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Stellung der Frau in Saudi-ArabienIst das Satire – oder kann das weg?

Kommentar von Maxie Römhild

Melania Trump leistet sich einen amtlichen Fehltritt auf Twitter: Sie findet, in dem Königreich gehe es voran für die weibliche Bevölkerung.

Melania Trump unterhält sich mit Arbeiterinnen im GE Service Center – aber worüber? Foto: reuters

Melania Trump lobt „Frauen-Empowerment“ bei Firmenbesuch in Saudi Arabien“ titelt die Online-Ausgabe des britischen Independent. Wahrheit? Satire?

Wahrheit.

Nachdem sie sich mit einer Gruppe von Frauen getroffen hatte, die für das Service Center eines US-Konzerns in Saudi-Arabien arbeiten, ließ die First Lady über ihren offiziellen Twitter-Account, genannt Flotus, verlauten: „Habe es genossen, mit den unglaublichen, hartarbeitenden Frauen vom General Electric Saudi Service Center zu sprechen. Hier geschehen große Fortschritte in der Stärkung der Frauen.“

Begleitet wurde der Text von einem Foto, das Melania mit den besagten Arbeiterinnen zeigt. Während das ehemalige Model ein knielanges, beigefarbenes Kleid trägt, sind die Saudi-Araberinnen in bodenlange, sackähnliche Abayas gehüllt. Die meisten von ihnen tragen dazu ein Kopftuch, zwei haben ihr Gesicht ganz verschleiert.

Diese Komposition von Bild und Text muss man erstmal auf sich wirken lassen. Denn obwohl es nicht ganz falsch ist, dass Frauen in den letzten Jahren einige nenneswerte Freiheiten erlangt haben – sie durften 2015 zum Beispiel zum ersten Mal wählen (natürlich nur bei Kommunalwahlen) – bleibt Saudi-Arabien eines der frauenfeindlichsten Länder der Welt.

Als Beweis für die schlechte Stellung der Frau liest man oft, dass es ihnen im Königreich verboten ist, Auto zu fahren. Besonders der autobahnliebenden Durchschnittsdeutschen bleibt bei solchen albtraumhaften Aussichten wohl die Luft weg. Dabei ist Selbstfahren für Frauen in Saudi-Arabien nur die allerkleinste Sorge.

Viel schlimmer ist, dass sie bei fast allem, wie zum Beispiel dem Beantragen eines Passes oder sogar ärztlichen Untersuchungen, auf die Zustimmung ihres männlichen Vormunds (Vater, Bruder oder Ehemann) angewiesen sind. Außerdem ist es nicht unüblich, dass Opfer von sexuellen Übergriffen und Vergewaltigungen selbst zu Prügel- und Haftstrafen verurteilt werden, weil sie „unangemessen gekleidet“ waren oder sich in der Gegenwart von Männern aufhielten, die nicht zu ihrer Familie gehören. Kann man bei so einer Gesetzeslage jemals von der „Stärkung der Frauen“ sprechen?

Uninformiert und unreflektiert

Bei dem „fortschrittlichen Service-Center“, das Melania so begeistert inspizieren durfte, handelt es sich um eine Abteilung mit rein weiblicher Besetzung. Denn in Saudi-Arabien existieren zwei streng getrennte Parallelgesellschaften: eine weibliche und eine männliche. Öffentliche Gebäude haben getrennte Eingänge. Sogar in Fastfood-Läden warten Männer und Frauen nicht in derselben Schlange.

Um das öffentliche Leben funktional zu halten, werden mittlerweile unter anderem Medizinerinnen ausgebildet, die sich allein um Patientinnen kümmern. Während des Studiums der jungen Ärztinnen kann es aber auch durchaus sein, dass ihr Professor im Nebenraum vor einer Kamera unterrichtet – damit Studentinnen und Lehrer sich nicht im selben Raum aufhalten.

All dies hätte Melania Trump bedenken können, bevor sie das Empowerment von Frauen in Saudi-Arabien lobte. Sie hätte auch darüber nachdenken können, welche Erfahrungen eigentlich die USA mit der strikten Trennung zweier Bevölkerungsgruppen gemacht haben – und ob man daraus heute noch etwas lernen könnte.

