Stille in Zeiten der Vulkanasche: "Ich bin geplättet vor Glück!"
Ein Interview mit der Fluglärm-Gegnerin Monika Morschel über die Ruhe des Augenblicks, die Geräusche der Natur und die Lasten des Flughafen-Lärms.
taz: Frau Morschel, seit Freitag ruht der Flugverkehr, auch über Bremen. Wie haben Sie diese Tage ohne Fluglärm erlebt?
Monika Morschel: Es war so, dass ich bis Samstagabend gar nicht zu Hause war, sondern auf einer Fortbildung unserer Bundesvereinigung gegen Fluglärm in Frankfurt.
Da ist es einmal ruhig am Flughafen und Sie sind nicht da?
ist Vorsitzende der Bremer Vereinigung zum Schutz Flugverkehrsgeschädigter.
Naja, ich konnte ja nicht. Aber meine Familie hat mich informiert. "Komm schnell nach Hause, es ist so schön", haben die gesagt.
Und das haben Sie dann auch umgehend getan?
Sobald das Seminar zu Ende war. Und dann habe ich den Sonntag im Garten verbracht, bis es nicht mehr ging. War das traumhaft! Eine himmlische Ruhe.
Haben Sie denn da nichts vermisst? Diese plötzliche Stille dort, wo immer Lärm ist, kann ja auch so ungewöhnlich sein, dass man sie fast schon wieder als etwas Bedrohliches empfindet.
Vermisst? Nee, ich bin völlig glücklich, die Natur so zu erleben, wie sie da ist.
Was haben Sie denn stattdessen gehört?
Die Vögel! Man hört die Vögel wieder, wir hören die Leute, die bei uns am Deich hier spazieren gehen und Rad fahren, auch Gespräche miteinander sind wieder in Ruhe möglich. Wenn die Flugzeuge fliegen, müssen wir sie unterbrechen, weil es so laut ist. Ich nehme auch einfach mal die Stille wahr, das ist ein Glück, das uns ja sonst höchstens mal in der Nacht nach zwölf Uhr gewährt wird. Also nicht zu Zeiten, in denen man draußen sein will.
Ich war mal am Rhein in einer Pension, da haben sich Gäste über zu laute Vögel beschwert.
Und ich bin geplättet vor Glück!
Ist es denn bei Ihnen nie ruhig?
Wie laut es tatsächlich ist, merken wir eigentlich erst in diesen Tagen, an denen es so ruhig ist. Da sind ja auch nicht nur die Starts und Landungen, sondern auch so ein Grundrauschen. Das Anlassen der Flugzeuge, dann rollen sie in Warteposition, warten, rollen weiter. Und für die Wartung gibt es keine Halle, die findet auf einem offenen Platz statt. Da ist immer Lärm - und jetzt wird uns so richtig klar, was für einen Verlust an Lebensqualität wir hier erleiden.
Seit wann denn eigentlich schon?
Ich wohne seit dreißig Jahren hier. Dass es eines Tages mal keinen Fluglärm geben würde - ich hätte es nicht gedacht.
Dass es momentan so still ist, dürfte aber nicht nur Ihnen auffallen.
Das ist für viele ein enormes Aha-Erlebnis. Vielen wird bewusst, was dieser Lärm bedeutet. Das kann eine Anregung zum Nachdenken darüber sein, ob dieses Ausmaß an Mobilität wirklich sein muss. Wir wollen den Flughafen nicht abschaffen, aber man sollte darüber nachdenken, ob jeder Furzflug für fünf Euro nach Mallorca sein muss.
Laden Sie doch den Flughafen-Chef Jürgen Bula zum Tee in Ihren stillen Garten ein.
Nee, der war schon mal hier. Wir müssen eher mit der Politik reden.
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