Steinmeier zu Gast bei Medwedjew: Angebote, die keiner will
Steinmeier strebt einen Neuanfang in den Beziehungen zu Russland an und will bei der Modernisierung helfen. In Russland wurde Steinmeiers Rede nicht besonders beachtet.
MOSKAU taz Für nicht weniger als "einen Neuanfang in den Beziehungen zu Russland" plädierte Außenminister Frank-Walter Steinmeier zum Auftakt seiner mehrtägigen Russlandreise. In seiner Rede an der Gorki-Universität in Jekaterinburg appellierte er zugleich an die neue russische Führung, den Aufbau rechtsstaatlicher und demokratischer Strukturen voranzutreiben. Präsident Dmitri Medwedjew und Premierminister Wladimir Putin bot er eine enge "Modernisierungspartnerschaft" mit Deutschland und Europa an.
Obwohl Steinmeier von einem "Neuanfang" sprach, wollte er sein Angebot als eine Fortsetzung dessen verstanden wissen, was ohnehin Gegenstand der deutsch-russischen Beziehungen sei. Neuanfang oder Kontinuität? Diese Unklarheit charakterisiert den guten Willen, aber auch die Naivität der deutschen Politik gegenüber Russland.
Als Kernelemente einer Partnerschaft für die Modernisierung nannte Steinmeier Reformen des russischen Verwaltungswesens. Die Modernisierung Russlands könne nur gelingen, wenn inländisches wie ausländisches Kapital verlässliche Rahmenbedingungen vorfänden. Auch für den Umbau des Bildungs-, Gesundheits- und Energiesektors bot Steinmeier deutsche Hilfe an. Recht deutlich wies er darauf hin, dass "offene Gesellschaften" am besten in der Lage seien, Modernisierungen vorzunehmen.
Stark beachtet wurde die Rede in Russland nicht. Das hat einen einfachen Grund: Die russische Regierung hat mehrfach klargestellt, dass sie sich nicht bevormunden lassen will. Allerdings betonten Medwedjew und Putin im Vorfeld des Machtwechsels auch die Notwendigkeit, den Rechtsstaat auszubauen. Dumm nur, dass in Putins Präsidentschaft die rechtsstaatlichen Ansätze demontiert wurden.
Modernisierung bedeutet im russischen Kontext, den technologischen Rückstand in der Produktion und in der Rüstung aufzuholen. Alle Anstrengungen dienten stets dem Ziel, als Großmacht in der internationalen Politik mitzumischen. Modernisierung und Ausbau der Zivilgesellschaft hingegen gelten als Bedrohung für die "souveräne Bürokratie". Daher ist die geringe Resonanz auf Steinmeiers Rede kein Wunder.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!