Steigendes Defizit bei den freien Schulen: Dein Feind, die Privatschule
Bei freien Schulen spart der Staat bis zu 5.200 Euro pro Schüler. Die Länder übernehmen kaum mehr als die Hälfte der Kosten - trotz Absicherung in der Verfassung.
BERLIN taz/epd | Schulen in freier Trägerschaft erhalten deutlich weniger öffentliche Mittel als staatliche Schulen, obwohl die Privatschulen einen gesetzlichen Anspruch auf angemessene staatliche Finanzhilfe haben. Im Schnitt decken die staatlichen Zuschüsse nur etwa 50 bis 60 Prozent der tatsächlichen Kosten des Betriebs. Das fand Helmut E. Klein vom Institut der deutschen Wirtschaft in einer neuen Studie heraus.
Am größten ist die Lücke zwischen staatlichen Zuwendungen und tatsächlichen Kosten bei den Privatschulen in Hessen: Um den Lehrbetrieb - betriebswirtschaftlich betrachtet - komplett zu gewährleisten, hätte der Staat dort 2007 fast 5.200 Euro je Schüler mehr zahlen müssen, als er an die freien Träger überwiesen hat. Am geringsten war der Fehlbetrag mit 1.800 Euro in Brandenburg. Um diese Finanzlöcher zu stopfen, verlangen deshalb viele Schulen in freier Trägerschaft Schulgebühren. Zur Existenzsicherung müssen Privatschulen zudem zunehmend auf Sponsoren, Spendengelder, Eigenmittel zurückgreifen und sich verschulden.
In vielen Bundesländern werden nun die Zuschüsse zu Privatschulen gestrichen - auf ganz unterschiedliche Art. In Sachsen etwa wird die sogenannte Schulgelderstattung abgeschafft. Das ist eine staatliche Unterstützung für ärmere Familien mit Kindern an freien Schulen in Höhe von 60 Euro pro Kind. Das Geld wird für neu eingeschulte Kinder ab dem kommenden Schuljahr nicht mehr gewährt. Kritiker befürchten jetzt, dass sich die Privatschulen zusehends zu elitären Bildungseinrichtungen wandeln könnten, weil Kinder ärmerer Familien ausgeschlossen werden.
Der sächsische Bildungsminister Roland Wöller (CDU) wies die Befürchtung zurück, dass die Änderungen zu einer sogenannten Sonderung an den Schulen führen könnten. Dies sei verboten, so der Minister. Die Träger müssten eigenverantwortlich eine sozialverträgliche Lösung finden, dass alle Kinder freie Schulen besuchen könnten. Möglichkeiten gebe es bei der Gestaltung des Schulgeldes.
Laut Grundgesetz ist der Staat verpflichtet, das Grundrecht auf Privatschulen zu gewährleisten - und dafür zu sorgen, dass es keine Sonderung der Schülerschaft nach wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit gibt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Netzgebühren für Unternehmen
Habeck will Stromkosten senken