gesetze nicht streng genug verfolgen, ausschließlich orientalischer Herkunft.

Unter den weißen und vielen rothaarigen Demonstranten blieben dunkelhäutige Männer entsprechend die Ausnahme. Die Redner vermieden es, den ethnischen Konflikt zu thematisieren, sondern riefen dazu auf, Probleme in den eigenen Reihen künftig allein zu regeln, anstatt sich damit an weltliche Instanzen zu wenden. "Hände weg von unserer Erziehung", rief einer der Rabbiner immer wieder ins Mikrofon mit Blick auf den Obersten Gerichtshof. Die Menge stimmte ihm lautstark zu. Die Führung der orientalisch-orthodoxen Partei Schass trat erst Donnerstag Abend zusammen, um über die Affäre zu beraten. Damit entzog sie sich einer Entscheidung über die Teilnahme an den Demonstrationen.

Die 86 verurteilten Männer und Frauen müssen zunächst nur für zwei Wochen hinter Gitter und genießen eine Reihe von Begünstigungen, wie Versammlungsräume und eine koschere Küche. Außerdem dürfen die stillenden Mütter ihre Säuglinge mitbringen. Zurück bleiben ihre rund 250 Kinder, die die kommenden 14 Tage bei Verwandten oder in Kinderlagern unterkommen müssen.

Die Massendemonstrationen bilden den vorläufigen Höhepunkt einer Serie von Auseinandersetzungen zwischen dem ultra-orthodoxen Sektor und dem Staat. Zu deutlich kleineren aber gewalttätigeren Protesten kam es vor einem Jahr in Jerusalem, wo die Stadt zum Unwillen der frommen Bevölkerung am heiligen Schabbat ein Parkhaus öffnete und später gegen ein Unternehmen, das am Wochenende jüdische Mitarbeiter beschäftigte. Die Verhaftung einer ultra-orthodoxen Frau, die ihren dreijährigen Sohn fast verhungern ließ, bot ebenso Anlass zu heftigen Auseinandersetzungen.

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8 Kommentare

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  • E
    end.the.occupation

    >> das man sogar den Beweis das israel ein Rechtstaat ist wieder zum Anlass für seine diffamierung nimmt...

     

    In einem Rechtstaat gibt es nicht zweierlei Rechtsysteme - so wie in Israel - für Siedler und für Palästinenser.

    Rechtstaaten treiben auch nicht hundertausende von Menschen in einer Enklave zusammen, halten sie dort gefangen - und versuchen sie auszuhungern.

     

    Tip von Karim Ghawary zur Qualität dieses Rechtstaats, der keiner ist - und daher auch nicht diffamiert werden kann:

    "To date, Israeli military courts have convicted only one soldier of wartime abuse during the Gaza conflict, for theft of a credit card."

     

    Aus dem HRW-Bericht: "Israel: Military Investigations Fail Gaza War Victims"

  • V
    vampirengel

    Zionismus nach Hertzl sollte dringend mal gelesen werden. Was fuer ein Quatsch das mit ultraorthodoxer Religionsausuebung gleichzusetzen.

    In Israel die Linken zu unterstuetzen kommt auch keinem in den Sinn, stattdessen tut man sich mit religioesen (DIE IMMER KONSERVATIV SIND!!) Spinnern zusammen (IHH, wenn auch caritativ sind es doch nur Missionare, wie auch PAXChristi) und solidarisiert sich mit Klerikalfschisten alá Hamas!

     

    Wer was an der Blockadehaltung aendern will unterstuetzt die israelische Linke! Alles andere macht ueberhaupt keinen Sinn, denn es betreibt nur weitere Spaltung!

    Was ist eigentlich mit Gilat Schalit? Warum hat die GazaFlottille keinen Brief des Vaters mitgenommen? Allein die Uebergabe Schalits wuerde der israelischen Regierung die Begruendung nehmen GAZA weiterhin zu blockieren, aber das ist nicht im Interesse von HAMAS. Die leben naemlich vom permanenten Kriegs- und Krisenzustand.

