piwik no script img

Stiller ADFCDie Radlerlobby tritt ins Leere

Der ADAC ruft stets lautstark nach mehr Platz für Autos, vom ADFC hingegen ist kaum etwas zu hören. Auch der Radbeauftragte des Senats ist wenig präsent. Den Radlern fehlt die Lobby - ausgerechnet im Wahljahr.

Mit dem Frühling kommen die Schönwetterradler wieder aus ihren Löchern. Nur die Fahrradlobby schläft noch. Bild: dpa, Tobias Kleinschmidt

Die Fahrradhändlerin ist erstaunt. "Der ADFC hat eine Vorsitzende?", fragt sie und denkt nach. "Stimmt, Benno Koch ist ja weg. Wie heißt die Frau?" Gute Frage. Die Händlerin ist Szenekennerin, seit drei Jahrzehnten im Geschäft. Von der Nachfolgerin des polarisierenden, stets präsenten Radlobbyisten Koch hat sie bislang nichts gehört.

Kein Wunder: ADFC-Chefin Sarah Stark ist kaum wahrzunehmen. Egal, ob es um den Umbau der Kastanienallee geht, wo die geplanten Radstreifen für Empörung sorgen, um Ampelschaltzeiten oder die Landespläne zum Verkehr - der ADFC schaltet sich zumindest öffentlich nicht in die Diskussion ein.

Macht nichts, könnte man meinen, der Senat hat ja eigens einen Radbeauftragten für die Belange des pedaltretenden Bevölkerungsteils eingesetzt. Arvid Krenz hat vor einem Jahr die Position eingenommen, die ebenfalls von Benno Koch medienwirksam ausgefüllt worden war. Nur: Auch dieser Nachfolger fällt in puncto Öffentlichkeitsarbeit aus. Den Radlern in Berlin fehlt die Lobby - und das in einer Zeit des Wahlkampfs, in der es auch um Weichenstellungen für den Verkehr der Zukunft geht.

Sarah Stark übernahm vor drei Jahren den Vorsitzend des ADFC. Sie trat ein schwieriges Erbe an: Vorgänger Benno Koch war umstritten. Er galt als Alleinherrscher, dem der medienwirksame Auftritt wichtiger schien als mühevolle Verbandsarbeit. Seine Doppelfunktion als Radlobbyist und Verkäufer der Senatspolitik wurde von vielen kritisch verfolgt. Zugleich schuf Koch Öffentlichkeit für die Belange von Radfahrern.

Beobachter attestieren Stark denn auch, dass sie mehr nach innen wirke. "Seit dem Wechsel wird vieles mehr in die Breite getragen", sagt der BUND-Verkehrsreferent Martin Schlegel. "Es gibt deutlich mehr Menschen, die im Verein aktiv werden wollen."

Der Außenwirkung ist das leider nicht zuträglich. Als der Senat etwa die Fortschreibung des "Stadtentwicklungsplans Verkehr" vorstellte, reagierten ADAC und Wirtschaftskammern prompt mit einer eigens einberufenen Pressekonferenz. Credo: Autofahrer machen den Hauptteil des Verkehrs aus, brauchen Platz und müssen entlastet werden. Nun geht der Trend seit Jahren weg vom eigenen Auto und hin zum Rad, Radwege sind häufig zu eng geworden, Radstreifen fehlen, die Herausforderungen wachsen. Eine Positionierung des ADFC zu den Senatsplänen? Fehlanzeige.

Der Verband sei vom Vorpreschen des ADAC überrascht worden, bekennt Sarah Stark. Außerdem gebe es aus Radfahrersicht nichts Wesentliches an den Senatsplänen auszusetzen. Im Nachhinein betrachtet hätte es besser laufen können, bekennt Stark. Sie sagt, sie erkenne das Problem der fehlenden Öffentlichkeitsarbeit. Man arbeite intern daran. Die Chefin verweist zugleich auf die Schieflage zwischen den zwei Interessenvereinen: Der ADAC hat mehr als 1,1 Millionen Mitglieder in der Region, der ADFC etwa ein Hunderstel davon. Dem weitgehend ehrenamtlich arbeitenden Verband fehlten schlicht Geld und Zeit.

In der Tat wäre es unfair, die beiden gegeneinander aufzuwiegen. Nur regt sich auch ADFC-intern Kritik daran, die Ressourcen lediglich für inhaltliche, der Öffentlichkeit verborgene Aufgaben zu widmen - etwa der Mitarbeit im "Fahrrat" des Landes. Es ist Wahlkampf in Berlin, Verkehrspolitik ist eines der Hauptthemen - da sei öffentliche Positionierung notwendig, heißt es von führenden Mitgliedern, die freilich nicht öffentlich genannt werden wollen.

