Steuerschätzung: Staatskassen klammer als gedacht
Das ist das Ergenbnis der Steuerschätzung: Deutschland muss bis 2013 mit 316 Milliarden Euro Steuern weniger auskommen als bisher erwartet. Was bedeutet das?
BERLIN | Bund, Länder und Gemeinden müssen der neuen Steuerschätzung zufolge bis zum Jahr 2013 mit 316,3 Milliarden Euro weniger auskommen als noch im November angenommen. Dies teilte der Arbeitskreis Steuerschätzung am Donnerstag mit.
Allein in diesem Jahr werden die Steuereinnahmen um 45 Milliarden Euro niedriger ausfallen als gedacht. Der Bund muss mit einem Ausfall von 21,5 Milliarden Euro rechnen, die Länder mit Gesamteinbußen von 16,5 Milliarden Euro und die Gemeinden mit 7,6 Milliarden Euro.
2010 fehlen den Angaben zufolge 84,7 Milliarden Euro im Vergleich zur Steuerschätzung vor einem Jahr. Davon entfallen auf den Bund 41,1 Milliarden Euro. 2011 sollen die Steuereinnahmen für den Gesamtstaat um 93,4 Milliarden Euro unter der bisherigen Erwartung liegen, 2012 fehlen demnach 93,2 Milliarden Euro.
Die Schätzung hatten Experten von Bund, Ländern und Gemeinden sowie Wissenschaftler in Bad Kreuznach erarbeitet. Finanzminister Peer Steinbrück hat bereits angekündigt, bis zum Monatsende wegen der Ausfälle einen weiteren Nachtragshaushalt für 2009 aufzustellen. Der SPD-Politiker kalkuliert mit einer Neuverschuldung des Bundes allein in diesem Jahr von 80 Milliarden Euro. Das wäre gut doppelt so viel wie aktuell veranschlagt.
Wegen der Aussichten auf deutliche Steuermindereinnahmen bekräftigte Peer Steinbrück seine kategorische Ablehnung von Steuersenkungen. Versprechen, wie sie Union und FDP abgäben, ohne eine Gegenfinanzierung zu haben, seien "Schall und Rauch".
Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) hingegen wiederholte, dass er die Möglichkeit von Steuersenkungen sehe. Es sei wichtig, nun nicht in Stagnation zu verfallen, sondern Wachstumskräfte auszulösen. "Das muss alles im Rahmen der Vernunft sein", sagte der CSU-Politiker. Doch müsse man auch über Entlastungen sprechen. Eine Entlastung "der Leistungsträger, der Familien und des Mittelstands" müsse ganz oben auf der politischen Agenda bleiben, erklärte auch CSU-Chef Horst Seehofer. Und FDP-Finanzexperte Otto Fricke beteuerte: Die Antwort auf die Steuerausfälle "heißt Steuern senken".
Für Kopfschütteln sorgt dies nicht nur bei Steinbrück, sondern ebenso bei den Grünen. Deren Haushaltsexperten Christine Scheel und Alexander Bonde forderten Angela Merkel dazu auf, "auf dem Boden der Tatsachen anzukommen und die Steuersenkungsversprechen zu versenken - alles andere wäre Vorbereitung zum Wahlbetrug".
Die Steuerschätzung sei eine "Bankrotterklärung der Bundesregierung", sagt der Vorsitzende der Linkspartei, Oskar Lafontaine. Die Union und die SPD weigerten sich beharrlich, "Millionäre mit einer Vermögenssteuer an der Finanzierung des Gemeinwohls und den Kosten der jetzigen Finanz- und Wirtschaftskrise angemessen zu beteiligen". ap, reuters, afp
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Bis 1,30 Euro pro Kilowattstunde
Dunkelflaute lässt Strompreis explodieren
Preiserhöhung bei der Deutschen Bahn
Kein Sparpreis, dafür schlechter Service
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Housing First-Bilanz in Bremen
Auch wer spuckt, darf wohnen
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
Ansage der Außenministerin an Verbündete
Bravo, Baerbock!