Stig Larssons Olof-Palme-Archiv: Schlampige Polizeiarbeit
Er war überzeugt, das Rechtsextreme Olof Palme ermordet haben. Nun wurde das Palme-Archiv des Krimiautors Stieg Larsson in Schweden veröffentlicht.
STOCKHOLM taz | Immer wenn sich der 28. Februar nähert, erinnern sich die schwedischen Medien daran, dass der Mord an Ministerpräsident Olof Palme nach wie vor ungelöst ist. Erschossen am Freitagabend, dem 28. Februar 1986, 23.31Uhr, Sveavägen Ecke Tunnelgatan, mitten in Stockholms City. Mehr als 20.000 Tipps und Spuren wurden seither verfolgt, über 250 Personen bezichtigten sich selbst der Tat. Doch gefunden wurde der Täter bis heute nicht.
Zum 28. Jahrestag gab es aber mal etwas Neues. 15 Umzugskartons machten Furore, gefüllt mit Material, die der seinerzeitige Skandinavienmitarbeiter der antifaschistischen britischen Zeitung Searchlight in den Jahren nach dem Mord zusammengetragen hatte. Erst nach seinem Tod 2004 sollte er als Krimiautor international berühmt werden: Stieg Larsson. Er war überzeugt, dass der Palme-Mörder im rechtsextremen Milieu zu finden sein müsste.
Die Tageszeitung Svenska Dagbladet gelangte vor einigen Jahren in den Besitz von Larssons Palme-Material, recherchierte selbst drei Jahre lang weiter und kam in der vergangenen Woche mit den Ergebnissen auf den Markt. Tatsächlich könnte wohl der südafrikanische Geheimdienst ein Interesse daran gehabt haben, Palme zu beseitigen. Kein anderer westlicher Staatschef kritisierte die Apartheidpolitik so scharf wie er.
Eine Woche vor seiner Ermordung hielt Palme eine viel beachtete Rede, in welcher er das Apartheidregime mit Hitler und dem Massenmord in den Konzentrationslagern verglich. Und zu verschärften Sanktionen aufrief. Die Südafrika-Spur gilt aber aus einem Grund als unwahrscheinlich. Präsident Nelson Mandela hat in mehreren Interviews persönlich erklärt, die von ihm eingesetzte Wahrheits- und Versöhnungskommission habe nach dem Ende des Apartheidstaats nicht den geringsten Anhaltspunkt für eine mögliche Verwicklung des südafrikanischen Geheimdiensts gefunden.
Nur Polizei war informiert
Letztendlich haben alle Spuren, die von einem geplanten Attentat mit ausländischem Hintergrund ausgehen, ein Erklärungsproblem: Die Eheleute Palme entschieden sich an diesem Freitagabend erst ganz kurzfristig zum Kinobesuch. Dies sowie die Tatsache, dass keine Begleitung von Leibwächtern vorgesehen war, wussten lediglich die schwedischen Sicherheitskräfte. Und dass die Palmes nach dem Film zu Fuß nach Hause gingen und welchen Weg sie dabei einschlugen, war laut Palme-Ehefrau Lisbet eine spontane Entscheidung.
Ein Szenario also, in das ein bewaffneter Täter passen würde, der die Eheleute zufällig zu Gesicht bekommt und einen spontanen Mordentschluss fasst. So wie bei der Ermordung der schwedischen Außenministerin Anna Lindh am 10. September 2003 in einem Stockholmer Kaufhaus. Eine Verschwörung unter Beteiligung von Personen mit Insiderwissen aus Verfassungsschutz oder Polizei wäre grundsätzlich auch vorstellbar. Die Existenz einer rechtsextremen Kameradschaft, in der der „Kommunist“ Palme als „Staatsfeind“ galt, ist dokumentiert.
Die Vertreter einer solchen „Polizeispur“ verweisen auf die erstaunlich vielen Fehler, die in den wichtigen ersten Stunden nach der Tat gemacht wurden. Man könnte sie auch für gezielte Sabotage halten. Ein Phantombild des angeblichen Täters wurde verbreitet, von dem die Staatsanwaltschaft später sagte, es habe einen Fahndungserfolg eher verhindert. „Irreparable Fehler“ seien gemacht worden, kritisierte 1999 eine Untersuchungskommission. Regelmäßig beklagen Kriminologen und Juristen, dass die „Polizeispur“ nie wirklich bis zum Ende verfolgt wurde.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!