  • K
    Kmmunist

    Darauf habe ich gewartet das man sogar den Beweis das israel ein Rechtstaat ist wieder zum Anlass für seine diffamierung nimmt...

    was immer auch passiert es wird gegen Israel verwendet ganz egal was, da wundert es mich auch nicht mehr das immer mehr israelis einen dreck darum geben was die Welt von ihnen denkt. Klar gibt es in Israel mehr als genug Rassismus besonders gegen Araber aber in welchem Land ist das anders?

  • MR
    Michael Reusch-Moosleitner

    Sehr geehrter serry, was hat der Zionismus mit ultra-orthodoxen zu tun.

    Ich finde es erschreckend wie einfach eine Gleichung aufgemacht wird.

    Gilt die Gleichung auch für andere Religionen?

    Sie schreiben von einem faschistischen Unrechtsstaat. Es scheint mir, als wenn hier eine geschichtliche Wissenslücke klafft.

  • E
    emma

    zitat von Thomas Hemberger:

     

    "@end.the.occupation (serry)

     

    Sie agieren hier voller blindwütigem Hass auf den jüdischen Staat und auf alle die anders Denken und argumentieren als Sie, ohne Ihrerseits auch nur ein einziges sachliches und rationales Argument vorzubringen.

    Von all Ihren nachweislichen Falschbehauptungen und unsinnigen Unterstellungen gar nicht zu reden.

     

    Woher kommt eigentlich dieser wahnhafte Hass auf den winzigen jüdischen Staat Israel?"

  • T
    Thomas

    Gibt es eigentlich für die Geschichte im letzten Absatz noch andere Quellen? Habe versucht dazu etwas zu finden, ohne Erfolg.

  • E
    end.the.occupation

    >> Den Eltern wird "ethnische Trennung" zur Last gelegt.

     

    Das ist schon eine sehr interessante Anschuldigung in einem Staat, in dem die Gemeinden per Beschluss den Zuzug von Araber verbieten, staatliches Land (ca. 90%) nicht an Araber verkauft werden darf und Vereine existieren, um jüdische Frauen und Mädchen vor Beziehungen mit Arabern zu warnen - und sie ggf. daraus zu 'erretten'.

     

    Natürlich orientiert sich in diesem ganz offen rassistischen Land auch die soziale Stellung nach der Hautfarbe - bei weitem nicht nur ein israelisches Phänomen natürlich: Je dunkler - desto schlechter. Ganz unten stehen die aus Äthiopien eingeflogenen Juden.

     

    Aber auch die unterliegen natürlich nicht der Diskriminierung und dem Druck, der für die ursprünglichen Bewohner Palästinas, die Araber, ganz 'normal' ist.

     

    (Am Rande ist zu erwähnen, dass die Araber - Muslime und Juden - in Palästina die Mehrheit bilden - und beide Gruppen durchaus einiges miteinander gemeinsam haben. Aber das führt hier ein bisschen zu weit...)

  • S
    Serry

    Der wahre Inhalt des Zionismus wird in die Praxis umgesetzt und bekommen sogar die sefardische, orientalische Juden dies zu spüren. Die Ashkenazi, europäische Juden, wollen den Ton geben und bie Oberhand für sich behalten. Je geringer die Außengefahr zu scheinen mag desto großer die innere Explosion. Die Angst, die der Zionismus der Juden an die Wand immer gemalt hat, vereint bislang die israelis in Palästina, die mit merkwürdiger Geschwindigkeit ( historisch bemessen) in Endstatus.

    Wenn in Israel einer unteroffizierin den Eintritt verbot nach Ramallah für einen US-jüdischen Denker und Weltpersönlichkeit wie Naom Chomsky zu erteilen dann wissen wir wie zionistisch und faschistisch dieser Unrechtsstaat funktioniert.