Steuersenkung ab 2013 möglich: Koalition zankt sich um Entlastung
Wolfgang Schäuble und Philipp Rösler kündigen eine Steuersenkung an. Doch Horst Seehofer schießt schon wieder quer. Und auch die Kommunen sind dagegen.
BERLIN taz | Alles läuft prima, wenn man Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) glaubt. "So viele Menschen haben einen Job wie nie zuvor", es gebe "so wenig Arbeitslose wie zuletzt vor 20 Jahren", die Wirtschaft brumme. Und das in diesen unruhigen Zeiten!
Neben Rösler sitzt sein Kabinettskollege von der CDU, Finanzminister Wolfgang Schäuble, und sekundiert: Deutschland sei in Europa "Stabilitätsanker und Wachstumsmotor zugleich", bemüht er ein etwas schiefes Bild, um unter den Journalisten im Saal der Bundespressekonferenz Zuversicht zu verbreiten.
Zwar musste die Bundesregierung ihre bisherige Prognose leicht korrigieren: Für das kommende Jahr geht sie statt von bisher 1,8 Prozent nur noch von einem Wachstum von 1,0 Prozent aus. Dennoch findet Rösler, dies sei "der richtige Zeitpunkt" für Steuerentlastungen. Denn Röslers Herbstprognose bildet nur die Ouvertüre, bevor Schäuble und Rösler ihre Steuerpläne ausbreiten.
Sie wollen der "kalten Progression" den Kampf ansagen. Deshalb kündigen sie an, ab 2013 den Grundfreibetrag bei der Einkommensteuer anheben und die Tariftabellen mit Blick auf die steigenden Verbraucherpreise anpassen zu wollen.
Damit wollen sie dem Anstieg der Steuerlast entgegenwirken, der durch Inflation, Preissteigerungen und Lohnerhöhungen automatisch eintritt. Eingeführt werden solle ein Mechanismus, mit dem alle zwei Jahre die Wirkung der kalten Progression berechnet und korrigiert werde, kündigen Rösler und Schäuble an.
Entlastung soll Inlandsnachfrage stärken
Geht es nach den beiden, solle ein entsprechendes Gesetz zum 1. Januar 2013 in Kraft treten. Auf "rund sechs bis sieben Milliarden" Euro an Steuermehreinnahmen, "die der Gesetzgeber nicht gewollt habe", verzichte die Koalition, so Schäuble - Geld, das vor allem kleinen und mittleren Einkommen und somit der Binnennachfrage zugute käme, wie Rösler betont.
Immerhin, so der Wirtschaftsminister, werde die Inlandsnachfrage im nächsten Jahr das Wirtschaftswachstum fast allein tragen" müssen, da die Exporte ins Ausland aufgrund der Krise in vielen Ländern derzeit schwächelten. Auf die Frage, wie viel Euro diese Reform dem einzelnen Steuerzahler konkret ins Portemonnaie spülen dürfte, flüchtete sich Wolfgang Schäuble allerdings ins Allgemein-Philosophische.
"Die menschliche Wahrnehmung ist relativ", unkte er - "je nachdem, ob es sich um eine Steuererhöhung oder eine Steuersenkung handelt." Ein großes Plus in der Brieftasche brauchen die Bundesbürger also nicht zu erwarten. Dafür kann sich die FDP rühmen, ihrem zentralen Wahlversprechen treu geblieben zu sein.
Länder und Gemeinden fürchten Einnahmeverluste
Fraglich ist allerdings, ob Länder und Gemeinden bei diesen Plänen mitziehen und ob sie eine Chance haben, den Bundesrat zu passieren. Schon der Koalitionspartner CSU macht Schwierigkeiten. In München dementierte CSU-Chef Horst Seehofer umgehend, dass es bereits eine Einigung mit den Regierungspartnern gegeben habe.
Erst beim Koalitionstreffen am Freitagabend in Berlin werde man "über das gesamte Finanztableau reden", gab sich Seehofer verärgert. Womöglich dient diese Drohung aber nur dazu, der bayerischen Forderung nach einer Pkw-Maut neuen Nachdruck zu verleihen.
Doch auch Gerd Landsberg, der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, sieht "keinerlei finanziellen Spielraum" für solche Steuerpläne. "Wenn der Bund so etwas will, muss er es aus eigener Tasche bezahlen", sagte er der Leipziger Volkszeitung. Länder und Gemeinden müssten sonst auf Einnahmen verzichten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Berliner Sparliste
Erhöht doch die Einnahmen!
„Freiheit“ von Angela Merkel
Die Macht hatte ihren Preis
Gewalt an Frauen
Ein Femizid ist ein Femizid und bleibt ein Femizid