Steuerstreit: Kuhhandel im Bundesrat
Im Konflikt um die schwarz-gelben Haushaltspläne bietet Ministerpräsident Müller seine Stimmen im Tausch gegen Steueranteile. Auch Sachsen fordert weiter finanzielle Kompensationen.
BERLIN taz | Im Streit über die geplanten Steuersenkungen der schwarz-gelben Koalition hat sich jetzt der saarländische Ministerpräsident Peter Müller als Mehrheitsbeschaffer im Bundesrat angedient – unter der Bedingung, dass der Bund den Ländern einen höheren Anteil der Mehrwertsteuer überlässt, um den geplanten Anstieg der Bildungsausgaben zu finanzieren.
"Wenn uns der Bund da vielleicht noch stärker als bisher hilft, eröffnet dies natürlich Handlungsspielräume an anderer Stelle", sagte Müller, der mit FDP und Grünen regiert, dem Internetportal Spiegel Online.
Am Freitag kommender Woche stimmt die Länderkammer über das Wachstumsbeschleunigungsgesetz der Bundesregierung ab, das unter anderem höhere Freibeträge für Kinder und niedrigere Steuersätze auf Hotelübernachtungen vorsieht.
Im Bundesrat haben die schwarz-gelben Landesregierungen zwar eine knappe Mehrheit, doch will das finanzschwache Schleswig-Holstein dem Gesetz nicht ohne Kompensation zustimmen. Ministerpräsident Peter Harry Carstens (CDU) und der FDP-Landtagsfraktionschef Wolfgang Kubicki, der entgegen der Berliner Parteilinie Carstensens Haltung stützt, treffen sich mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) am Sonntag in Berlin zum Krisengespräch.
Eine höhere Beteiligung des Bundes an den Bildungsausgaben gilt als möglicher Ausweg aus dem Finanzstreit, zumal Merkel die Ministerpräsidenten am kommenden Mittwoch ohnehin zu einem "Bildungsgipfel" trifft. Dort könnte sie Hilfen in Aussicht stellen, ohne sie formal an das Abstimmungsverhalten im Bundesrat zu knüpfen. Der stellvertretende Regierungssprecher Christoph Steegmans bekräftigte am Mittwoch, es werde kein Herauskaufen von Bundesländern geben.
Im Gegensatz zu Carstensen hatte Müller der Koalitionsvereinbarung mitsamt der geplanten Steuersenkungen im Oktober in den Parteigremien zugestimmt. Allerdings hatte Müller bereits vor dem CDU-Bundesausschuss, der das Papier absegnete, die Finanzpläne kritisiert. Die schwarz-gelben Pläne sähen "weniger Einnahmen und mehr Ausgaben" vor, sagte Müller damals. Es gebe dabei "in erheblichem Umfang Diskussionsbedarf".
Auch das schwarz-gelb regierte Sachsen knüpfte sein Abstimmungsverhalten an Gegenleistungen. Die Steuerentlastungen schlagen im Freistaat mit Ausfällen von 114 Millionen Euro pro Jahr zu Buche. Eine solche Haushaltsbelastung könnte Sachsen, das auf seinen ausgeglichenen Haushalt stolz ist, nicht ohne neue Kredite auffangen. "Wir lassen uns nicht zu neuen Schulden zwingen", sagte Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) dem Hamburger Abendblatt.
Als mögliche Kompromisslinie gilt in Dresden eine erleichterte Vergabe von Mitteln aus dem Konjunkturpaket. Bislang müssen die Länder dafür zusätzliches Geld einsetzen, das über den bereits beschlossenen Etat hinausgeht. Tillich möchte Mittel aus dem laufenden Haushalt dafür einsetzen – und langfristig, wie Müller, Anteile an der Umsatzsteuer erhalten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit
Kanzlerkandidat-Debatte
In der SPD ist die Hölle los
BSW stimmt in Sachsen für AfD-Antrag
Es wächst zusammen, was zusammengehört
Russischer Angriff auf die Ukraine
Tausend Tage Krieg
Abschluss G20-Gipfel in Brasilien
Der Westen hat nicht mehr so viel zu melden
CDU-Politiker Marco Wanderwitz
Schmerzhafter Abgang eines Standhaften