Die Fettnäpfchenliste ist lang

Dass sie das aber nicht gemacht hat, überrascht wenig. Immerhin ist die Fettnäpfchenliste der frisch gebackenen First Lady lang: Zum Beispiel kopierte sie vor knapp einem Jahr eine Rede Michelle Obamas und im Februar fasste sie der Gattin des israelischen Ministerpräsidents aus Versehen an den Hintern – vielleicht ein Versuch mit ihrem Ehemann gleichzuziehen. Denn der ist ja bekannterweise auch sehr gut im Hintern und dergleichen anpacken.

Reden abkupfern beherrscht er ebenfalls, besonders wenn sie aus Hollywood-Filmen stammen. Am meisten Furore macht der Präsident aber mit der Mischung aus Halbwahrheiten und blankem Unsinn, die er regelmäßig über seine Twitter-Kanäle Potus und realDonaldTrump verbreitet.

Mit ihrem Tweet sorgt Melania jetzt also erstmal für persönliche Gleichberechtigung: In Sachen unreflektierte Äußerungen liegen Flotus und Potus wieder in etwa gleichauf.

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2 Kommentare

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  • Dass es Forschritte gibt, bedeutet ja nicht das etwas gut geworden ist. Es reicht, dass es besser geworden ist, als es zuvor war. Und das trifft auf die Situation der Frauen in Saudi-Arabien zu. Melanie Trump wollte dies offenbar hervorheben, um jenen Frauen dort den Rücken zu stärken, die von den, in den letzten Jahren hinzugekommenen Rechten gebrauch machen und für weitere Verbesserungen kämpfen. Die Art und Weise, wie sich Frau Römhild hier schreibt hingegen, bedient sexistische Ressentiments gegen ehemalige Models und argumentiert aus einer pseudoaufgeklärten Überheblichkeit, die keiner Frau in Saudi-Arabien irgendetwas nützt. Stattdessen wird sogar ihr Kleidungsstil noch diffamiert.

  • "Stellung der Frau". Die islamische Welt befindet sich vor allem im ökonomischen und sozialen Verteilungskrieg.

     

    Der primäre Konflikt in der islamischen Welt hat ökonomische und soziale Ursachen. Aus der christlichen Gegenreformation wurde uns überliefert, dass die Maßnahmen des Katholizismus sich sowohl auf den kirchenpolitischen als auch auf den weltlichen politischen Bereich erstreckten und auch Maßnahmen der Rekatholisierung protestantischer Territorien beinhaltete. Sie führten im Zusammenspiel mit einer Reihe weiterer Faktoren zum Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges.

     

    Auch beim innerislamischen Konflikt geht es nur vordergründig um einen religiösen Konflikt. Auch hier wird der eigentlich ökonomische und soziale Konflikt von Fragen der religiösen Ausrichtung verdeckt. Primär geht es um die soziale Teilhabe der meist eigentumslosen Volksmassen am ökonomischen und sozialen Reichtum in der islamischen Welt. Um eine Wende der einseitigen Reichtumsverteilung, bisher zum Vorteil der ökonomischen und feudal-religiösen Oberschicht, unter Ausschluss der in Armut gehaltenen Volksmassen - in der islamischen Welt.

     

    Die einseitige Reichtumsverteilung in den feudal-kapitalistischen und -absolutistischen- islamischen Monarchien: Saudi-Arabien, Katar, VAE und Kuwait u.a.m., steht im Widerspruch zu den sozioökonomischen Interessen der breiten Volksmassen in der islamischen Welt. Auch wenn die Konflikte Großteils kolonialen und -neuzeitlich- imperialen Ursprungs sind, so stellt sich doch die aktuelle Frage nach einer erneuerten Verteilung des Reichtums in den islamischen Glaubensregionen und Territorien.

     

    In Ermangelung einer aus der fehlenden Industrialisierung hervorgebrachten m/w Arbeiterschaft, dürften die ökonomischen und sozialen Verteilungsfragen zwischen den realen Klassen und Schichten in den islamisch geprägten Gesellschaften zu einer weiteren gewaltsamen Eskalation und zum sozioökonomischen Verteilungskrieg und Bürgerkrieg führen.