Steuerdebatte in der Koalition: Spitzensteuer quält die FDP
Immer mehr CDU-Politiker rufen nach höheren Steuern für Gutverdiener. Der Koalitionspartner droht nun mit einer Revanche bei der Wahl des Bundespräsidenten.
Es wäre eine echte Neuigkeit gewesen, hätte Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) seinen speziellen Freunden von der FDP aufrichtige Komplimente erteilt. "Wir sind eine Koalition aus mehreren", sagte Schäuble zwar am Mittwoch auf einem Kongress des CDU-Wirtschaftsrats in Berlin. "Da muss man zu Beschlüssen auch gemeinsam stehen". Doch ließ er sogleich durchblicken, dass ihm dies nicht immer leicht fällt "Ich kann auf der Ausgabenseite des Haushalts soziale Ausgewogenheit nicht herstellen." Sondern nur bei den Steuern, lautete der unausgesprochene Zusatz.
Wirtschaftsratschef Kurt Lauk, der Anfälligkeit für sozialdemokratische Gedanken anders als Schäuble bislang nicht verdächtig, wurde deutlicher. Sein Verband fordere schon lange, den halben Mehrwertsteuersatz abzuschaffen und die Einkommensteuer zu reformieren. "Als Teil dieses Pakets haben wir uns bereit erklärt, nach oben den Spitzensteuersatz mit anzuheben, sagte er: "Wenn alle etwas geben, dann müssen alle dabei sein. Wir verweigern uns dieser Solidarität nicht.
Es ist die Melodie eines Chores, der in der CDU seit dem Ende der Sparklausur am Montag immer lauter anschwillt. Höhere Steuern für Reiche, kein Privileg mehr für Hotelbesitzer: Das verlangt inzwischen fast jeder aus der Partei, der sich überhaupt ausführlich zu dem Thema äußert. Ob es nun Bundestagspräsident Norbert Lammert ist, der saarländische Ministerpräsident Peter Müller oder - etwas vorsichtiger - der parlamentarische Geschäftsführer Peter Altmaier. Die Leute aus der allerersten Reihe, die Kanzlerin zum Beispiel, sind bislang nicht vernehmbar dagegen eingeschritten.
Das ärgert den Koalitionspartner. "Wir lassen nicht zu, dass FDP-Positionen abgeräumt werden", sagte Fraktionschefin Birgit Homburger am Mittwoch etwas hilflos. "Wir erwarten von der Führung der Union, dass sie das Konzept, das wir gemeinsam vorgelegt haben, auch gemeinsam vertritt."Ein solches Machtwort scheint inzwischen aber auch in der eigenen Partei nötig zu sein. Mit dem schleswig-holsteinischen Fraktionschef Wolfgang Kubick meldete sich der erste Befürworter eines erhöhten Spitzensteuersatzes zu Wort. "Daraus sollten wir kein Tabu machen", sagte er.
Umgekehrt stellte der hessische FDP-Vorsitzende Jörg-Uwe Hahn als erster Politiker seiner Partei ganz offen einen Zusammenhang zwischen Steuerdebatte und Präsidentenwahl her. Die Mehrheit für den CDU-Kandidaten Christian Wulff sei in der Bundesversammlung "nicht sicher, solange unter den Wahlleuten der FDP das Unbehagen über die Union so groß ist", sagte er. Das Bundeskabinett behandelt den Haushalt allerdings erst eine Woche nach der Päesidentenwahl, der Bundestag befssst sich damit erst im Herbst
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