Die allgemeine Kritik beschränkt sich nicht auf den ADFC - sondern richtet sich auch an den Senatsfahrradbeauftragten. Die "Schonzeit" für Arvid Krenz sei vorbei, murren Beobachter aus der Radszene. Nun wolle man langsam mal etwas von ihm hören, lesen und sehen.

"Das ist zeitintensiv", kontert Krenz. Er verweist auf die Struktur seines Amts und den zeitlich begrenzten Rahmen der Tätigkeit. Und: "Lobbyarbeit ist richtig aufwendig." Krenz bewertet seine Wirkungskraft nach einem Jahr deutlich nüchterner. Er leitet Bürgeranfragen an die Verwaltung weiter, er sitzt in Gremien. Viel mehr schaffe er neben seiner vollen Stelle am Verkehrswesenseminar der Technischen Universität nicht. Um die Möglichkeiten zu erweitern, müsse er "aktiv rausgehen", Kontakte zu anderen Senatsverwaltungen knüpfen. Der Fahrradbeauftragte arbeitet ehrenamtlich und erhält eine Aufwandsentschädigung.

Er bleibt so in seinen Möglichkeiten eingeschränkt und kann nicht viel mehr als ein Ombudsmann für die Detailsorgen von Alltagsradfahrern und Pendlern sein. Der Stellenzuschnitt ist ein Symbol für die oft immer noch stiefmütterliche Behandlung des Radverkehrs in Bezirken und in der Verkehrslenkung. Wo seit Jahren kaum mehr jemand eingestellt wird, haben sich Verwaltungsmitarbeiter festgesessen, die mit dem Leitbild Auto groß geworden sind.

Umso dringender bedürfte es Lobbyisten, die öffentlich die Finger in die Wunden legen. Ungefragt. Permanent. Nicht nur zu Wahlkampfzeiten, aber auch.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

12 Kommentare

 / 
  • A
    alex

    ...leider unterstützt der ADFC die Senatsaktion zur Neugestaltung der Kastanienallee.

    Da sich in Zukunft automatisch PKW- und Transporterfahrer auf die Fahrradspur stellen müssen um ein- und auszuladen, wird nur die Kasse des Ordnungsamtes gefüllt. An Kontrollettis mangelt es jedenfalls nicht. Das ist auch so gewollt.

    Es geht nicht um sicheres Radfahren: Autos fahren noch schneller, und plötzlich geöffnete PKWtüren werden zum Prellbock.

    Für mich wird der ADFC zur Interessenvertretung biderer Ökos, die lieber mit dem Hollandrad und zwei Einkaufsbeutel auf dem Fussgängerweg fahren, sowie Kirchentags- und Ausflugstouristen, die sich i.d.R. nicht mit dem Alltagsverkehr auseinandersetzen müssen.

    So kann der Senat nach Lust und Laune und ohne eine Vision für Berlin Radverkehrswege planen, die im rechten Winkel führen und im Nichts, oder auf dem Bürgersteig enden (Rosenthaler Platz).

    Hauptsache es kommen genug Touristengruppen auf dem Drahtesel die dann planlos, träumend durch die City cruisen und dabei teilweise unfundiertes oder Halbwissen über die Berliner Stadtgeschichte von ausländischen Studenten hören und den Verkehr behindern.

    Ich vermisse die Lobbyarbeit des ADFC für die Alltagsfahrer!

    Ich bin Mitglied in diesem Verein und über seine Arbeit sehr enttäuscht!

  • A
    Arnold

    Ich wünschte mir, dass endlich mal frischer Wind in die Fahrrad(wege)politik kommt, denn viele Radwege sind in erbärmlichen Zustand und nicht mehr zeitgemäß angesichts der erheblich zugenommen Zahl von Radlern, worüber ich mich natürlich freue. Aber wenn sich auf einem 1m breiten Fahrradweg vor Ampeln oft 20 Radler drängeln, ist die Situation schon schwierig und man kann/sollte ja auch nicht auf die Fußgängerwege ausweichen, denn Fußgänger haben ein Recht darauf nicht belästigt oder bedrängt zu werden. Wenn der ADFC aufgrund seiner mangelnden finanziellen Mittel nicht mehr Lobbyarbeit machen kann, ist ihm das kaum vorzuwerfen, denn er hat nun einmal nicht mehr als 1/100 der ADAC-Mitglieder. Vielleicht müssen wir doch wieder "Grün" wählen, um unsere Radler-Interessen wieder angemessen vertreten zu bekommen. Die Grünen haben in Berlin ja nur kurze Zeit mitregiert. Vielleicht haben sie ja noch nicht alles vergessen, wofür sie einmal standen.

