Sterbende Amphibien: Salamanderpest wütet in Deutschland
Tödliche Pilzsorten sind über den Amphibienhandel nach Europa gekommen und vernichten Molche, Lurche oder Kröten. Verbände schlagen Alarm.
Einerseits sorgt der Mensch dafür, dass immer mehr Feuchtgebiete und Tümpel verschwinden; sie sind Lebensgrundlage für die kiementragenden Larven der Lurche. Andererseits setzt der Klimawandel die Tiere mit steigenden Temperaturen und zunehmenden Dürreperioden unter Stress. „Neuerdings kommt der Salamanderfresser noch dazu, eine Pilzkrankheit, gegen die es keine Rettung gibt“, sagt die Gewässerökologin Malvina Hoppe vom Landesbund für Vogelschutz (LBV) in Bayern.
Es handelt sich um den Pilz Batrachochytrium salamandrivorans, kurz Bsal, der aus Asien stammt. „Dort konnte sich die heimische Amphibienfauna über Jahrmillionen auf die Existenz des Erregers einstellen“, sagt Hoppe, die beim LVB zuständig für Amphibienschutz ist. Hier aber sind Molche und Lurche diesem Pilz schutzlos ausgeliefert: Ist ein Tier von dieser Seuche befallen, bedeutet das den raschen Tod, der Pilz frisst buchstäblich Löcher in die Haut. Naturschutzexpertin Hoppe: „Feuersalamander sterben nach etwa zwei Wochen, auch Kammmolche oder Alpensalamander sind bedroht. Bergmolche überleben zwar, aber sie übertragen so die Krankheit auf andere Amphibien.“
In der Eifel, in Hamburg, in Bayern – Deutschland habe sich in den letzten Jahren zu einem regelrechten Hotspot der „Salamanderpest“ entwickelt, wie es Hoppe nennt: Besonders in der Grenzregion zu den Niederlanden sind viele Fundstellen registriert. Es wird vermutet, dass die Krankheit über den internationalen Amphibienhandel in die Niederlande eingeschleppt wurde. Im Nachbarland ist die Salamanderpopulation bereits um 95 Prozent eingebrochen. Um mehr über die Ausbreitung der Krankheit zu erfahren, ruft der Landesbund die Bevölkerung in Bayern nun zur Mithilfe auf: „Wer einen toten Feuersalamander beim Spaziergang bemerkt, sollte diesen fotografieren und uns mit den Koordinaten-Daten melden“, bittet Malvina Hoppe. Die Experten würden dann versuchen, das verendete Tier zu bergen und zu untersuchen.
In Südamerika sind etliche Arten nach Befall ausgestorben
Bsal ist nicht der einzige Pilz, der die heimischen Amphibien bedroht. Ein anderer nennt sich Batrachochytrium dendrobatits, kurz Bd, benannt nach den zentralamerikanischen „Dendrobatiden“, den Pfeilgiftfröschen, die massenhaft verenden. „Beide Pilze sind weltweit ziemlich sicher durch den Menschen verfrachtet worden“, sagt Stefan Lötters von der Universität Trier. Neben dem Handel mit Lebendtieren könnten die Erreger auch indirekt verfrachtet worden sein, etwa mittels Wasserpflanzen oder Froschschenkeln für den Kochtopf, sagt der Professor für Biogeografie: „Während Bsal fast nur Schwanzlurche befällt, ist Bd auf alle Amphibien übertragbar.“
Immerhin ist Bd in Europa nicht so aggressiv. „Dieser Pilz wirkt sich ungünstig auf die Amphibien aus, wenn sonstige Bedrohungen hinzukommen wie zum Beispiel der Stress durch den Klimawandel“, so Lötters. Tropische Arten seien durch Bd deutlich bedrohter, vor allem in Südamerika und Australien. „In diesen Regionen hat Bd lokale Massensterben von ganzen Populationen ausgelöst.“ Die Wissenschaft geht davon aus, dass etliche Arten nach dem Befall ausgestorben sind.
„Amphibien spielen wichtige Rolle in den Ökosystemen“
Gibt es irgendeine „Medizin“, mit der Amphibien geschützt werden könnten? „Im Prinzip könnte man Bd und Bsal mit einem Antimykotikum behandeln“, einem Arzneimittel gegen Pilzinfektionen, so Lötters. Bei Bsal würde sogar eine Wärmebehandlung anschlagen, der Pilz stirbt dabei ab. „Im Freiland ist das Ganze jedoch nicht praktikabel: Man würde nicht alle infizierten Tiere erwischen.“ Außerdem existierten wohl bisher nicht bekannte Reservoire, beispielsweise gebe es Hinweise, dass Bsal auch auf totem Laub überleben kann.
Für Amphibienschützer wie den bayerischen Verband für Amphibien- und Reptilienschutz bergen die Pilze schlimmste Szenarien: Mit viel Aufwand und Behördengeld richten sie ein für Molche oder Kröten intaktes Habitat her, und plötzlich ist es von einem Monitoring zum nächsten leer. Deshalb arbeitet der Verband mit dem LBV, dem Bund Naturschutz und auch der Universität Trier zusammen: Funde toter Salamander außerhalb Bayerns, die nicht durch Überfahren verendeten, sollten dem Lehrstuhl in Trier gemeldet werden.
„Amphibien spielen eine wichtige Rolle in den Ökosystemen“, urteilt Professor Lötters. Würden sie verschwinden, verändere sich das Ökosystem, was letztlich alles durcheinanderbringt und am Ende auch uns schaden kann. Lötters: „Langfristig schneiden auch wir uns den eigenen Ast ab, wenn wir Amphibien nicht schützen.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Christian Lindner
Die libertären Posterboys
Außenministerin zu Besuch in China
Auf unmöglicher Mission in Peking
Olaf Scholz’ erfolglose Ukrainepolitik
Friedenskanzler? Wäre schön gewesen!
Rücktrittsforderungen gegen Lindner
Der FDP-Chef wünscht sich Disruption
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht