Steuerabkommen mit der Schweiz: Bundesregierung bremst EU aus
Deutschland blockiert die Verschärfung einer EU-Richtlinie gegen Steuerflucht. Kritiker sprechen von Erpressung, um ein Abkommen mit der Schweiz durchzudrücken.
BERLIN taz | Auf die Tagesordnung hatte es das Thema immerhin schon geschafft: Am 21. Februar wollten die EU-Finanzminister eigentlich ein Verhandlungsmandat für die lange geplante Verschärfung der EU-Zinsrichtlinie beschließen. Das Abkommen aus dem Jahr 2005 soll von wichtigen Schlupflöchern und Ausnahmen befreit werden, um den Kampf gegen grenzüberschreitende Steuerflucht zu erschweren.
Doch daraus wurde nichts: Wenige Tage vorher nahm die dänische EU-Ratspräsidentschaft das Thema wieder von der Agenda, und zwar auf Verlangen Deutschlands. Nach Informationen der taz soll diese Intervention bei mehreren Mitgliedstaaten für erheblichen Ärger gesorgt haben.
Über die Hintergründe des deutschen Vetos gibt es unterschiedliche Angaben. Unstrittig ist, dass Deutschland einen Zusammenhang zum geplanten Steuerabkommen mit der Schweiz hergestellt hat. Erst wenn dies unter Dach und Fach sei, solle weiter über die Zinsrichtlinie verhandelt werden, so die Ansage.
Mit dem deutsch-schweizerischen Steuerabkommen soll festgelegt werden, dass deutsche Steuerflüchtige ihr in der Schweiz angelegtes Schwarzgeld durch eine einmalige Nachzahlung legalisieren können. Für die Zukunft fällt dann eine Quellensteuer an. Die Besitzer des Geldes bleiben aber anonym und müssen nicht mehr mit Entdeckung rechnen, weil Deutschland sich verpflichtet, keine CDs mit Daten von Steuerflüchtlingen mehr anzukaufen.
Machtkampf mit der EU
Nicht nur die deutsche Opposition protestierte gegen diese faktische Amnestie für Steuerflüchtige (taz berichtete), auch die EU hatte massive Einwände gegen das Abkommen vorgebracht. Deutschland greife damit in EU-Befugnisse ein und hintertreibe die von der EU angestrebte Abschaffung der anonymen Geldanlage, so die Kritik.
Die deutsche Forderung, vor einer Befassung mit der Zinsrichtlinie müssten die Probleme rund um das Abkommen geklärt sein, wird darum von internationalen Beobachtern als offener Machtkampf wahrgenommen. „Deutschland jüngstes Vorgehen sieht nach einer Erpressung der EU aus: Zieht eure Vorbehalte gegen unseren Vertrag zurück oder wir blockieren sämtliche Bemühungen um Transparenz auf EU-Ebene“, sagt der britische Steuerflucht-Experte und Autor Nicholas Shaxson. „Deutschland wird damit von einem Unterstützer der Zinsrichtlinie zu einem Gegner – und damit zu einer Gefahr für dieses wichtige Projekt.“
Hans Bernhard Beus, Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, bestätigt auf taz-Anfrage, dass Deutschland dafür plädiert hat, die Befassung mit der Richtlinie zu verschieben. Und: „Wie es mit dem deutsch-Schweizer Abkommen weitergeht, spielt dabei durchaus eine Rolle.“
Doch sei es Deutschland nicht darum gegangen, die Richtlinie zu blockieren, sagte Beus. Sie werde weiter grundsätzlich unterstützt. Vielmehr wolle man die Chancen einer Verabschiedung der Richtlinie erhöhen. „Nach unserer Einschätzung wären die Erfolgsaussichten einer Behandlung größer, wenn wir zuvor das Abkommen haben“, so Beus.
Dem Steuerdeal mit der Schweiz droht Ablehnung im Bundesrat
Hintergrund ist, dass EU-Mitgliedstaaten wie Luxemburg oder Österreich, die mit der Schweiz um ausländisches Kapital konkurrieren, schärfere EU-Regeln gegen Steuerflucht blockieren könnten, wenn für Nicht-EU-Mitglieder wie die Schweiz nicht vergleichbare Regeln gelten.
Dieses Argument können die Kritiker der deutschen Position nicht nachvollziehen. Das deutsch-Schweizer Abkommen werde den Widerstand von Luxemburg und Österreich nicht schwächen, sondern verstärken, weil der Schweiz damit die dauerhafte Anonymität ihrer Geldgeber zugesichert werde, meint etwa Sven Giegold, Steuerexperte der Grünen im EU-Parlament.
Für ihn gibt es für das deutsche Vorgehen nur eine Erklärung: „Finanzminister Wolfgang Schäuble steht offenbar unter Druck, um jeden Preis die Anonymität der deutschen Steuerflüchtlinge in der Schweiz zu schützen.“
Ob das gelingt, ist offen. Selbst wenn sich die EU-Vorbehalte ausräumen lassen, wie von Staatssekretär Beus erwartet, droht dem umstrittenen Deal noch immer die Ablehnung im Bundesrat. Ob SPD und Grüne bei ihrer Ablehnung bleiben, soll bei Verhandlungen mit dem Finanzministerium Mitte des Monats entschieden werden.
Beus hofft auf ein Einlenken. Die Alternative sei, dass ein Großteil des Schwarzgelds in der Schweiz weiterhin gar nicht besteuert werde. Das weist der Grünen-Abgeordnete Giegold zurück. „Die USA zeigen, wie man effektiv gegen Steueroasen vorgeht“, sagte er. „Statt die deutschen Steuerflüchtlinge zu schützen, sollte die Bundesregierung das Bankengeheimnis in der Abgabenordnung lockern. Dann kann Deutschland ebenso konsequent vorgehen wie die USA.“
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