  • G
    Göran

    Der Artikel ist ok, jedenfalls kein Vergleich zum Niveau der meisten Kommentare hier ... Meine persönliche Erfahrung mit dem Fahrradbeauftragten: Er kümmert sich, aber nicht mit dem Engagement, das ich mir wünschen würde.

  • A
    Autofahrer

    Zum Glück haben wir AutofahrerInnen ein starke Lobby! Aber leider noch nicht stark genug, die Gängelung geht unaufhörsam weiter.

  • K
    KlausK

    dem adfc kann nur die auflösung empfohlen werden oder - mindestens - bemühungen um eine fusion mit dem vcd, der alle verkehrsteilnehmer vertritt und das schon von jeher ohne den sektiererischen tunnelblick des adfc.

  • P
    Patrix

    Gegen den Lobbyismus der Autoindustrie, sind niemals umweltbewusst!!

  • R
    Robert

    Vielleicht mal hier lesen? Immerhin mal ein Schritt, wenn auch kein großer.

     

    http://www.sanierung-berlin.de/sanwa/Projekte/Warschauer_Strasse/warschauer_strasse.html

  • R
    Rülps!

    Liebe Leute bei der Taz,

     

    das Alter hat euch schwer zugesetzt, ich halte es da mit meinen frommen Wünschen mit G. Seyfried: "Komm rinn in die Distille, dann brauchste keene Brille" und Prost!

     

    P.S. Manchmal wär es wahrscheins hilfreich, die Jung-Redakteure/innenen für ca. 3 Jahre in die PROVINZ zu schicken damit sie mal die Alltags-Sorgen derjenigen ADFC-Mitglieder (womöglich noch mit Kindern oje!) kennenlernen würden, und dann DARÜBER schrieben... ich habe ca. 60000 km auf meinen Böcken, und 3 Kinder...

     

     

     

    Genug geschrieben für das linke Blatt

     

    das doch mal so anders an

  • K
    Kanzow

    Was ist ein ADFC? Kann man das essen? Er soll eine Lobby für Radfahrer sein? Egal, in welcher Frage, er ist kaum wahrzunehmen. Selbst die BVG Neuentscheidung zu den Radwegen hat keine Lawine losgetreten, noch nicht einmal ein Lawinchen. Ist der ADFC doch nur ein Nachtwächter- Verein? Leider deckt sich meine Wahrnehmung der letzten Jahre nahazu 1:1 mit der der Autorin :(

    Zeit für eine Neugründung!

  • HG
    Hort grauenvoller, piefiger Brügerlichkeit

    Die Veröff. ist voll daneben, weil wiedermal ein Schreiberling ans Schreiben gelassen wurde, der offensichtlich nicht recherchieren kann; stattdessen *sinniert*, weshalb der ADFC nicht zu hören, noch zu sehen ist, also keine Radfahrkampagnen und keine Radfahrpolitik mehr vorhanden zu sein scheint.

     

    Klar, ein Blick für den Schreiberling auf die homepage des ADFC Berlin und ein bissiges Nachfragen beim ADFC Berlin hätte ein fachlich versierter journal. Beitrag werden können. Aber so?

     

    Klar, der ADFC (Berlin) scheint, von den Konterfeis und den ent-politisierten Veranstaltungen, die der ADFC Berlin zur Unterhaltung der satt gewordenen Bürgerlichen auszugehen, in einen Hort der Selbstgefälligkeit sich gewandelt zu haben.

    Biederes Bürgertum. Bürgertum ist nicht für Gerechtigkeit und für Aktionen zu haben. Bürgertum hat sich noch nie die Finger *schmutzig* gemacht, sondern sich immer ins gemachte Nest gesetzt und kraft der Pflege der biederen Bürgerlichkeit immer am bürgerlichen Status quo gehangen.

    Es würde mich nicht wundern, wenn ein alternativer ADFC (Berlin) gegründet würde, um den bürgerlichen Schnarchnasen das Leben schwer zu machen.

    So, wie der ADFC (Berlin) sich auf seiner homepage präsentiert, ist der überhaupt nicht attraktiv für Radfahrer/innen. Ausflüge kann man immer noch selber machen. Der ADFC HATTE mal den Anspruch Radfahrpolitik zu vertreten, doch diese Zeiten scheinen mit dem Weggang Benno Kochs zu Ende zu sein.

  • F
    Fussgänger

    Gegen den Lobbyismus der Fahrradindustrie!!!

  • SM
    Stephan Mirwalt

    Ich fahre nur mit dem Fahrrad und empfinde Autofahrern gegenüber nichts als Verachtung.