Strafanzeigen gegen Nokia: Der Staatsanwalt ermittelt
Der finnische Mobilfunkhersteller hat in Bochum jahrelang deutlich weniger Personal beschäftigt als vereinbart. Die NRW-Regierung wusste Bescheid.
KÖLN taz Wegen möglicher Verstöße bei der Subventionsvergabe an das Bochumer Nokia-Werk ermittelt jetzt die Staatsanwaltschaft Bochum. Auslöser des Ermittlungsverfahrens seien Anzeigen von fünf Privatleuten gegen den Nokia-Konzern, sagte ein Sprecher der Schwerpunktstaatsanwaltschaft für Wirtschaftssachen am Freitag. Noch sei aber unklar, ob sich überhaupt genug Anhaltspunkte für einen Subventionsbetrug finden ließen. "Wir befinden uns noch im Stadium der Prüfung." Die nordrhein-westfälische Landesregierung will indes erst Mitte kommender Woche bekannt geben, ob sie wegen der Nichteinhaltung von Stellenzusagen Rückforderungen an den finnischen Handyhersteller stellen wird.
Laut NRW-Wirtschaftsministerium hat eine Prüfung ergeben, dass Nokia in Bochum jahrelang deutlich weniger Mitarbeiter beschäftigt hat, als im Gegenzug zu öffentlichen Subventionen in zweistelliger Millionenhöhe vereinbart war. Demnach unterschritt das Unternehmen die zugesagte Zahl von 2.860 Vollarbeitsplätzen im Jahr 2002 um 318, im Jahr 2003 um 368 und im Jahr 2004 um 347. Derzeit arbeiten noch 2.300 Beschäftigte in dem von Schließung bedrohten Werk. Unklar ist jedoch noch, ob das Land aufgrund der Prüfergebnisse jetzt bis zu 41 Millionen Euro an Fördermitteln zurückfordern kann. "Der Vorgang muss erst abschließend juristisch bewertet werden, dann wird entschieden", sagte Ministeriumssprecher Joachim Neuser.
Ein Problem könnte sein, dass die Vorgängerregierungen unter den Ministerpräsidenten Johannes Rau, Wolfgang Clement und Peer Steinbrück (alle SPD) offenbar darüber informiert waren, dass der Nokia-Konzern seine Zusagen nicht einhielt. Darauf lassen jedenfalls Regierungsvermerke schließen, die dem Focus zugespielt wurden. Aus den von Fachbeamten erstellten Papieren, die von Februar 2004 und Januar 2005 datieren, geht hervor, dass der damalige Wirtschaftsminister Harald Schartau (SPD) umfangreich darüber in Kenntnis gesetzt wurde. Die Beamten warnten ihn sogar, die Personalentwicklung bei Nokia in Bochum werde dazu führen, dass der Konzern bis Ende 2005 "weniger Mitarbeiter beschäftigt als bei Subventionsbeginn".
In den Vermerken ist auch nachzulesen, dass der Landesrechnungshof bereits 1995 Verstöße des Unternehmens gegen Subventionsauflagen festgestellt hatte - mit der Folge, dass der Bund seinerzeit "aufgrund des Prüfberichts eine Komplettrückforderung des Bundesanteils" verlangt habe. Damals sei es jedoch "in enger Zusammenarbeit mit dem Unternehmen" gelungen, den Bund "von einer Rückforderung abzubringen".
Schartau wies die gegen ihn erhobenen Vorwürfe zurück. "Über Subventionsbedingungen habe ich zu keinem Zeitpunkt hinweggesehen", sagte der frühere SPD-Landesvorsitzende und Ex-IG-Metall-Chef von NRW der taz. Die Subventionen seien im Jahr 2001 für den Zeitraum von 2002 bis 2006 bewilligt worden. "Am Schluss dieser Bindungsfrist wäre der Zeitpunkt für die Abrechnung gewesen." Als der dann gekommen sei und eine Rückforderung hätte erfolgen können, habe jedoch nicht mehr Rot-Grün, sondern bereits Schwarz-Gelb in Düsseldorf regiert.
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