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Archiv-Artikel

Stillstand ist der Untergang

Literarischer Longplayer mit Lyrikeinschüben: Der Poetry-Slammer Bas Böttcher legt mit „Megaherz“ seinen ersten Roman vor

Bas Böttcher ist als Rap-Poet bekannt geworden, der auch international bei Poetry Slams Erfolge feierte. Die überzeugende Performance des Autors spielte für das Gelingen seiner Poesie also stets eine entscheidende Rolle. Jetzt hat er mit „Megaherz“ seinen ersten vorrangig still zu lesenden Text veröffentlicht. Bei seinem guten Ruf in der Szene kein geringes Wagnis. Herausgekommen ist ein solider und schnell geschnittener Roman, in dem sich erstaunlicherweise eher die gelegentlich eingestreuten Gedichtpassagen wie Fremdkörper ausmachen. Wenn ein Dichter einen Roman schreibt, dann muss es wohl zwangsläufig zu gelegentlichen Lyrikeinschüben kommen, doch mitten im routinierten Erzählton und ohne dass der Autor ihnen auch akustisch seine Stimme leiht, wirken sie tatsächlich ein wenig naiv und unbeholfen. Auch sind sie unnötige Versuche des sprachlichen Tiefgangs in einer Geschichte, die wie ein flacher Kiesel über glitzernde Wasseroberflächen hüpft.

Linus und Ariane sind ständig in Bewegung, beide verbringen einen großen Teil ihres Lebens im Flugzeug, er als international gebuchter DJ, sie als Flugbegleiterin. Sie schlagen in den Großstädten dieser Welt nur kurz auf, dann treibt sie das eigene Moment weiter. Weil sie sich lieben, kreuzen sich ihre Wege, sooft es geht, reell in Hotels in Frankfurt und New Orleans, virtuell in den Kommunikationsräumen des Internets. Auch dort wird nur gesurft. Innehalten würde versinken bedeuten, und solange niemand die Bewegung infrage stellt, geht es schwebend und springend immer so weiter. Bis Linus mehr will.

Er will unter die Oberfläche, will zum Kern seiner Geliebten vordringen; und weil ihm dies nicht mit ihr im Hotelzimmer gelingt, wählt er den Computer als Schnittstelle. Von einem regelkonform lebensunfähigen Computernerd aus Offenbach erfährt er die Tricks, mit denen er sich von überall aus Zugang zu Arianes Laptop und ihrem E-Mail-Verkehr verschaffen kann, und stößt auf verschlüsselte Botschaften. Bei einem solchen Sicherheitsbruch im Beziehungssystem ist der plötzliche Abfall des Kabinendrucks natürlich vorgegeben. Doch wird es einen Absturz geben, oder einen Absprung?

Etwas Neues ist Böttchers Roman nicht. Anders als mit seiner Poesie bringt er in diesem „literarischen Longplayer“ keinen neuen Ton in die deutsche Literatur, sondern bedient gekonnt einen durchaus bekannten. Doch wenn man bedenkt, dass sich das Personal dieses Nachzüglers der Popliteratur aus DJs und Stewardessen zusammensetzt, ist der Erzählton beachtlich uneitel, nimmt das Namedropping keine beherrschende Stellung ein. Bas Böttcher möchte tatsächlich eine Geschichte erzählen, und das macht er gut.

SEBASTIAN DOMSCH

Bas Böttcher: „Megaherz“. Rotbuch, Hamburg 2004, 158 Seiten, 17,90 Euro